Eva, Abiturientin an einer kleinstädtischen Oberschule in der DDR um 1950, ist kompromisslos in ihren politischen Überzeugungen. Sie ist Klassensprecherin und engagiert sich enthusiastisch für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft. Als Leiterin einer Laienspielgruppe inszeniert sie politische Lehrstücke. Eva wird von der Klasse respektiert, sie ist bei Schülern und Lehrern beliebt, und sie ist mit Klaus, einem Mitschüler, zusammen: ein Traumpaar, wie alle denken.
Evas Ansehen ändert sich allerdings rasch, als sie an den politischen Äußerungen eines von allen hochgeschätzten Lehrers Anstoß nimmt. Sie beschuldigt ihn vor der ganzen Klasse, die Schüler antisozialistisch zu indoktrinieren. Eva zeigt den charismatischen Lehrer bei der Schulleitung an. Ein mutiger Schritt der prinzipientreuen Protagonistin, der für den Lehrer, aber vor allem für sie selbst, ernste Konsequenzen hat. Fast alle Mitschüler verurteilen Evas Handlung zutiefst, und auch Klaus wendet sich von ihr ab. Voller Verachtung beschimpfen sie Eva als Denunziantin.
Die Denunziantin ist der erste und bislang unveröffentlichte Roman von Brigitte Reimann. Als sie ihn im Herbst 1952 beginnt, ist sie gerade neunzehn Jahre alt. Im Mittelpunkt des Jugendromans steht eine kompromisslos ihren sozialistischen Überzeugungen folgende Abiturientin, die in vielerlei Hinsicht nach dem Bild der Autorin modelliert ist. Reimann geht es darum zu zeigen, wie bedroht die damals noch im Entstehen begriffene sozialistische DDR-Gesellschaft ist und wie entschlossen darum allen destabilisierenden Kräften entgegengetreten werden muss.
Die Lektoren verschiedener DDR-Verlage forderten von Brigitte Reimann immer neue Überarbeitungen des Textes, bis die Autorin nach sechs Jahren und vier Fassungen resignierte und von der Veröffentlichung des Romans Abstand nahm.
Als entschlossenes Plädoyer für die Verteidigung des sozialistischen Aufbaus in der jungen DDR bildet Die Denunziantin den extremen Gegenpol zu Reimanns letztem Buch Franziska Linkerhand, in dem sie – 20 Jahre später – ihrem zunehmenden Zweifel am Gelingen des sozialistischen Wegs der DDR überzeugend Ausdruck verleiht.
Brigitte Reimann
Die Denunziantin
Herausgegeben und mit einem Anhang zur Editionsgeschichte von Kristina Stella
Illustrationen von Jens Lay
2022
ISBN 978-3-8498-1839-5
377 Seiten
E-Book (PDF-Datei), 11 MB
Brigitte Reimann (1933–1973) prägte mit ihrer Erzählung Ankunft im Alltag das Genre der „Ankunftsliteratur“ und wurde vor allem durch ihren postum erschienenen unvollendeten Roman Franziska Linkerhand und ihre spektakulären Tagebücher Ich bedaure nichts (1997) und Alles schmeckt nach Abschied (1998) bekannt. Sie starb nach langer schwerer Krankheit im Alter von nur 39 Jahren.
Kristina Stella publiziert zu Brigitte Reimann und DDR-Schriftstellern in ihrem Umfeld. Sie ist Verfasserin einer mehrbändigen Brigitte-Reimann-Bibliografie (2014) und Herausgeberin der Briefwechsel zwischen Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann (2013), zwischen Brigitte Reimann und Wolfgang Schreyer (2018) sowie der Briefe von Reiner Kunze an Brigitte Reimann (2017).
Leseprobe: lp-9783849817701.pdf
70 Jahre nach seiner Entstehung ist der erste Roman der Schriftstellerin Brigitte Reimann (1933-1973) erschienen. Er heißt «Die Denunziantin» und wird von der Publizistin Kristina Stella und dem Aisthesis-Verlag (Bielefeld) herausgegeben, wie der Verlag am Freitag in Neubrandenburg mitteilte. In der DDR-Zeit durfte der Roman nicht erscheinen. Das Manuskript galt lange als verschollen. Es wurde von Stella im Reimann-Nachlass im Literaturarchiv in Neubrandenburg entdeckt. [...]
FAZ.net (28.10.2022)
Zum vollständigen Beitrag: https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/verschollener-roman-von-brigitte-reimann-erschienen-18420052.html?GEPC=s5
[...] Das Buch fehlte bisher in den Bibliotheken, in den Regalen der unzähligen Leserinnen und Leser, die die 1973 gestorbene Autorin bis heute für ihre Tagebücher und für „Franziska Linkerhand“ verehren. [...] Es ist ein Ereignis für alle, die immer noch mehr über diese Autorin erfahren wollen. [...]
Cornelia Geissler in „Berliner Zeitung“ (29./30.10.2022)
Hier erfährt man aus zeitgenössischer Perspektive etwas über Jugendliebe und Schulalltag in der frühen DDR und die angespannte gesellschaftliche Atmosphäre vor dem Mauerbau. [...] Brigitte Reimann schlägt sich mit Fragen herum, die später in ihrem Werk wiederkehren und verblüffend heutig erscheinen: Wie geht man mit Meinungen um, die einem nicht passen? Darf man einen Menschen ins Unglück stürzen, weil er politisch anders denkt? Wann schlägt die eigene Überzeugung in Fanatismus um?
Karin Großmann in „Sächsische Zeitung“ (02.11.2020)
Erst jetzt, 70 Jahre später, hat die Publizistin Kristina Stella die Urfassung, „Reimanns Lieblingsfassung“ in einem sorgfältig kommentierten Band herausgegeben. [...] das Buch bietet auch heute noch erkenntnisreiche Einblicke in die Geschichte und den Literaturbetrieb der frühen DDR.
Frank Wilhelm in „Nordkurier“ (28.10.2022)
„Die Denunziantin“ eröffnet die fast verloren geglaubte Chance, noch einmal einen bislang unbekannten und unverstellten literarischen Blick aus Brigitte Reimanns eigener Sicht zu bekommen.
(red) in Hoyerswerdaer Tageblatt (28.10.2022)
Gespräch mit Kristina Stella im „Deutschlandfunk-Büchermarkt“ vom 08.11.2022: https://www.deutschlandfunk.de/brigitte-reimann-die-denunziantin-gespraech-mit-kristina-stella-dlf-a9ed4418-100.html
[...] ein einzigartiges biographisches Zeugnis.
Tilman Spreckelsen in „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Beilage Literatur, 26.11.2022)
In diesem Erstlingswerk steckt etwas, das beim Lesen tief bewegt, gerade weil es so irritierend ist. [...] Die politische Forderung nach Prinzipienfestigkeit, Kompromisslosigkeit – wie oft stand sie im Widerspruch zu dem, was das Herz befahl. Wie Ideologie Menschen ins Dilemma bringt, darüber denkt man beim Lesen unwillkürlich auch auf das Heute bezogen nach.
Irmtraud Gutschke in „neues deutschland“ (18.12.2022)
[…] Nun ist jene schmale 230-seitige Geschichte, die der Aufbau-Verlag Berlin ignorierte, der Mitteldeutsche Verlag Halle verschleppte, der Verlag Neues Leben nur stark verändert haben wollte, doch noch erschienen. Mit „Die Denunziantin“ beginnt Brigitte Reimanns allzu kurze Schreibreise […]. In „Die Denunziantin“ ist alles frisch und rein – außer den überkommenen Resten der vergangenen Ordnung. […] Drei Fassungen versuchte Reimann – und stieß immer wieder auf heute kaum verständliche ideologische Klippen in den politischen Kurswechseln der frühen 50-er [Jahre]. […] Zu den Fassungen liefert die Herausgeberin Kristina Stella ein so ausführliches wie aufschlussreiches Nachwort. Dass sie sich bei der Veröffentlichung für die Urfassung entschied, ist sicher ein Glücksgriff.
Norbert Wehrstadt in „Leipziger Volkszeitung“ und „Dresdner Neueste Nachrichten“ (16.12.2022)
[D]ie Entscheidung der Reimann-Spezialistin Kristina Stella [ist] zu begrüßen, das im Neubrandenburger Archiv schlummernde Skript in kommentierter Form nun doch noch herauszubringen. „Die Denunziantin“ vervollständigt nicht nur das Werk der mit 39 Jahren an Krebs verstorbenen Autorin, sondern zeigt zugleich, wie die junge Reimann mit sich gerungen hat.
Frank Quilitzsch in „Thüringer Allgemeine“ (05.01.2023)
Meanwhile, the discovery and rediscovery of Reimann continues. Franziska Linkerhand was recently adapted for the stage. In October Reimann’s unpublished debut novel, Die Denunziantin (The Denunciator), which she started writing at 19 and which was so thoroughly censored that Reimann had given up on it, was published for the first time, having been discovered in the Reimann archive in Neubrandenburg by the editor and Reimann specialist Kristina Stella.
Kate Connolly in „The Guardian“ (04.01.23)
[...] „Die Denunziantin“ liegt nun als Aufsehen erregende Publikation vor [...] der Roman [ist] ohne Übertreibung eine Sensation, vor allem für das wenig ausgeprägte oder kaum vorhandene Verständnis der Nachkriegsverhältnisse in der Stalinzeit und für die frühe Zeit der DDR. Als Sensation taugt er heute noch.
Rüdiger Bernhardt in „Unsere Zeit“ (6. Januar 2023]
[Zum Roman:] Es ist eine der Stärken des Romans, dass Brigitte Reimann am geschilderten Konflikt ein Thema bearbeitet, das sich in diesem nicht erschöpft. Vielmehr diskutiert der Roman, wie eine antifaschistische Position einer im „Dritten Reich“ aufgewachsenen Jugend vermittelt werden kann, [...].
[Zum Anhang:] Auch wenn der detaillierte Vergleich einzelner Szenen eher Material für Spezialforschungen bietet, so stellt die Rekonstruktion der wechselvollen Entstehungs- und Editionsgeschichte eine durchaus für sich stehende Studie dar über die Arbeitsweise Brigitte Reimanns, die literarischen Normen der 1950er Jahre und die Strategien der Verlage - durch das Nachwort wird das Ungewöhnliche des Romans in seiner Zeit umso deutlicher.
Jan Kostka in „Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat“ (Ausgabe Nr. 50/2023)
[…] Der Roman ist heute gerade für junge Leserinnen und Leser ein zeithistorisches Dokument. Die junge Autorin beginnt mit dem Schreiben nach ihrem Abitur im Alter von 19 Jahren. Dem Rat Anna Seghers folgend, schreibt sie über den damaligen Schulalltag und die widersprüchlichen Auffassungen ihrer Mitschüler und der Lehrer zu den Verhältnissen in der gerade erst gegründeten DDR, zum Umgang der verschiedenen Generationen mit der NS-Vergangenheit und schließlich mit der Auswirkung der Teilung Deutschlands auf Schüler und Lehrer. In ganz unterschiedlichen Situationen bekennt sie sich eindeutig zum Aufbau der sozialistischen Gesellschaft in der DDR. […] „Die Denunziantin“ ist der interessierten Leserschaft an zeithistorischen Jugendromanen unbedingt sehr zu empfehlen.
„schl; Landesstelle: 22 Sachsen“ bei „Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien der GEW (AJuM)“ (13.06.2023)
Zur vollständigen Rezension: https://www.ajum.de/rezension/die-denunziantin
10.11.2022
Buchpremiere
Kronberger Bücherstube
Kronberg im Taunus, Friedrich-Ebert-Straße 5
Beginn: 19.30 Uhr
Eintritt: 10 Euro
Es lesen: Kristina Stella & Klaus Lepsky
https://kronberger.buchhandlung.de/shop/magazine/153190/unsere_veranstaltungen.html
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01.12.2022
Buchpräsentation | Kristina Stella (Hrsg.): „Die Denunziantin“ von Brigitte Reiman
Literaturhaus Magdeburg
Thiemstraße 7 / 39108 Magdeburg
Beginn: 19.00 Uhr
https://literaturhaus-magdeburg.de/veranstaltung/buchpraesentation-kristina-stella-hrsg-die-denunziantin-von-brigitte-reimann/
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20.02.2023
50. Todestag von Brigitte Reimann
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Johannes Scherr ist der wohl prominenteste vergessene Publizist und Schriftsteller des Vormärz. Angesichts der sehr übersichtlichen Publikations- und Forschungslage ist er immer noch zu entdecken. Die hier vorliegende Edition stellt seine Parodie – seine Burleske, seine Farce, seine Groteske – Kaiser So und So und Prinzeß Gloria. Ein chinesisches Schattenspiel vor, die erstmals 1845 erschien (und nochmals 1846 in leicht überarbeiteter Form). Sie soll und kann nicht als subtiles literarisches Kunstwerk angesehen werden, sondern als Zeitdokument, als Teil einer literarischen Schmäh- und Spaßkultur in politischer Absicht, als Experimentalversuch neuer operativer Kunst.
Johannes Scherr
Kaiser So und So und Prinzeß Gloria
Ein chinesisches Schattenspiel
Vormärz-Archiv Band 7
Herausgegeben von Olaf Briese
2019 [als Print-Ausgabe: 2019: ISBN 978-3-8498-1373-4]
ISBN 978-3-8498-1434-2
68 Seiten
E-Book (PDF-Datei), 1,8 MB
Olaf Briese, Privat-Dozent am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kultur, Philosophie und Literatur des Vormärz.
Leseprobe: lp-9783849813734.pdf
Die zuerst 1845, im darauffolgenden Jahr in leicht überarbeiteter Fassung im Verlag der Steinerʼschen Buchhandlung in Winterthur erschienene Groteske kann »als Zeitdokument, als Teil einer literarischen Schmäh- und Spaßkultur in politischer Absicht« angesehen werden, »als Experimentalversuch neuer operativer Kunst« (7). [...]
Bruno Jahn in „Germanistik“ (2020, 3-4)
Vormärz-Archiv Band 7
Seit über zehn Jahren betreibt Norbert W. Schlinkert sein Blog »Nachrichten aus den Prenzlauer Bergen!«. Schonungslose Einblicke in den Schreiballtag zeichnen sein Journal aus: sowohl das Hadern mit seit Jahren in Arbeit befindlichen Romanen als auch Reflexionen zu einer Tätigkeit, die nur sporadisch mit Anerkennung honoriert wird. Kritische Urteile über den Literaturbetrieb bleiben nicht aus.
Ein Dilemma, das Schlinkert in seinen beiläufigen Beobachtungen zudem spöttisch verfolgt, ist die vollständige Gentrifizierung seines Bezirks. Die ökonomischen Verwerfungen und sozialen Frakturen zeigen sich auf dem Bürgersteig. Der Schriftsteller seziert diese Entwicklung in dichter Prosa; sie bildet das Gegenstück zu seinen poetologischen Überlegungen, den Nöten, Lüsten und Freiheiten als »Schriftler«.
Norbert W. Schlinkert
Die Hoffnung stirbt immer am schönsten
Arbeitsjournal
Herausgegeben von Arnold Maxwill
Nyland Dokumente 24
Literarische Blogs Band 1
2022
ISBN 978-3-8498-1842-5
279 Seiten
E-Book (PDF-Datei), 5,2 MB
Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis findet sich in der Leseprobe: lp-9783849818418.pdf
Norbert W. Schlinkert, 1964 in Schwerte geboren, lebt in Berlin. Zuletzt erschienen die Arabeske »Kein Mensch scheint ertrunken« und der erzählende Essay »Tauge/Nichts« in der edition taberna kritika. Er ist Mitgründer des PEN Berlin.
Leseprobe: lp-9783849818418.pdf
Hier meldet sich ein Unangepasster aus seiner Prenzlauer Schreibstube zu Wort, der noch was zu sagen hat, mutig und nonchalant.
Volker Jakob in „Westfalenspiegel“ (1 / 2023)
Nyland Dokumente 24
Literarische Blogs Band 1
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Die 1920er Jahre haben Konjunktur: im Film, in Streaming-Serien und in Kriminalromanen. Doch warum sich mit Adaptionen zufriedengeben, wenn man zu einem Original greifen kann? Wilhelm Speyers Roman „Charlott etwas verrückt“, der Erfolgsroman des Jahres 1927, der schon im Winter 1927/28 in Nizza und im Berliner Phoebus-Film-Atelier verfilmt wurde, enthält viele wesentliche Ingredienzien der „Goldenen Zwanziger“: eine unkonventionelle, selbstbestimmte junge Frau, die im 120 PS-Automobil in schwindelerregendem Tempo über die Berliner AVUS saust, die sich von ihrem vermögenden Mann scheiden lässt, nur um dem Verdacht zu trotzen, sie habe ihn des Geldes wegen geheiratet, die in bizarre Liebeshändel und abenteuerliche Erbschaftsgeschichten verstrickt wird, die sie bis nach Paris und Russland führen, und die am Ende zu den Klängen von drei Jazzbands eine zweite Hochzeit feiert: witzig und originell, überschäumend und mitreißend. „Ein Buch wie Champagner!“, wie es 1927 völlig zu Recht auf dem Umschlag der Erstveröffentlichung des Ullstein-Verlags hieß.
Wilhelm Speyer
Charlott etwas verrückt
Mit einem Nachwort von Walter Fähnders und Helga Karrenbrock
2022
ISBN 978-3-8498-1845-6
268 Seiten
E-Book (PDF-Datei), 6,2 MB
Wilhelm Speyer (1887-1952) war bis zur seiner Emigration 1933 ein sehr bekannter und vielgelesener Roman- und Jugendbuchautor. Er emigrierte zunächst nach Frankreich, 1940 in die U.S.A., wo er u.a. als Drehbuchautor für MGM arbeitete. 1947 erschien sein großer Exilroman „Das Glück der Andernachs“.
Leseprobe: lp-9783849818456.pdf
Aus der zeitgenössischen Kritik:
„Dieses Buch Wilhelm Speyers, im 120-Kilometer-Tempo startend, und in keinem geringeren durchs Ziel gehend, ist ein gelungenes und frisches Dokument unserer Zeit. ... ein amüsanter und nie ermüdender Rhythmus ..., dem wir uns, aufs beste unterhalten, bis zum Schluß willig überlassen.“
„Vossische Zeitung“, 5.6.1927
„Charlott fährt nicht unter neunzig – bei neunzig fängt sie erst an, lustig zu werden, schwatzt am Volant bunte Geschichten und träumt von dem, was sie nachher essen wird, „Hummer mit Ananasscheibchen“. ... Charlott etwas verrückt ist das Märchen und die Harlekinade unserer Zeit. Es gibt Wunder und herzerfrischende Ohrfeigen, es gibt neueste Technik und uralte Liebe – es gibt Suchen, Sehnen, eine Hochzeit mit drei Jazzbands, an der alle teilnehmen ...“
„Das Tagebuch“, 1927
„Amüsant und amoralisch wie die Welt, die wir nicht lieben, aber in der wir eben leben müssen. Charlott etwas verrückt. Und ihre Zeit auch.“
„Bücherwarte. Zeitschrift für sozialistische Buchkritik“, 1927
Stimmen zu unserer ersten Neuedition 2008:
[Der Roman] ist erstaunlich frisch geblieben. Fast mehr noch als seine Frische macht seine gelinde Fremdgewordenheit den Reiz des Wiederlesens aus. Ein bisschen wie Irmgard Keuns „Das kunstseidene Mädchen“, mehr aber noch wie Vicki Baums „Menschen im Hotel“ – nur überdrehter als alle zusammen kommt das Buch daher, das gleich damit beginnt, wie Charlott im Cabrio ziemlich verrückt über die Avus rast. Mit damals kaum vorstellbaren 130 Sachen! ... „Turbulent“ ist das Mindeste, was man [zur Handlung des Romans] sagen kann.
Erhard Schütz in der Rubrik „Wiedergelesen“ aus „Das Magazin“ (03/2008)
Was „Charlott“ so bemerkenswert und liebenswert macht? Die Leichtigkeit, Frische und Heiterkeit, die Speyer nicht nur seiner kleinen, gut 200 Seiten umfassenden Erzählung gegeben hat, sondern auch seinen Figuren, seiner Szenerie, seinem Berlin und seinem Paris. Das bohemistische Berlin der 1920er-Jahre ist selten so genau und ironisch geschildert wie in Speyers „Charlott“…
Walter Delabar in „literaturkritik.de“ (Januar 2008)
Erst jetzt (28.10.2022) ist uns eine Buchvorstellung unserer ersten Neuveröffentlichung von „Charlott etwas verrückt“ aus dem Jahr 2008 zur Kenntnis gekommen, die natürlich auch noch für die aktuelle Edition interessant und sehenswert ist: https://www.youtube.com/watch?v=yIkVgeWe7Q8
Vor schier unendlich vielen Jahren, nämlich 2008, hat der Literaturprofessor diesen Roman von 1927 wiedergelesen und befunden, dass er aufs Schönste das verkörpert, was in ihm „demokratischer Großstadtfrohsinn“ genannt wurde. Turbulent, heiter, voller Witz und wunderbaren Wendungen. Nun ist diese filmreife Jagd durch die mondänen Zwanzigerjahre wieder zu haben. Zugreifen!
Erhart Schütz in „Das Magazin“ (12/22)
[...] Charlott ist ein ungemein vitaler, heiterer und eben auch emanzipativer Roman. [...] Der Bielefelder Aisthesis Verlag hat die Charlott eben in einer Neuauflage, dieses Mal in einem schmökerfreundlichen Format, herausgegeben. Das Buch liegt also leicht in der Hand, lädt zur Lektüre unterm Sonnenschirm oder beim Nachtlicht ein, und bietet doch allerhand Bedenkenswertes und Bedenkliches über die gar nicht so leichtlebigen zwanziger Jahre.
Walter Delabar in „literaturkritik.de“ (Dezember 2022)
Zur vollständigen Rezension: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=29330
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Vor einigen Jahren wurden die Briefe, die der Düsseldorfer Maler Theodor Mintrop (1814-1870) nach Bielefeld, Detmold und Valparaiso in Chile an Anna Rose (1839-1886) schrieb, von Dr. Margaret Rose, einer Urgroßnichte von Anna Rose, wiederentdeckt. Diese mit zahlreichen Zeichnungen versehenen Briefe werden hier erstmals als Faksimile abgedruckt, transkribiert und kommentiert. Anna Rose ihrerseits berichtet in einem langen Brief an Theodor Mintrop von ihrer Verlobung mit Dr. med. Theodor Piderit während des großen Norddeutschen Liederfestes in Bielefeld 1860. Mintrop zeichnet dazu ein Album für Anna, auf dem der zweite Teil seines postum erschienenen Werkes König Heinzelmann's Liebe (1875) basiert. Der Brief und die Zeichnungen werden hier veröffentlicht und ergänzt durch Piderits Tagebuch von 1860, Texte und Illustrationen zu den „lebenden Bildern“ anlässlich seiner Hochzeit mit Anna Rose sowie Festordnung und Gesänge des Bielefelder Liederfestes.
Theodor Mintrops Briefe an Anna Rose (1857-1869)
Mit Dokumenten und Bildern aus Bielefeld, Detmold und Düsseldorf
Zum 200. Geburtstag des Malers Theodor Mintrop (1814-1870)
Herausgegeben und kommentiert von Margaret A. Rose
2014 [als Print-Ausgabe: 2014: ISBN 978-3-8498-1028-3]
ISBN 978-3-8498-1614-8
191 Seiten, Großformat, mit zahlreichen farbigen Faksimiles
E-Book (PDF-Datei), 18,5 MB
Margaret A. Rose, geboren 1947 in Melbourne/Australien, lebt heute in Cambridge/England. Nach ihrer Promotion 1973 (Die Parodie: Eine Funktion der biblischen Sprache in Heines Lyrik) hat sie 1979 ihre wichtige Analyse Parody//Meta-Fiction vorgelegt, der weitere Buchveröffentlichungen folgten. Im Aisthesis Verlag sind erschienen: Theodor Mintrop. Das Album für Minna (1855-1857) nebst anderen neuentdeckten Materialien (2003), Parodie, Intertextualität, Interbildlichkeit (2006), Flaneurs & Idlers. Louis Huart “Physiologie du flaneur” (1841) & Albert Smith “The Natural History of the Idler upon Town” (1848) (2007), Pictorial Irony, Parody, and Pastiche. Comic interpictoriality in the arts of the 19th and 20th centuries (2011).
Leseprobe: lp-9783849810283.pdf
In den Briefen an Anna Rose - entstanden zwischen 1857 und 1860 - geht es um das Alltagsleben, das Mintrop mit Humor und Fantasie vor allem in seinen Zeichnungen einfängt. […] Da wird das Liederfest im Juli 1860 zu Bielefeld zum Ereignis. […] Es entstehen so Briefe und Zeichnungen, die Einblick geben in das bürgerliche Leben dieser Zeit. Briefe, die aus diesem Grund auch heute noch eine Entdeckung wert sind. Briefe, die ihren Reiz aber auch zu einem großen Teil aus den witzigen, hintersinnig-humorvollen Zeichnungen Mintrops beziehen. […] Schön, dass der Verlag dieses Werk zugänglich gemacht hat.
Stefan Brams in „Neue Westfälische“ (24. April 2014)
Das Rumpelstilzchen-Literaturprojekt unterstützt seit 1981 literarisches Schreiben von Kindern und Jugendlichen, bietet ihnen unterschiedliche Foren des Austauschs sowie mannigfaltige Möglichkeiten, mit Lyrik und Prosa an die Öffentlichkeit zu treten. Dieser Band beleuchtet dieses vielseitige Projekt: Exemplarisch veranschaulichen literarische Texte das breite Spektrum der Werke von Beteiligten sowie die Entwicklung ihres Schreibens. Autobiographische Reflexionen, Interviews mit aktuellen und ehemaligen Mitgliedern wie auch wissenschaftliche Betrachtungen gehen der individuellen, pädagogischen und kulturellen Bedeutung des Projekts nach. Durch die Diversität der Perspektiven werden sowohl vielfältige Ideen und Anregungen entfaltet, wie literarische als ästhetische Bildung durch einen kreativen Zugang ganz grundsätzlich begünstigt und ermöglicht werden kann, als auch Schwierigkeiten eines solchen Engagements innerhalb und außerhalb eines schulischen Kontextes kritisch reflektiert.
Ver(w)ortungen
Bildungsprozesse im Rumpelstilzchen-Literaturprojekt
Hrsg. von Melanie Babenhauserheide und Anna Bella Eschengerd
2020 [als Print-Ausgabe: 2020: ISBN 978-3-8498-1531-8]
ISBN 978-3-8498-1532-5
268 Seiten
E-Book (PDF-Datei), 2,4 MB
Melanie Babenhauserheide, 1976 geboren, studierte Diplom-Sozialpädagogik an der FH Bielefeld. Seit 2011 als „Lehrkraft für besondere Aufgaben“ an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld angestellt. Promovierte mit „Harry Potter und die Widersprüche der Kulturindustrie. Eine ideologiekritische Analyse“ (transcript 2018) an der Johann Wolfgang Goethe-Universität zu Frankfurt am Main.
Anna Bella Eschengerd, 1977 geboren, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Sozialwesen der FH Bielefeld und führt einen Lehrauftrag an der Abteilung Kunst und Musik der Universität Bielefeld aus. Themenschwerpunkte dort waren bisher: „Vom Körper zur Zeichnung.“ und „Inszenierung, Performatives und Bewegung.“
Leseprobe: lp-9783849815318.pdf
Heinrich Vogeler (1872-1942) war Maler, Grafiker, Buchkünstler, Kunstgewerbler, Architekt, Pädagoge, Politiker – und nicht zuletzt Schriftsteller, Autor einer Vielzahl von Schriften. Erstmals wird hier eine repräsentative und exemplarische Auswahl seiner zu Lebzeiten veröffentlichten Texte vorgelegt, die die gesamte Breite von Vogelers literarischem Schaffen berücksichtigt: Essays über Kunst und Künstler, politische Broschüren über Revolution und revolutionäre Pädagogik, tagespolitische Interventionen, publizistische Arbeiten, schließlich Reiseberichte aus Russland. Die chronologisch angeordneten Texte folgen dabei den großen Lebensabschnitten des Künstlers. Sie berücksichtigen zunächst die Barkenhoff-Zeit (bis 1923), dann die Zwanziger Jahre, in denen Vogeler in Berlin und anderswo lebte und arbeitete (bis 1931), schließlich sein letztes Lebensjahrzehnt in der Sowjetunion (bis 1942). In einem Schlussteil sind autobiographische Notizen und Zeugnisse zusammengestellt.
Repräsentativ sind die vielfältigen Textgattungen und die unterschiedlichen Publikationsorte. Die Spanne reicht von Programmschrift und Manifest, teilweise erschienen in der avantgardistischen Buchreihe „Die Silbergäule“, bis zu Zeitschriften- und Zeitungsartikeln in der einschlägigen Linkspresse der Rätekommunisten, Syndikalisten und Anarchisten, aber auch der Jugendbewegung. Nicht zufällig stammt das Gros seiner gesamten literarisch-publizistischen Arbeit aus den Anfangsjahren der Republik, als Vogeler unermüdlich für sein Kommune-Projekt auf dem Worpsweder Barkenhoff arbeitete und eben auch schrieb. Hier verfasste er Grundsatzerklärungen, Kampfschriften sowie tagespolitische Interventionen zu seinem großen Thema, der libertären Utopie vom ‚neuen Menschen‘ – Schriften über Erziehung und Arbeitsschule, Siedlungswesen, Expressionismus und Kunst.
Seit Vogelers erster Russlandreise 1923/24 und seiner Hinwendung zum Parteikommunismus bestimmten die Auseinandersetzung mit dem sowjetischen System und Berichte über seine ausgedehnten Reisen in Russland seine schriftstellerische Arbeit. Nach 1933 konnte Vogeler nur noch in der deutschsprachigen Exilpresse in Moskau publizieren, so in den Zeitschriften „Das Wort“ und in der „Internationen Literatur“. Hier erschienen weitere Reiseberichte, z.T. mit den originalen Illustrationen des Künstlers, sowie wichtige kunsthistorische Arbeiten, so über Paula Modersohn-Becker und über den Expressionismus, über den im Exil kontrovers debattiert wurde.
Nicht wenige diese Texte werden hier erstmals seit ihrem Erscheinen wieder nachgedruckt. Der Band erscheint zum Vogeler-Gedenkjahr 2022, dem 150. Geburtstag und 80. Todestag des Künstlers.
Heinrich Vogeler
Schriften
Ausgewählt und herausgegeben von Walter Fähnders und Helga Karrenbrock
2022
ISBN 978-3-8498-1780-0
289 Seiten, Abb.
E-Book (PDF-Datei), 3,8 MB
Walter Fähnders, Dr. phil. habil., apl. Prof. für Neuere Germanistik an der Universität Osnabrück. Arbeitsschwerpunkte: Literatur und Kultur sozialer Bewegungen, Avantgarde und Moderne. Neuere Publikationen (Auswahl): „Projekt Avantgarde“ (2019); „Avantgarde und Moderne 1890-1933“ (2. Aufl. 2010); Hrsg. bzw. Mit-Hrsg. von: „Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde 1909-1938“ (1995/2005); „Die Epoche der Vagabunden. Texte und Bilder 1900-1945“ (2009); „Metzler Lexikon Avantgarde“ (2009); »Dazwischen. Reisen – Metropolen – Avantgarden« (2009); Edition von Ruth Landshoff-Yorcks Feuilletons: „Das Mädchen mit wenig PS“ (2015); Emil Szittya: „Herr Außerhalb illustriert die Welt“ (2014); Annemarie Schwarzenbach: „Orientreisen“ (2010/2017). Bei Aisthesis gibt er die Reihe „Moderne-Studien“ mit heraus. 2004 wurde ihm die Festschrift „Unruhe und Engagement“ gewidmet
Helga Karrenbrock, Dr. phil., Literaturwissenschaftlerin an der Universität Duisburg-Essen (bis 2010). 2005 wurde ihr die Festschrift »›Laboratorium Vielseitigkeit‹. Zur Literatur der Weimarer Republik« gewidmet. Arbeitsschwerpunkte: Literatur der Weimarer Republik (Arbeiten über Walter Benjamin, Franz Jung, Hermann Kesten, Erhart Kästner, Erich Kästner, Asja Lacis, Annemarie Schwarzenbach, Kurt Schwitters u.a.), sowie Kinder- und Jugendliteratur. Monographie »Märchenkinder – Zeitgenossen. Untersuchungen zur Kinderliteratur in der Weimarer Republik« (1995, 2. Aufl. 2002). Bei Aisthesis ist sie Mitherausgeberin der Sammelbände »Autorinnen der Weimarer Republik« (2003), der Neuausgabe von Wilhelm Speyers Roman »Charlott etwas verrückt« (2008) und seiner Nachlasstexte »Das faule Mädchen« (2014) sowie der Aufsatzsammlung »Wilhelm Speyer (1887-1952). Zehn Werkanalysen« (2009).
Leseprobe: lp-9783849817794.pdf
Jubiläen haben ihr Gutes: Zum 150. Geburtstag von Heinrich Vogeler (1872–1942) erscheint erstmals eine repräsentative Sammlung mit Texten aus den verschiedenen Lebensphasen des Künstlers, die dessen ungewöhnlichen Lebensweg besser verstehen lässt. [...] Offenbar verstehen die Herausgeber die Edition ausdrücklich als archivalische Quelle, und als solche ist sie auch wertvoll: Sie versammelt verstreute und teilweise schwer zugängliche Texte Vogelers und sichert der Nachwelt zahlreiche interessante biografische Details. Wer sich für Vogelers Leben interessiert, für den ist das Buch eine reichhaltige Fundgrube. [...]
Martin Schönemann in „literaturkritik.de“ (Mai 2022)
[...] Mit dieser wichtigen und verdienstvollen Publikation liegt erstmals eine exemplarische und repräsentative Sammlung von Heinrich Vogelers zu Lebzeiten veröffentlichten Texten vor. Sie ermöglichen eine fundierte Auseinandersetzung mit Vogelers Denken über Politik, Pädagogik und Kunst; sie zeigen zudem, wie vernetzt er vor allem in der Barkenhoffzeit mit den vielen sozialrevolutionären Gruppen jener Jahre war. Die Beschäftigung mit Vogeler ist auch heute noch mehr als lohnend, nicht nur aus ästhetischer Hinsicht. [...]
Bernd Hüttner in „contraste. zeitung für selbstorganisation“ (Juni 2022)
Nun kann man, zusammengestellt von einem Avantgarde-Forscher und einer Spezialistin für die Weimarer Republik, seine Schriften von 1899 bis 1941 in einer repräsentativen Auswahl lesen. Man könnte vieles davon rubrizieren unter paraintellektueller Malerverstiegenheit oder Ringen mit den Dämonen der Moderne. Ob er 1919 flammend für die Räte plädierte, für Freiheit der Liebe, „das Weib“ als „lichtvolle Siegerin“ gegen die „zusammenbrechende Welt der habgierigen Profitwirtschaft“ sah, ob ihm die Sowjetunion zum himmlischen Jerusalem auf Erden wurde, ob er seinen Weg zum Sozialistischen Realismus rechtfertigte oder Grünewald und Dürer 1941 im Rundfunk gegen die „faschistischen Ketten“ beschwor – es war eine flammende, geradezu erotische Gutherzigkeit, die seinen Tod umso tragischer macht.
Erhard Schütz in „freitag“ (Juni 2022)
[...] Mit dieser wichtigen und verdienstvollen Publikation liegt erstmals eine exemplarische und repräsentative Sammlung von Heinrich Vogelers zu Lebzeiten veröffentlichten Texten vor. Sie ermöglichen eine fundierte Auseinandersetzung mit Vogelers Denken über Politik, Pädagogik und Kunst; sie zeigen zudem wie vernetzt vor allem in der Barkenhoffzeit er mit den vielen sozialrevolutionären Gruppen jener Jahre ist. [...]
Bernd Hüttner in „rosalux.de/news“ (Rosa Luxemburg Stiftung 2022)
Zur vollständigen Rezension: https://www.rosalux.de/news/id/46456/heinrich-vogeler-schriften-bielefeld-2022
[...] Heinrich Vogeler (1872-1942) ist heute nur noch als Maler bekannt. [...] Vogeler experimentierte [aber] nicht nur mit Farben, sondern auch mit alternativen Lebensformen. [Er] machte seinen Worpsweder „Barkenhoff“ zu einem Treffpunkt für Lebensreformer. [...] Nachdem er mit der anarcho-sozialistischen Kommune gescheitert war, glaubte Vogeler im bolschewistischen Russland die Erfüllung seiner Träume finden zu können. [...] Der Aisthesis Verlag hat einen Großteil seiner Schriften nun in einer optisch ansprechenden Edition herausgegeben. Nicht nur im Kältestrom frierende Linke sollten sie lesen.
Johann Thun in „Der Rabe Ralf. Die Berliner Umweltzeitung“ (August/September)
Die Politisierung der Kunst im frühen 20. Jahrhundert hat Künstler nicht zuletzt zu Autoren gemacht, und der als Jugendstilkünstler berühmt gewordene Heinrich Vogeler (1872–1942) folgt diesem Muster auf – sagen wir – aufregende Weise. Nicht ohne – man erinnert die berühmte Lenin-Sentenz – eben auch konkret zu werden: Vogeler machte nach Krieg und Revolution seinen in Worpswede gelegenen Wohnsitz Barkenhoff zu einem der Zentren eben nicht nur der künstlerischen, sondern auch der politischen Avantgarde. Schon seine künstlerischen Neuorientierungen, in denen er die weite Strecke über den Jugendstil, den Expressionismus, die abstrakte Kunst und Agitprop bis hin zum Sozialistischen Realismus abschritt (Kasimir Malewitsch lässt grüßen), machen Vogeler interessant genug. Aber erst dieses revolutionär inspirierte Experiment einer neuen Gesellschaft mit neuen Menschen lässt ihn als einen der erstaunlichsten Repräsentanten der (nicht nur politischen) Kunst im 20. Jahrhundert erscheinen. […] Karrenbrock und Fähnders sehen mithin in diesen Schriften vorrangig nicht den Schriftsteller Vogeler repräsentiert, der auch Maler war, sondern den politisierten Künstler, der für seine Überzeugung einstehen wollte, und eben für das Projekt zu werben hatte, mit dem er seine politischen Überzeugungen in den frühen zwanziger Jahren am stärksten verband.
Walter Delabar in „literaturkritik.de“ (Juni 2023)
Zur vollständigen Rezension: https://literaturkritik.de/vogeler-schriften,29745.html
[…] Anlässlich des 150. Geburtstages und 80. Todestages von Heinrich Vogeler im Jahr 2022 haben Walter Fähnders und Helga Karrenbrock im Bielefelder Aisthesis Verlag einen Sammelband herausgegeben, der erstmals eine repräsentative Auswahl der zu Lebzeiten Vogelers veröffentlichten Schriften enthält und dabei das gesamte Spektrum seines literarischen Schaffens berücksichtigt. […] Der Sammelband zeigt die Bandbreite seines literarisch-publizistischen Schaffens, das sich vor allem dem Thema des „Neuen Menschen“ widmete. Unter dem „Neuen Menschen“ verstand der damalige Anarchokommunist Vogeler einen Menschen, der in der Lage ist, jenseits von Kapitalismus und bürgerlicher Gesellschaft neue, freie und gemeinschaftliche Lebensformen zu entwickeln. Die Utopie des Neuen Menschen und des Neuen Lebens thematisierte Vogeler nicht nur in seinen Schriften, Gemälden und Grafiken, sondern versuchte sie auch in der kleinen Gemeinschaft der von ihm nach Ende des Ersten Weltkrieges gegründeten Barkenhoff-Kommune zu verwirklichen. […] [Die Texte Vogelers] sind […] Ausdruck einer markanten Persönlichkeit, deren beeindruckendes literarisches Werk in den Beiträgen des vorliegenden Sammelbandes wiederentdeckt werden kann.
Jochen Schmück in „espero. Libertäre Zeitschrift“ (Neue Folge Nr. 8, Januar 2024)
[…] Anlässlich des 150. Geburtstages und 80. Todestages von Heinrich Vogeler im Jahr 2022 haben Walter Fähnders und Helga Karrenbrock im Bielefelder Aisthesis Verlag einen Sammelband herausgegeben, der erstmals eine repräsentative Auswahl der zu Lebzeiten Vogelers veröffentlichten Schriften enthält und dabei das gesamte Spektrum seines literarischen Schaffens berücksichtigt. […] Der Sammelband zeigt die Bandbreite seines literarisch-publizistischen Schaffens, das sich vor allem dem Thema des „Neuen Menschen“ widmete. Unter dem „Neuen Menschen“ verstand der damalige Anarchokommunist Vogeler einen Menschen, der in der Lage ist, jenseits von Kapitalismus und bürgerlicher Gesellschaft neue, freie und gemeinschaftliche Lebensformen zu entwickeln. Die Utopie des Neuen Menschen und des Neuen Lebens thematisierte Vogeler nicht nur in seinen Schriften, Gemälden und Grafiken, sondern versuchte sie auch in der kleinen Gemeinschaft der von ihm nach Ende des Ersten Weltkrieges gegründeten Barkenhoff-Kommune zu verwirklichen. […] [Die Texte Vogelers] sind […] Ausdruck einer markanten Persönlichkeit, deren beeindruckendes literarisches Werk in den Beiträgen des vorliegenden Sammelbandes wiederentdeckt werden kann.
Jochen Schmück in „espero. Libertäre Zeitschrift“ (Neue Folge Nr. 8, Januar 2024)
Zur vollständigen Rezension: https://www.edition-espero.de/index.php/rezensionen/schriften-von-heinrich-vogeler.
[...] Einen chronologischen Überblick über das literarische Werk Vogelers liefert „Schriften“, herausgegeben von den Literaturwissenschaftlern Walter Fähnders und Helga Karrenbrock. [...] „Schriften“ bietet einen Überblick über [sein literarisches] Schaffen, das lange im Schatten von Vogelers Kunst stand. Die chronologische Anordnung der Texte erlaubt zugleich Rückschlüsse auf den Lebensweg und die Entwicklung des Bremer Künstlers.
Simon Wilke in „Weser Kurier“ (5. September 2022) unter dem Titel „Fünf Bücher für Vogeler-Fans“
Dieter Wellershoff hat mit seinem vielgestaltigen (facettenreichen) Werk die deutsche Literatur entscheidend mitgeprägt. In seinen großen Romanen, den Erzählungen, Hörspielen, Drehbüchern und Gedichten war er ein ebenso genauer wie leidenschaftlicher Beobachter seiner Zeit, mit seinen scharfsichtigen Essays öffnete er der Literatur- und Kunsttheorie neue Horizonte. Dieses Buch versammelt autobiographische Texte, Aufsätze, Briefe und Fotos, die großenteils bislang unpubliziert sind und aus dem Nachlass mitgeteilt werden. Entlang der Stationen von Wellershoffs Leben öffnen sich Einblicke in die künstlerische Entwicklung des Autors, der die existentiellen Empfindungen des modernen Menschen, seine Sinnsuche und sein Scheitern, auf unverwechselbare Art dargestellt hat. Ein Lesebuch, das anregt zum Entdecken und Weiterlesen.
Werner Jung (Hg.)
»Verborgene Texte des Lebens«
Dieter Wellershoff - ein Lesebuch
2022
ISBN 978-3-8498-1787-9
350 Seiten, zahlr. Abb.
E-Book (PDF-Datei), 11 MB
Leseprobe: lp-9783849817862.pdf
[...] Ein tieferes Verständnis dieses Schriftstellers verlangt geradezu nach Engführung von fiktionalem Werk und privatem Leben. Deshalb ist der gerade erschienene Band „Verborgene Texte des Lebens“ gar nicht hoch genug zu bewerten. [...] Jetzt [...] können wir aus den vielen verstreuten Hinweisen, die er gab, ein Programm zusammenpuzzeln, das Wellershoff mehr literarische Größe gibt, als sie ihm ohnehin schon zugebilligt wurde. [...]
Andreas Platthaus in „FAZ“ (17.02.2022)
[…] Fast vier Jahre nach seinem Tod [...] erscheint jetzt unter dem Titel „Verborgene Texte des Lebens“ ein „Lesebuch“ mit teils publizierten […], teils aber eben auch unveröffentlichten Arbeiten des Kölner Romanciers, Essayisten und Literaturtheoretikers Dieter Wellershoff. Werner Jung, Germanistik-Professor an der Uni Duisburg/Essen und Ko-Editor der Wellershoff-Werkausgabe bei Kiepenheuer & Witsch, hat den stattlichen, schön aufgemachten und mit vielen Fotodokumenten versehenen Band in mutmaßlich enger Kooperation zumal mit Wellershoffs Tochter Irene herausgegeben. […]
Markus Schwering in „Kölner Stadt-Anzeiger“ (15.02.2022)
[...] Beobachtungen, Erinnerungen und Fragen bietet das Wellershoff-Lesebuch „Verborgene Texte des Lebens“ an, ja drängt sie auf durch die offene Form, die den „Menschen in seinem Widerspruch“ und den Widersprüchen der Zeit zeigt und zum Weiterlesen, Weiterdenken einlädt.
Jochen Vogt in „WAZ“ (26.02.2022)
[...] Als er seinen 65. Geburtstag feierte, so erinnert sich Irene Wellershoff, hatte ihr Vater beschlossen, mit dem Schreiben aufzuhören. Es sei ihm zu anstrengend geworden, er werde jetzt nur noch das tun, was ihm Spaß mache. Nur wenig später habe er von der Arbeit an einem neuen Roman erzählt und, auf seinen „guten“ Vorsatz angesprochen, geantwortet: „Schreiben ist nun mal das einzige, was mir wirklich Spaß macht.“ Wer sich einen Überblick über Wellershoffs ebenso umfangreiches wie vielseitiges Werk verschafft, glaubt das sofort. Und er bezweifelt auch nicht, dass nach seinem Tod im Jahre 2018 beim Aufräumen große Mengen noch unbekannter Briefe, Exposés, Prosa-Miniaturen, Gedichte und sogar vollständige Erzählungen gefunden wurden. „Damit machen wir was“ hatte Irene Wellershoff dem Germanisten Werner Jung, einem Experten für das Werk des Wahlkölners, vorgeschlagen. So entstand das Lesebuch „Verborgene Texte des Lebens“, das jetzt im Aisthesis Verlag erschien und die unterschiedlichsten Textsorten zusammen mit Faksimiles von kurzen Schriften, Fotos aus unterschiedlichen Lebensphasen und Zeichnungen des Autors in chronologischer Reihenfolge präsentiert. [...]
Hans-Willi Hermans in „Kölnische Rundschau“ (31.10.2022)
Buchvorstellung
Literaturhaus Köln e.V.
Großer Griechenmarkt 39, 50676 Köln
Beginn: 19.30 Uhr
Eintritt: 11 / 9 Euro
Irene Wellershoff stellt das Buch vor, Bernt Hahn trägt daraus vor.
https://literaturhaus-koeln.de/programm/dieter-wellershoff-verborgene-texte-des-lebens/03-11-2022/
Leider vergriffen!
Marcel Proust hat der Madeleine ein literarisches Denkmal gesetzt, Günther Grass die »Ahoj«-Brause in der »Blechtrommel« verewigt. Doch wer feiert heute noch den süßen Schmerz, den der Genuss eines Himbeerbonbons verursachte, wer erinnert sich an das Lässigkeitsversprechen des Kaugummis, dem heimlichen Verbündeten der Reeducation, wer gedenkt noch der giftgrünen Verheißung der »Götterspeise«? Mit diesen überaus amüsanten Capriccios, in denen hie und da etwas Wehmut aufscheint, lässt Tilman Allert die Geschmäcker einer Kindheit in den frühen Jahren der Bundesrepublik aufleben: wie ein vorsorglich in der Hosentasche verstautes »Vivil« über die Befangenheit vor dem ersten Kuss hinweghalf, was der verlockend leuchtende Liebesapfel seinem Esser an Geschicklichkeit abverlangte, welcher Zungenakrobatik es bedurfte, um die Hostie vom Gaumen zu lösen und wie ein Kamillendampfbad dem Kranken alle Sinne gleichermaßen vernebelte - einfach unwiderstehlich und höchst amüsant.
Allert ist der Sohn eines muslimischen Arztes aus Aserbaidschan, der mit 21 Jahren nach Deutschland kam. Jener war, so der Autor, ein großer orientalischer Erzähler, dem die Kinder wie gebannt an den Lippen hingen. Nun tritt der Sohn in ebensolche Fußstapfen. Nach etlichen fachwissenschaftlichen Publikationen gewinnt Allerts Hang zum lustvollen Fabulieren zunehmend die Oberhand. Seine feuilletonistischen Ausflüge erscheinen regelmäßig in der FAZ, der Neuen Zürcher Zeitung oder der „WELT“. Eine Sammlung seiner blumigsten Abschweifungen erschien 2015 unter dem Titel „Latte Macchiato“.
In seinem neuen Opus „Der Mund ist aufgegangen. Vom Geschmack der Kindheit“ verfolgt Allert Spuren, die er schon im „Latte Macchiatto“-Buch ausgelegt hatte, weiter. Unter Kapitelüberschriften wie „Süßer Schmerz“, „Verborgene Kräfte“ oder „Not und Pein“ geht es etwa um die vielen „Kleinigkeiten“, denen unauslöschlich der Geschmack einer Nachkriegskindheit anhaftet.
Der „Anhauch“ der Kindheit und Jugend erschließt sich, wie der Leser kopfnickend bestätigt, über nichts so sehr wie über den Mund: Allert: „Er gehört zu den ersten Instanzen, die die Welt der Erscheinungen erschließen. Tastend und schmeckend lässt er sich auf ihre Verführungen ein. Die Liebe zum Draußen, sie entsteht in der Höhle des Mundes: eine Erkundungsstation in Gaumen und Rachen. ... Der Mund eröffnet Duft und Geschmack einen Raum, er erfährt Mut wie Vorsicht, Schönes und irritierend Verwunderliches und das alles in einer Lebensphase, in der das Ich von seinem Vermögen und Verlangen noch gar nichts weiß - bis auf die gefühlte Zuversicht, dass es im Draußen etwas zu entdecken gibt, das wie eine Erweiterung des Drinnen daherkommt.“
Nostalgie at its best, möchte man zusammenfassen. Und ganz ohne jeden klebrigen Beigeschmack. Einfach schön! Eine Prosa also, bei der einem das Wasser im Munde zusammenläuft.
Tilman Allert
Der Mund ist aufgegangen
Gelesen von Nico Holonics und vom Autor
Live! auf dem Kulturgut 18
2018
ISBN 978-3-8498-1301-7
CD
ca. 60 min.
Tilman Allert wurde 1947 in Lübbecke/Westfalen geboren. Er ist emeritierter Professor für Soziologie und Sozialpsychologie der Goethe-Universität Frankfurt. Er bezeichnet sich selbst als „Beobachtungsfanatiker“.
Nico Holonics wurde 1983 in Leipzig geboren. Er ist Mitglied des Berliner Ensembles und zählt zu den großen Hoffnungen des deutschen Theaters und Films. Zahlreiche Engagements an großen Bühnen, Filmrollen und als Hörbuchsprecher. Zudem als Dozent tätig.
Live! auf dem Kulturgut 18
Der „Wartesaal“, Aufenthaltsort für seelisch und geistig Kranke, zeigt deren Hoffnungslosigkeit, Heimatlosigkeit, Angst, Wahnvorstellungen. Die Insassin, die den Roman als Ich-Erzählerin niederschreibt, eine ältere Jüdin, schildert ihrer imaginierten Tochter den Alltag in der Anstalt und verschiedene Patientinnen, nicht selten karikierend, grotesk, mit absurden Details. Schließlich erzählt sie ihre eigene Lebensgeschichte, den Grund ihrer Traumatisierungen: den Konflikt mit der jüdischen Mutter, die Anpassung an das nationalsozialistische Regime, den Verrat an den Eltern, ihren Gang durch die Todeslager. Die gesamte Niederschrift ist geprägt von Angstvisionen, Verfolgungswahn, Schuldgefühlen. Die davon bestimmte Sicht der Umwelt, die Auflösung der Kategorien von Raum, Zeit und Kausalität, greift über in die Sprache und Struktur des Erzählens.
Der Roman stellt einen der ersten Versuche dar, über das in Deutschland wie in Israel bis dahin weitgehend verdrängte Thema der seelischen Verwüstungen zu schreiben, die das Leben zahlreicher Exilanten und Überlebender der Shoah prägten.
Jenny Aloni
Der Wartesaal
Roman
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Hartmut Steinecke
Bücher der Nyland Stiftung, Köln
Nyland Literatur Bd. 11
2015
ISBN 978-3-8498-1107-5
148 Seiten
kartoniert
Jenny Aloni (1917-93), geborene Rosenbaum, lebte bis 1935 in Paderborn. Danach arbeitete sie in jüdischen Organisationen, vor allem in Berlin. 1939 gelang ihr die Auswanderung nach Palästina. Bereits in Deutschland hatte sie zu schreiben begonnen. 1956 erschien ein erster Band „Gedichte“. In den sechziger Jahren folgten zahlreiche Erzählungen und drei Romane („Zypressen zerbrechen nicht“, 1961; „Der blühende Busch“, 1964; „Der Wartesaal“, 1969). Diese schilderten weitgehend den Alltag in ihrer neuen Heimat, deren Gegenwart und Geschichte. Damit galt Jenny Aloni als wichtigste deutschsprachige Schriftstellerin ihrer Generation in Israel. 1990-1997 erschienen ihre „Gesammelten Werke“ 2004 ihre Tagebücher 1935-93“.
Leseprobe: 9783849811075.pdf