Ein Schiffbruch vor der Insel einer Zauberin, die Begegnung mit einem Geisterschiff oder ein Flug auf dem Mantel des Teufels, eine Kajaktour durch Hitler-Deutschland, der Besuch auf einem Kriegsschauplatz oder die Performance auf einem Schneefeld vor Moskau: Ob fiktiv oder real, Reisen faszinieren nicht so sehr als Transit, als bloße Fortbewegung von A nach B, sondern als Kuriosum, als Überraschung, als Exzentrizität. Nicht das Geradlinige interessiert, sondern Verirrungen, Verwirrungen: Umwege.
Der Gegenstand gewinnt in den Geisteswissenschaften zusehends an Bedeutung. Lange Zeit aber wurde das Reisen romantisiert – als erfreuliche Begegnung mit dem Fremden; oder kritisiert – als ethnozentrisches Projekt. In beiden Fällen werden eine Geschlossenheit und ein Gelingen unterstellt, die weder in der Erfahrung noch in den Künsten durchweg zu haben wären.
Die Beiträge des vorliegenden Bandes sind verschiedenen Aspekten umwegiger Reisen gewidmet: den Räumen, die sie erfahren; den Bewegungen, die sie ermöglichen; und den Reisenden, die sie erleben. Literaturwissenschaftler, Kunsthistoriker und Schriftsteller, ein Altphilologe und eine Musikwissenschaftlerin erinnern an mythische Heroen des Umwegs wie Odysseus, Sindbad oder Faust und an imaginäre Schauplätze wie Scheria, Cythera oder den Blocksberg im Harz und befassen sich mit einer Reihe exzentrischer Motive: Hadesgang und Himmelfahrt, Totenschiff und Krakenkampf, Polarexpedition und Farmgründung – oder der Flucht aus einer marokkanischen Industriestadt in den Cyberspace.