Die Romantik ist der kulturelle ‚Gedächtnisort‘, den die Prosa der 80er und 90er Jahre schreibend umkreist. Insbesondere in der späten Romantik findet die Gegenwartsliteratur das in Vergessenheit geratene Textwissen über die Brüchigkeit poetischer Imagination und die Konstruktion der Subjektivität im Medium der Sprache. Die Wirkungsmächtigkeit der romantischen Literatur wird nicht nur dadurch deutlich, dass sich weite Teile der Gegenwartsprosa am intertextuellen Dialog beteiligen, sondern auch dadurch, dass die intertextuelle Auseinandersetzung auf fast allen Textebenen stattfindet: Neben Zitat und Anspielung lassen sich in Romanen wie Patrick Süskinds Das Parfum, Botho Strauß’ Der junge Mann oder Irmtraud Morgners Amanda auch genuin romantische Figuren, poetologische Konzepte und Plots wiedererkennen.
Um die intertextuellen Bezüge auf allen Textebenen beschreibbar zu machen, legt die Arbeit ein eigenes Intertextualitätsmodell vor. Im Gegensatz zu anderen Entwürfen stellt es die Wechselseitigkeit des Text-Text-Dialogs in den Mittelpunkt. Denn der Vorgängertext wird im Akt des Wieder-, Wider- und Umschreibens nicht nur aktualisiert – scheinbar gesicherte Bedeutungszuweisungen werden in Frage gestellt und einer neuen Lesart zugänglich gemacht.