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Thomas Mann zählte sich selbst zu den Musikern unter den Dichtern und bezeichnete sein Schreiben als Weben epischer Musik. Die vorliegende Arbeit stellt heraus, wie dieser Transfer von der Musik in die Literatur funktioniert – und bis zu welchem Grade tatsächlich von einem literarischen Musizieren gesprochen werden kann.
Mithilfe eines eigens entwickelten Verfahrens macht der Autor Thomas Manns vielgerühmte Virtuosität der Musikbeschreibung analytisch greifbar. Zugleich stellt er heraus, in wie frappierender Weise die Schilderungen von Musikstücken durch den jeweiligen Kontext des Erzählwerks determiniert sind. In diesem Zusammenhang fordert er, Adornos Bedeutung für die Musikbeschreibungen im Roman Doktor Faustus neu zu beurteilen.
Erstmals empirisch erfasst und visualisiert wird auch, wie Thomas Mann Musik lautmalerisch und klanglich nachahmt. Ausführlich beschäftigt sich der Autor darüber hinaus mit der literarischen Adaption musikalischer Strukturen. Dabei legt er eine Theorie des – musikalischen wie literarischen – Leitmotivs vor, weist die strukturelle Analogie der Erzählung Tristan mit Wagners Oper sowie eine ,dodekaphonisch’ inspirierte Kapitelgliederung des Doktor Faustus nach und schlägt eine Neubewertung dieses Romans als ein in sich geschlossenes, im Sinne von Leverkühns strengem Satz konzipiertes Werk vor.
Die Arbeit versteht sich als ein Beitrag zur intermedialen Forschung im Grenzbereich von Musik und Literatur. Sie stellt Methoden und Analysetechniken bereit, die für die Untersuchung aller der Musik nahestehender Literatur fruchtbar gemacht werden können.
Johannes Odendahl
Literarisches Musizieren
Wege des Transfers von Musik in die Literatur bei Thomas Mann
2008
ISBN 978-3-89528-681-0
273 Seiten
kartoniert
Johannes Odendahl, 1968 in Kerken am Niederrhein geboren, studierte in Essen die Fächer Deutsch und Musik für das Lehramt sowie in Dortmund Instrumentalpädagogik mit dem Hauptfach Klavier. Zur Zeit unterrichtet er an einem Solinger Gymnasium und an der Universität Duisburg-Essen. Er ist als regelmäßig konzertierender Musiker aktiv.
Odendahls Arbeit, die um die bisherige Forschung zu Thomas Mann Bescheid weiß und zugleich gut lesbar und anregend geschrieben ist, erhebt den Anspruch, eine Gesamtsicht von Manns sprachlichen und literarischen Bezugnahmen auf Musik zu geben, die er geschickt an Hand exemplarischer Interpretationen ausgewählter Texte (Buddenbrooks, Tristan, Dr. Faustus, Tonio Kröger) zu veranschaulichen weiß. Es gelingt ihm, insbesondere die „klanglichen Qualitäten“ von Manns Prosa akribisch darzustellen, wobei er auch entsprechende Vokal- und Konsonanten-Graphiken bemüht.
Pia Janke in „Musikzeit“ 8-9/2009
[...] Odendahl's publication should be of interest to anyone working in the field of music-literary research. It offers important suggestions which can be appropriatly applied to other works of literature within this field.
Isabel Wagner in „Monatshefte“ (No. 2, 2010)
Hinter dem etwas sperrigen Titel verbirgt sich eine facettenreiche Untersuchung zu Thomas Manns häufig selbst proklamierten Anspruch auf literarisches musizieren. Mit der unvermeidlichen ironischen Eingangsfrage „Noch eine Arbeit über Thomas Mann und die Musik?“ beginnt der Autor seine Studie und legt auf nicht ganz dreihundert Seiten eine gut gegliederte und beispielsreiche Analyse des Gegenstandes vor. Die differenzierten Lektüren ausgewählter Passagen, die die Qualität dieses Bandes ausmachen, reichen von Manns frühem Erzählwerk bis zum magnum opus Doktor Faustus. […] Während andere Arbeiten die Leitmotivik Thomas Manns vor allem auf Richard Wagner zurückführen, identifiziert Odendahl überzeugend auch die realistische Erzähltradition des 19. Jahrhunderts, Tolstoi und Homer als literarische Paten. […] Indem Odendahl Manns intermediale Transpositionen musikalischer Techniken in sprachliche einer genauen Untersuchung unterzieht, nimmt er zwar Thomas Manns eigenen Anspruch ernst, Musiker unter den Dichtern zu sein. Allerdings zeigt seine gut geschriebene und lesenswerte Studie ebenfalls, wie problematisch die Gleichsetzung von Musik und Sprache ist, da Musik in Sprache immer symbolischer Natur ist und stets Verweischarakter besitzt.
Andrea Dortmann in „German Quarterly Book Reviews“ (Summer 2011)
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