1 Ergebnis |
vergriffen
In dieser Studie wird die Position von Intellektuellen deutscher Sprache und jüdischer Herkunft religionspolitisch eingeordnet. Indem gezeigt wird, wie in ihrem Denken und Schreiben religiöse und theologische Begriffe – z.B. „Gottes Reich“, „Theokratie“ „Apokalypse“ oder „Messias“ – kulturpolitisch umfunktioniert werden, lassen sich die besonderen Rollen von Walter Benjamin und Gershom Scholem – als Außenseiter schlechthin bekannt – aus ihrem religionspolitischen und historischen Kontext her neu begründen. Paradigmatisch dafür wird das Phänomen des „theokratischen Anarchismus“ diskutiert, der – so Benjamin und Scholem 1919 – für sie „die sinnvollste Antwort auf die Politik“ darstelle. Aus diesem Zusammenhang heraus lässt sich eine politische Theologie des Deutsch-Judentums (hier auch am Beispiel von Ernst Bloch, György Lukács, Martin Buber, Gustav Landauer, Kurt Hiller u.a.) als eine besondere Beziehung zwischen Macht und Transzendenz, zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft neu denken.
Gabriele Guerra
Judentum zwischen Anarchie und Theokratie
Eine religionspolitische Diskussion am Beispiel der Begegnung zwischen Walter Benjamin und Gershom Scholem
2007
ISBN 978-3-89528-589-9
251 Seiten
kartoniert
Gabriele Guerra hat in Rom und Berlin Germanistik, Philosophie und Judaistik studiert und wurde an der FU Berlin im Fachbereich Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft promoviert. Zur Zeit lehrt er an der „Università della Sapienza“ in Rom als Dozent für deutsche Literaturgeschichte.
[...] Bezug nehmend auf die Studie Michael Löwys, „Erlösung und Utopie. Jüdischer Messianismus und libertäres Denken. Eine Wahlverwandtschaft“ (1988, dt. 1997), wonach für jüdische Intellektuelle vor 1933 ein enger Zusammenhang von Anarchismus und jüdischer hermeneutischer Tradition festzustellen ist, zählt Guerra Benjamin und Scholem zu den, wenn auch minoritären, Vorreitern einer Geistesgeschichte am Anfang des 20. Jahrhunderts – einer politisch-theologischen Epoche, in der deren Denkmodelle radikal aufblitzten. Zu Recht lenkt der Autor die Aufmerksamkeit auf den von beiden favorisierten Begriff des „theokratischen Anarchismus“. Unter „Anarchotheokratie“ versteht er den Versuch, nachzuspüren, wie Gottesmacht und eine libertäre, weltliche Gemeinschaft zusammengedacht werden können: „Religionspolitisch bedeutete es die Möglichkeit, eine Regierung Gottes denken zu können, ohne sie zu institutionalisieren. Philosophisch führen die Begriffe zu einer Autonomisierung des Ursprungsdenkens, das Macht ablehnt, um eine neue Transzendenz zu gewinnen.“ (S. 26f.) Die Außenseiterposition Scholems und Benjamins, als Deutsch-Juden in einer assimilierten Familie und als Juden neuen Bewusstseins, erfährt durch den Begriff des theokratischen Anarchismus legitimatorische Weihen.
Siegbert Wolf in „Marburger Forum“ (Heft 2/2007)
(Vollständig: http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2007-2/Wol_gab)
[...] Dem vorliegenden Buch gelingt es, die Komplexität der theo-politischen These zu zeigen, indem es die historischen Bedingungen und die soziokulturelle Situation der jüdischen Denker in Deutschland deutet und ihre politischen Projekte wesentlich als einen kritischen Dialog mit dem Begriff der Kultur analysiert. [...] In allen Fällen bleibt [...] das Buch sehr lehrreich. Es ist sehr gut geschrieben und bietet in jedem Kapitel spannende Lektüren. [...] Es bereichert den Diskurs über den deutsch-jüdischen Modernismus und zeigt eine klare Perspektive über ein Denken, das schon damals zeitlos in der Zeit war.
Galili Shahar in „Weimarer Beiträge“ (54/2008/3)
1 Ergebnis |