Artikel-Nr.: 978-3-8498-1780-0
Heinrich Vogeler (1872-1942) war Maler, Grafiker, Buchkünstler, Kunstgewerbler, Architekt, Pädagoge, Politiker – und nicht zuletzt Schriftsteller, Autor einer Vielzahl von Schriften. Erstmals wird hier eine repräsentative und exemplarische Auswahl seiner zu Lebzeiten veröffentlichten Texte vorgelegt, die die gesamte Breite von Vogelers literarischem Schaffen berücksichtigt: Essays über Kunst und Künstler, politische Broschüren über Revolution und revolutionäre Pädagogik, tagespolitische Interventionen, publizistische Arbeiten, schliesslich Reiseberichte aus Russland. Die chronologisch angeordneten Texte folgen dabei den grossen Lebensabschnitten des Künstlers. Sie berücksichtigen zunächst die Barkenhoff-Zeit (bis 1923), dann die Zwanziger Jahre, in denen Vogeler in Berlin und anderswo lebte und arbeitete (bis 1931), schliesslich sein letztes Lebensjahrzehnt in der Sowjetunion (bis 1942). In einem Schlussteil sind autobiographische Notizen und Zeugnisse zusammengestellt.
Repräsentativ sind die vielfältigen Textgattungen und die unterschiedlichen Publikationsorte. Die Spanne reicht von Programmschrift und Manifest, teilweise erschienen in der avantgardistischen Buchreihe „Die Silbergäule“, bis zu Zeitschriften- und Zeitungsartikeln in der einschlägigen Linkspresse der Rätekommunisten, Syndikalisten und Anarchisten, aber auch der Jugendbewegung. Nicht zufällig stammt das Gros seiner gesamten literarisch-publizistischen Arbeit aus den Anfangsjahren der Republik, als Vogeler unermüdlich für sein Kommune-Projekt auf dem Worpsweder Barkenhoff arbeitete und eben auch schrieb. Hier verfasste er Grundsatzerklärungen, Kampfschriften sowie tagespolitische Interventionen zu seinem grossen Thema, der libertären Utopie vom ‚neuen Menschen‘ – Schriften über Erziehung und Arbeitsschule, Siedlungswesen, Expressionismus und Kunst.
Seit Vogelers erster Russlandreise 1923/24 und seiner Hinwendung zum Parteikommunismus bestimmten die Auseinandersetzung mit dem sowjetischen System und Berichte über seine ausgedehnten Reisen in Russland seine schriftstellerische Arbeit. Nach 1933 konnte Vogeler nur noch in der deutschsprachigen Exilpresse in Moskau publizieren, so in den Zeitschriften „Das Wort“ und in der „Internationen Literatur“. Hier erschienen weitere Reiseberichte, z.T. mit den originalen Illustrationen des Künstlers, sowie wichtige kunsthistorische Arbeiten, so über Paula Modersohn-Becker und über den Expressionismus, über den im Exil kontrovers debattiert wurde.
Nicht wenige diese Texte werden hier erstmals seit ihrem Erscheinen wieder nachgedruckt. Der Band erscheint zum Vogeler-Gedenkjahr 2022, dem 150. Geburtstag und 80. Todestag des Künstlers.
Daten |
Heinrich Vogeler Schriften Ausgewählt und herausgegeben von Walter Fähnders und Helga Karrenbrock 2022 ISBN 978-3-8498-1780-0 289 Seiten, Abb. E-Book (PDF-Datei), 3,8 MB |
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Inhalt |
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Autoreninfo |
Walter Fähnders, Dr. phil. habil., apl. Prof. für Neuere Germanistik an der Universität Osnabrück. Arbeitsschwerpunkte: Literatur und Kultur sozialer Bewegungen, Avantgarde und Moderne. Neuere Publikationen (Auswahl): „Projekt Avantgarde“ (2019); „Avantgarde und Moderne 1890-1933“ (2. Aufl. 2010); Hrsg. bzw. Mit-Hrsg. von: „Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde 1909-1938“ (1995/2005); „Die Epoche der Vagabunden. Texte und Bilder 1900-1945“ (2009); „Metzler Lexikon Avantgarde“ (2009); »Dazwischen. Reisen – Metropolen – Avantgarden« (2009); Edition von Ruth Landshoff-Yorcks Feuilletons: „Das Mädchen mit wenig PS“ (2015); Emil Szittya: „Herr Ausserhalb illustriert die Welt“ (2014); Annemarie Schwarzenbach: „Orientreisen“ (2010/2017). Bei Aisthesis gibt er die Reihe „Moderne-Studien“ mit heraus. 2004 wurde ihm die Festschrift „Unruhe und Engagement“ gewidmet Helga Karrenbrock, Dr. phil., Literaturwissenschaftlerin an der Universität Duisburg-Essen (bis 2010). 2005 wurde ihr die Festschrift »›Laboratorium Vielseitigkeit‹. Zur Literatur der Weimarer Republik« gewidmet. Arbeitsschwerpunkte: Literatur der Weimarer Republik (Arbeiten über Walter Benjamin, Franz Jung, Hermann Kesten, Erhart Kästner, Erich Kästner, Asja Lacis, Annemarie Schwarzenbach, Kurt Schwitters u.a.), sowie Kinder- und Jugendliteratur. Monographie »Märchenkinder – Zeitgenossen. Untersuchungen zur Kinderliteratur in der Weimarer Republik« (1995, 2. Aufl. 2002). Bei Aisthesis ist sie Mitherausgeberin der Sammelbände »Autorinnen der Weimarer Republik« (2003), der Neuausgabe von Wilhelm Speyers Roman »Charlott etwas verrückt« (2008) und seiner Nachlasstexte »Das faule Mädchen« (2014) sowie der Aufsatzsammlung »Wilhelm Speyer (1887-1952). Zehn Werkanalysen« (2009). |
Lese-/Hörprobe |
Leseprobe: lp-9783849817794.pdf |
Aus der Kritik |
Jubiläen haben ihr Gutes: Zum 150. Geburtstag von Heinrich Vogeler (1872–1942) erscheint erstmals eine repräsentative Sammlung mit Texten aus den verschiedenen Lebensphasen des Künstlers, die dessen ungewöhnlichen Lebensweg besser verstehen lässt. [...] Offenbar verstehen die Herausgeber die Edition ausdrücklich als archivalische Quelle, und als solche ist sie auch wertvoll: Sie versammelt verstreute und teilweise schwer zugängliche Texte Vogelers und sichert der Nachwelt zahlreiche interessante biografische Details. Wer sich für Vogelers Leben interessiert, für den ist das Buch eine reichhaltige Fundgrube. [...] [...] Mit dieser wichtigen und verdienstvollen Publikation liegt erstmals eine exemplarische und repräsentative Sammlung von Heinrich Vogelers zu Lebzeiten veröffentlichten Texten vor. Sie ermöglichen eine fundierte Auseinandersetzung mit Vogelers Denken über Politik, Pädagogik und Kunst; sie zeigen zudem, wie vernetzt er vor allem in der Barkenhoffzeit mit den vielen sozialrevolutionären Gruppen jener Jahre war. Die Beschäftigung mit Vogeler ist auch heute noch mehr als lohnend, nicht nur aus ästhetischer Hinsicht. [...] Nun kann man, zusammengestellt von einem Avantgarde-Forscher und einer Spezialistin für die Weimarer Republik, seine Schriften von 1899 bis 1941 in einer repräsentativen Auswahl lesen. Man könnte vieles davon rubrizieren unter paraintellektueller Malerverstiegenheit oder Ringen mit den Dämonen der Moderne. Ob er 1919 flammend für die Räte plädierte, für Freiheit der Liebe, „das Weib“ als „lichtvolle Siegerin“ gegen die „zusammenbrechende Welt der habgierigen Profitwirtschaft“ sah, ob ihm die Sowjetunion zum himmlischen Jerusalem auf Erden wurde, ob er seinen Weg zum Sozialistischen Realismus rechtfertigte oder Grünewald und Dürer 1941 im Rundfunk gegen die „faschistischen Ketten“ beschwor – es war eine flammende, geradezu erotische Gutherzigkeit, die seinen Tod umso tragischer macht. [...] Mit dieser wichtigen und verdienstvollen Publikation liegt erstmals eine exemplarische und repräsentative Sammlung von Heinrich Vogelers zu Lebzeiten veröffentlichten Texten vor. Sie ermöglichen eine fundierte Auseinandersetzung mit Vogelers Denken über Politik, Pädagogik und Kunst; sie zeigen zudem wie vernetzt vor allem in der Barkenhoffzeit er mit den vielen sozialrevolutionären Gruppen jener Jahre ist. [...] [...] Heinrich Vogeler (1872-1942) ist heute nur noch als Maler bekannt. [...] Vogeler experimentierte [aber] nicht nur mit Farben, sondern auch mit alternativen Lebensformen. [Er] machte seinen Worpsweder „Barkenhoff“ zu einem Treffpunkt für Lebensreformer. [...] Nachdem er mit der anarcho-sozialistischen Kommune gescheitert war, glaubte Vogeler im bolschewistischen Russland die Erfüllung seiner Träume finden zu können. [...] Der Aisthesis Verlag hat einen Grossteil seiner Schriften nun in einer optisch ansprechenden Edition herausgegeben. Nicht nur im Kältestrom frierende Linke sollten sie lesen. Die Politisierung der Kunst im frühen 20. Jahrhundert hat Künstler nicht zuletzt zu Autoren gemacht, und der als Jugendstilkünstler berühmt gewordene Heinrich Vogeler (1872–1942) folgt diesem Muster auf – sagen wir – aufregende Weise. Nicht ohne – man erinnert die berühmte Lenin-Sentenz – eben auch konkret zu werden: Vogeler machte nach Krieg und Revolution seinen in Worpswede gelegenen Wohnsitz Barkenhoff zu einem der Zentren eben nicht nur der künstlerischen, sondern auch der politischen Avantgarde. Schon seine künstlerischen Neuorientierungen, in denen er die weite Strecke über den Jugendstil, den Expressionismus, die abstrakte Kunst und Agitprop bis hin zum Sozialistischen Realismus abschritt (Kasimir Malewitsch lässt grüssen), machen Vogeler interessant genug. Aber erst dieses revolutionär inspirierte Experiment einer neuen Gesellschaft mit neuen Menschen lässt ihn als einen der erstaunlichsten Repräsentanten der (nicht nur politischen) Kunst im 20. Jahrhundert erscheinen. […] Karrenbrock und Fähnders sehen mithin in diesen Schriften vorrangig nicht den Schriftsteller Vogeler repräsentiert, der auch Maler war, sondern den politisierten Künstler, der für seine Überzeugung einstehen wollte, und eben für das Projekt zu werben hatte, mit dem er seine politischen Überzeugungen in den frühen zwanziger Jahren am stärksten verband. […] Anlässlich des 150. Geburtstages und 80. Todestages von Heinrich Vogeler im Jahr 2022 haben Walter Fähnders und Helga Karrenbrock im Bielefelder Aisthesis Verlag einen Sammelband herausgegeben, der erstmals eine repräsentative Auswahl der zu Lebzeiten Vogelers veröffentlichten Schriften enthält und dabei das gesamte Spektrum seines literarischen Schaffens berücksichtigt. […] Der Sammelband zeigt die Bandbreite seines literarisch-publizistischen Schaffens, das sich vor allem dem Thema des „Neuen Menschen“ widmete. Unter dem „Neuen Menschen“ verstand der damalige Anarchokommunist Vogeler einen Menschen, der in der Lage ist, jenseits von Kapitalismus und bürgerlicher Gesellschaft neue, freie und gemeinschaftliche Lebensformen zu entwickeln. Die Utopie des Neuen Menschen und des Neuen Lebens thematisierte Vogeler nicht nur in seinen Schriften, Gemälden und Grafiken, sondern versuchte sie auch in der kleinen Gemeinschaft der von ihm nach Ende des Ersten Weltkrieges gegründeten Barkenhoff-Kommune zu verwirklichen. […] [Die Texte Vogelers] sind […] Ausdruck einer markanten Persönlichkeit, deren beeindruckendes literarisches Werk in den Beiträgen des vorliegenden Sammelbandes wiederentdeckt werden kann. […] Anlässlich des 150. Geburtstages und 80. Todestages von Heinrich Vogeler im Jahr 2022 haben Walter Fähnders und Helga Karrenbrock im Bielefelder Aisthesis Verlag einen Sammelband herausgegeben, der erstmals eine repräsentative Auswahl der zu Lebzeiten Vogelers veröffentlichten Schriften enthält und dabei das gesamte Spektrum seines literarischen Schaffens berücksichtigt. […] Der Sammelband zeigt die Bandbreite seines literarisch-publizistischen Schaffens, das sich vor allem dem Thema des „Neuen Menschen“ widmete. Unter dem „Neuen Menschen“ verstand der damalige Anarchokommunist Vogeler einen Menschen, der in der Lage ist, jenseits von Kapitalismus und bürgerlicher Gesellschaft neue, freie und gemeinschaftliche Lebensformen zu entwickeln. Die Utopie des Neuen Menschen und des Neuen Lebens thematisierte Vogeler nicht nur in seinen Schriften, Gemälden und Grafiken, sondern versuchte sie auch in der kleinen Gemeinschaft der von ihm nach Ende des Ersten Weltkrieges gegründeten Barkenhoff-Kommune zu verwirklichen. […] [Die Texte Vogelers] sind […] Ausdruck einer markanten Persönlichkeit, deren beeindruckendes literarisches Werk in den Beiträgen des vorliegenden Sammelbandes wiederentdeckt werden kann. [...] Einen chronologischen Überblick über das literarische Werk Vogelers liefert „Schriften“, herausgegeben von den Literaturwissenschaftlern Walter Fähnders und Helga Karrenbrock. [...] „Schriften“ bietet einen Überblick über [sein literarisches] Schaffen, das lange im Schatten von Vogelers Kunst stand. Die chronologische Anordnung der Texte erlaubt zugleich Rückschlüsse auf den Lebensweg und die Entwicklung des Bremer Künstlers.
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