Artikel-Nr.: 978-3-8498-1369-7
Ein junger Pianist, der seinen Lebensunterhalt als Barmusiker verdient, verzweifelt daran, keines seiner Lebensziele erreicht zu haben: nicht als Künstler, nicht als Liebender, nicht als ein nützliches Mitglied der Gesellschaft. Er flieht in den Alkohol. Als letzte Rettung vor dem persönlichen Untergang erscheint ihm die Bewährung in der harten Arbeitswelt der seinerzeit grössten Baustelle der DDR, dem Braunkohlekombinat »Schwarze Pumpe«. Hier verdingt er sich als Betonarbeiter und erfährt in den nächsten Monaten an Leib und Seele, was es bedeutet, den Anforderungen des Arbeitsalltags auf einer sozialistischen Grossbaustelle zu genügen.
»Es war ein schreckliches Abschlachten, ein Strafgericht. Für mich war in dieser einen Stunde alles aus. Etwas in mir zerbrach.« So brachte Siegfried Pitschmann auf den Punkt, was die vernichtende Kritik des DDR-Schriftstellerverbandes an seinem Manuskript »Erziehung eines Helden« am 3. Juli 1959 bei ihm bewirkt hatte. Der Roman wurde literaturpolitisch als abschreckendes Beispiel für »Amerikanismus« und die nun offiziell verpönte »harte Schreibweise« missbraucht; er konnte in der DDR nie gedruckt werden. Es ist an der Zeit, diesem kleinen Meisterwerk endlich zu der Anerkennung zu verhelfen, die es verdient.
Daten |
Siegfried Pitschmann Erziehung eines Helden Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Kristina Stella 2019 2., aktualisierte Auflage [1. Auflage: 2015, ISBN 978-3-8498-1100-6] ISBN 978-3-8498-1369-7 256 Seiten kartoniert |
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Autoreninfo |
Siegfried Pitschmann, geboren am 12. Januar 1930 in Grünberg (Zielona Góra). Lebensstationen: Mühlhausen (1945-1957), Kombinat »Schwarze Pumpe« (1957/58), Hoyerswerda (mit Brigitte Reimann, 1960-1964), Rostock (1965-1989), Suhl (1990-2002). Gestorben am 29. August 2002. Kristina Stella lebt in Kronberg/Ts. Buchveröffentlichungen: »„Wär schön gewesen!“. Der Briefwechsel zwischen Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann« (Hrsg., Aisthesis, 2013) und »Kommentierte Brigitte-Reimann-Bibliografie« (Aisthesis, 2014ff.). |
Lese-/Hörprobe |
Leseprobe: lp-9783849811006.pdf |
Aus der Kritik |
Der MDR stellte am 21.05.2015 Pitschmanns Roman ausführlich in seinem TV-Magazin „artour“ vor. Zu Wort kommt auch die Herausgeberin Kristina Stella. Hier der Link zum TV-Beitrag und zum Online-Artikel. [...] Der Roman „Erziehung eines Helden“ ist [...] ein doppeltes Ereignis, denn er erzählt nicht nur eine unerhörte Geschichte, sondern auch eine, die im Jahr ihres Entstehens, 1959, nicht gehört werden durfte. Eine Geschichte, die Ende der Fünfzigerjahre auf der Grossbaustelle des Kombinats „Schwarze Pumpe“ in der Lausitz spielt. Ihr Held, oder vielmehr das, was mal einmal ein Held werden will, ist der Autor selbst: Siegfried Pitschmann. [...] Da sind keine singenden Arbeiter mit roten Nelken im Knopfloch, sondern schuftende, saufende, fluchende und erbärmlich hausende Proletarier, die nicht der Aufbau des Sozialismus antreibt, vielmehr die Prämie für die Übererfüllung der Norm. Für die wird gerackert, tage- und nächtelang. Zwölf Stunden mit nur einer Pause. Im Regen, mit schlechten Maschinen. Wo auch das Schuften nicht genügt für die Norm, wird auf dem Papier nachgeholfen. [...] Dass [Pitschmann] mit dieser Veröffentlichung posthum Recht widerfährt, ist ein Ereignis. Sein Roman ist es allerdings auch. [...] Der Roman ist postum erschienen und muss in einem Atemzug mit Werner Bräunings „Rummelplatz“ oder Gert Neumanns „Elf Uhr“ genannt werden, denn sie alle beschreiben die DDR sehr realistisch, eigentlich so, wie es auf dem „Bitterfelder Weg“ vorgesehen war. [...] [...] Das schlichte Erzählungsbändchen ist nicht nur eine Fundgrube für Schwarze-Pumpe-Interessierte oder Pitschmann-Begeisterte, sondern auch für die Liebhaber von Short Storys. Seine Sujets sind ungewöhnlich - etwa die Geschichte des Karrenmannes, der sich in die »Gleichberechtigte« verliebt und sie sich in ihn. Aber beide müssen sich erst prügeln, ehe sie das begreifen und akzeptieren können. Oder die Geschichte des trauernden Arbeiters, der sich nach dem Tod des Kumpels ausserstande sieht, mit zur Beisetzung zu gehen, »wo’s aus der Grube zieht und wo solche Reden gehalten werden«, stattdessen aber seine persönliche Abschiedsansprache an den Schrank des Toten richtet. Die Sprache ist ungestelzt, entspringt gründlicher Beobachtung und mutigen Neukombinationen. Ihre emotionale Wirkung auf den Leser verfehlt sie auch in den einfachsten Sätzen nicht, etwa wenn der Trauernde den Schrank des Toten anschreit: »Komm endlich raus da aus dem Scheisssarg«. [...] |