Georg Lukács, der ungarische Philosoph, wird von Werner Jung in seinen Lukács-Studien fachkundig beleuchtet. Der Autor prüft in Von der Utopie zur Ontologie nicht nur das Nietzsche-Bild von Lukács, er untersucht auch dessen Gemeinsamkeiten und Trennungslinien mit Wilhelm Dilthey, Ernst Jünger, Johannes R. Becher, Nicolai Hartmann, Gerhard Hauptmann und natürlich mit Ernst Bloch. Der Vergleich von Lukács und Bloch gelingt Werner Jung besonders gut an deren unterschiedlicher wie identischer Betrachtung des Begriffs Arbeit.
„Bloch misstraut der Kategorie Arbeit gründlich, weil er, wenn er von der Arbeit redet, immer die konkrete Formationsbestimmtheit, die in Lukács’ Darstellung der Arbeit als teleologische Setzung gar nicht. auftaucht, mit bedenkt.“ Das „Primat des Kopfes“ bei Bloch entferne diesen immer mehr von seinem Heidelberger Studienfreund Lukács, für den die Arbeit „die Rahmenbedingungen“ absteckt, „innerhalb derer die Klasse dann zur Erkenntnis der realen Möglichkeiten zur Veränderung gelangt“.
An der Gegenüberstellung von Bloch und Lukács kann der Leser deutlich spüren, welcher der beiden Denker am ehesten dem heutigen vorherrschenden Kunstbegriff entspricht: „Während Lukács sich, wie Bloch zutreffend bemerkt, ‚an Werken und Formen festhält‘ und zudem einen Kanon großer Werke aufstellt, plädiert Bloch für das ‚prinzipiell unabgeschlossene Kunstwerk‘, das mit jedem Akt der Rezeption über sich hinausgetrieben, ja, das mit jedem Akt einer produktiven Auseinandersetzung erst neu geschaffen wird. … Nicht das Werk, sondern die Phantasie setzt die Utopie zuallererst frei. … Demgemäß erscheint … Bloch auch der Expressionismus …, der sich nicht vor der eigenen Subjektivität schämt, sondern das Ich sich ungehemmt und unzensiert aussprechen lässt, als wirklich neue Kunst.“
Die Expressionismusdebatte der Zwanzigerjahre, die heute auf anderem Niveau und eher latent stattfindet, ist kein Streit um den Geschmack, sondern um die Haltung, die wir gegenüber der Bedeutung des menschlichen Subjekts im gesellschaftlichen Sein einnehmen. Lukács und Bloch waren sich darin einig, dass die Kunst das „Gewissen“ der Menschheit sei. Doch wie sich dieses Gewissen zu vergegenständlichen habe, um ein solches sein zu können, darin unterschieden sie sich. Lukács kritisierte den Expressionismus, den Bloch schätzte.
Das Buch markiert wichtige Spuren des Denkers Lukács, der in manchen Kapiteln allerdings zu wenig Raum im Vergleich zu jenen Denkern und Schriftstellern einnimmt, mit denen der Autor Lukács zu vergleichen versucht.
Die Auswahl, die der Autor aus seinen Vorträgen, Aufsätzen und Essays zwischen 1985 und 1999 getroffen hat, gibt dem literaturwissenschaftlichen Leser einen guten Einblick in die neuere deutsche Literatur und deren philosophische Hintergründe.
Jürgen Meier in „Kommune“ 12/2002
Wer sich mit dem Leben und dem Werk von Georg Lukacs auseinandersetzt, ist gut beraten, den hier zu rezensierenden Band zu Rate zu ziehen.
Erich Hahn in "Z. Zeitschrift für marxistische Erneuerung" (Nr. 53, März 2003)
|