In Libuše Moníkovás vielschichtigen Erzählungen verbindet sich poetische Verantwortung mit eigensinniger Freude am Sprachmaterial. Gelehrte Dialoge und lose gefügte Fragmente kulturellen Wissens sowie reale Fiktionen und phantastische Fakten werden miteinander verflochten. Die vorliegende Arbeit trägt dieser Komplexität Rechnung, indem sie verschiedene Konstellationen von Körper, Raum und Geschichte in Moníkovás Romanwerk vor dem Hintergrund seiner Sammlungspoetik ausleuchtet. Die semantischen Felder ‚Beschädigung‘, ‚Entschädigung‘, ‚Überlieferung‘ und ‚Auslieferung‘, nach denen die Untersuchung gegliedert ist, bieten den Rahmen für genaue Lektüren der oft sperrigen Romane, jenseits des zum Gemeinplatz gewordenen Postulats der Vielstimmigkeit.
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit dem erzählerischen Werk Moníkovás steht die Frage der Überlieferung von Geschichte, Kultur und Wissen durch Einzelne, Männer und Frauen sowie Kollektive und Offizialgedächtnisse. Die Untersuchung arbeitet heraus, wie Moníková Körper als Medien und Austragungsorte der Überlieferung von Kultur und Geschichte einsetzt, und wie sich in ihnen die Zeichen und Symptome der Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpfen, wie sich Individuelles und Kollektives darin überschneidet und überlagert. Das von den Erzählfiguren dialogisch erinnerte und erzählte Gewesene, ihr kulturelles Schaffen und ihr Ringen um Sprachmacht wird als konkrete wie metonymische Darstellung von prozessualer, subjektorientierter Geschichtserzählung gelesen. Präzise wird die Doppelstruktur der Subjektkonzeption der Figuren Moníkovás herausgearbeitet, zugleich als Subjekte und Objekte einer literarischen Praxis zu fungieren, welche Geschichtsschreibung im kulturhistorischen Raum Europa abbildet.
Auf metaliterarischer Ebene und hinsichtlich des cultural space werden Moníkovás Texte als Rückgaben an die europäische Kulturgeschichte betrachtet, als Entschädigungshandlung einer überzeugten Pragerin, die dem historisch und politisch geschundenen Böhmen, Prag, und sich selbst Geschichten und Imaginationen zurück gibt.
Karin Windt
Beschädigung, Entschädigung – Überlieferung, Auslieferung
Körper, Räume und Geschichte im Werk von Libuše Moníková
2007
ISBN 978-3-89528-632-2
243 Seiten
kartoniert
Karin Windt, Dr. phil, studierte Germanistik, Textilgestaltung und Kunst in Paderborn und Wien. 2005 promovierte sie mit dieser Untersuchung an der Universität Paderborn. Sie ist Internet-Projektleiterin in Karlsruhe, arbeitet als freie Trainerin für akademisches Schreiben und ist Autorin von Buchrezensionen.
[…] Aus Windts Studie ziehen vor allem WissenschaftlerInnen und interessierte LaienleserInnen mit einem Interesse am Werk Libuše Moníkovás Gewinn sowie alle, die sich für Formen literarischer Historiografie und erzählerischer Figuren- und Raumgestaltung interessieren. Karin Windt hat mit ihrem Buch zur Doppelstruktur der Moníková’schen Figuren, die sowohl in konkreter wie auch in metonymischer Darstellung das subjektorientierte und das offiziell-kulturelle historische Gedächtnis überprüfen, diskutieren, umschreiben und an die Gemeinschaft zurückgeben, eine Untersuchung vorgelegt, die Lust auf weitere kluge Analysen des Werkes dieser Autorin macht.
Helga G. Braunbeck in „Monatshefte“ (2/2008)
[Die] Arbeit [...liefert] Impulse für eine weitergehende Beschäftigung mit Moníková, deren Werk, dies wird überzeugend herausgearbeitet, um einiges vielschichtiger und tiefgründiger ist, als auf den ersten Blick erscheinen mag.
Steffen Höhne in „Deutsche Literatur. Forum für Literatur“ (38. Jg., H. 4, 2008)