„Es ist richtig, nach der Wahrheit strebt der Essay: doch wie Saul, der da ausging, die Eselinnen seines Vaters zu suchen und ein Königreich fand, so wird der Essayist, der die Wahrheit wirklich zu suchen imstande ist, am Ende seines Weges das nichtgesuchte Ziel erreichen, das Leben.“
„Die Aktualisierung von Lukács eröffnet in der Tat eine Perspektive, welche die Begriffe der Debatte, wie sie in den letzten vier Jahrzehnten in literaturtheoretischen Kreisen kursierten, nachhaltig durcheinanderbringt. Und ich bin zweifellos nicht die einzige Person, die Gefallen daran findet, auf diese Weise die Orientierung zu verlieren.“
„Dies ist eine wundervolle Sammlung, und es kann keinen Zweifel daran geben, dass sie die (Wieder-)Veröffentlichung verdient hat.“
Der Band enthält im Anhang den Lukács-Essay „Von der Armut am Geiste“, der zuerst 1914 erschienen ist und hier erstmals wieder nachgedruckt wird.
Georg Lukács
Die Seele und die Formen
Essays
Mit einer Einleitung von Judith Butler
Werkauswahl in sechs Bänden Band 1
Hrsg. von Frank Benseler und Rüdiger Dannemann
2011
ISBN 978-3-89528-729-9
253 Seiten
kartoniert
Leseprobe: 9783895287299.pdf
[...] Genau hundert Jahre nach seiner Erstpublikation ist dieser grundlegende theoretische Quellentext nun wieder in einer Neuauflage lieferbar. [...] Zuletzt war er in den 1970er Jahren, als sich Lukács noch fest im Kanon einer linksgerichteten Theorie-Gemeinde befand, im Luchterhand-Verlag aufgelegt worden. Jetzt wird er von Aisthesis erneut auf den Markt gebracht, und zwar als zweiter Band einer noch im Erscheinen begriffenen, insgesamt sechsbändigen Werkauswahl, die Frank Benseler und Rüdiger Dannemann in der Hoffnung herausgeben, dass bald wieder „im besser sortierten Buchhandel neben Heidegger und Cassirer, Adorno und Jürgen Habermas auch der ungarische theoretische Wegbegleiter des 20. Jahrhunderts präsent sein wird“ (Vorbemerkung, S. IX). Das nachdrückliche Plädoyer der Editoren, Lukács zu lesen, wird durch eine Einleitung von Judith Butler bekräftigt, die ursprünglich für die amerikanische Übersetzung Soul & Form verfasst wurde und hier erstmals auf Deutsch erscheint. Butler erkennt die Aktualität von Lukács‘ Frühwerk vor allem in seinem Charakter als Entwurf einer „spekulativen ästhetik“, die noch nicht mit der marxistischen Doktrin in Berührung gekommen sei, sondern ein essayistisches Prinzip verfolge, das sich durch Offenheit und Dynamik, Irritation und Experiment auszeichne. [...] Mit dem erneuten Interesse an formalen Aspekten hat in der germanistischen Essayforschung der letzten Zeit auch die Frage nach der medialen Einbettung und Bedingtheit der Gattung als einer spezifischen Form von Medien-Texten an Bedeutung gewonnen. Daran lässt sich für die Literaturwissenschaft - einschließlich der Literaturkritikforschung, die in Hinblick auf die notwendige Etablierung einer eigenen Genreforschung die Formen und Schreibweisen ihres Gegenstandes stärker als bisher beachten sollte „die Forderung knüpfen, […] sich primär mit den spezifischen (diskurs-)historischen Konstellationen der Essayistik zu beschäftigen, also an Stelle einer allgemeinen Essay- bzw. Essayismus-Theorie die konkrete historische Essayforschung zu stellen. Die Neuausgabe von Lukács‘ frühen Essays kann einmal mehr einen Anstoß in diese Richtung liefern, zumal der Band neben seinem theoretischen Gewicht, will heißen: seiner herausragenden Stellung innerhalb der essayistischen Theoriegeschichte auch konkretes essayistisches Textmaterial zur Analyse bereit hält, das - unter gattungsgeschichtlicher Perspektive - für den deutschsprachigen Essayismus um 1900 insgesamt repräsentative Züge aufweist.
Michael Pilz in „literaturkritik.at“ (5.9.2011)
Hier der komplette Artikel: http://www.uibk.ac.at/literaturkritik/zeitschrift/909683.html
Wir machen uns mitunter gar nicht klar, wie verblasst die Helden sind. Georg Lukács ist so eine außerhalb von Spezialseminaren fast vergessene Größe. Die Wirkung seiner Bücher aber, über die „Theorie des Romans“ von 1916 […] über „Geschichte und Klassenbewusstsein“ von 1923, war damals ungeheuer. Der ungarische Denker bahnte einer ganzen Generation den Weg von der Lebensphilosophie in den Marxismus. […] Zugleich weiß Lukács, dass die Literatur eine Sonderwelt ist. Sein einleitender Aufsatz zu „Die Seele und die Formen“ von 1911, in dem er seinen Begriff von Kunstkritik entwickelt, behandelt den Essay als Gattung zwischen Kunst und Philosophie. Nicht Tatsachen, wie in der Kunstwissenschaft, sondern Gesetzmäßigkeiten interessieren den Kritiker, das, was an der Werken über die einzelnen hinausweist, ihre „Fragen an das Leben“. […] Wer Lukács heute liest, staunt vor allem über diese Erwartung, durch Entzifferung der literarischen Gattungen […] sich in den Besitz einer Ethik bringen zu können. […] Eine Literaturwissenschaft, die es längst mehr mit den Gegenständen („Texten“) hat als mit Problemen, stattet Lukács jedenfalls für solche Gänge nach wie vor mit viel Stoff zum Nachdenken aus.
Jürgen Kaube in „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (26.11.2011)
[…] Dieses Buch […] gehört zu den interessantesten Werken aus der Geschichte der Literaturtheorie - und wenn Lukács eine Chance haben soll, auch künftig gelesen zu werden, so werden es wohl eher diese literaturkritischen Schriften sein als etwa seinen späteren orthodox marxistischen Werke […]. Es ist jedenfalls unbedingt erfreulich, daß mit dem vorliegenden Band der Werkauswahl in Einzelbänden ein Text wieder zugänglich gemacht wird, der geeignet ist, auch der aktuellen literaturtheoretischen Diskussion Impulse zu verleihen. Das Bestreben der Herausgeber, daß die Zeit ein Ende finden möge, „in der der Klassiker des essayistischen Ästhetizismus wie des philosophischen Marxismus praktisch vom Buchmarkt verschwunden war“ (S. IX), ist aller Ehren wert und lohnt sicherlich einen Versuch. Nun kommt es auch darauf an, daß sich in ausreichender Zahl Leser unter z.B. Studierenden der Literaturwissenschaften finden, die sich durch Die Seele und die Formen zu weitergehenden Überlegungen inspirieren lassen. […]
Till Kinzel in „Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft“ (Oktober 2012)
Zur vollständigen Rezension: http://ifb.bsz-bw.de/bsz348540922rez-1.pdf
[…] Im Rahmen seiner Lukács-Werkausgabe hat der Bielefelder Aisthesis Verlag nun ein Buch neuveröffentlicht, das ganz am Anfang dieses gedichteten Lebens steht und das der Autor selbst, in einer seiner späteren Reflexionen und Retrospektiven im Geiste stalinistischer Selbstzensur, gegenüber dem vermeintlich reiferen Spätwerk dem Vergessen überantwortet. [...] Der Autor von „Die Seele und die Formen“ scheint ein anderer zu sein als jener Georg Lukács, der mit „Geschichte und Klassenbewusstsein“ 1923 eine ganze Generation von unorthodoxen Marxisten beeinflusste. Keine Spur von Marx in den Aufsätzen über Dichter wie Lawrence Stern oder Charles-Louis Philippe, kaum ein Hinweis auf Hegel in den Essays über Stefan George, Soren Kierkegaard, Theodor Storm oder Novalis. Insofern ist es zwar chronologisch richtig und dem Aufbau einer längst überfälligen Werkausgabe angemessen, mit Georg Lukács erstem Buch zu beginnen [...] Nicht nur weil die von Georg Lukács behandelten Dichter kaum noch zum Kanon gehören, nicht nur weil aus den Schriften eine Leidenschaft spricht, die quersteht zur Abgeklärtheit und dem kalkulierten Skandal zeitgenössischer Literaturkritik, sind diese frühen Studien unbedingt lesenswert. Das liegt nicht zuletzt an dem Text Über Wesen und Form des Essay der gleichzeitig analysiert und durchführt, wovon er spricht, und der neben die einschlägigen Texte von Theodor W. Adorno oder Max Bense gehört. [...]
Robert Zwarg in „literaturkritik.de“ (Januar 2013)
Zur vollständigen Rezension: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=17389
Georg Lukács
Werkauswahl in sechs Bänden Band 1
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