Die Studie erweitert das bisherige Verständnis des Sturm und Drang, indem sie erstmals vor Augen führt, welch große Bedeutung Aspekte kultureller Differenz für die Dramenliteratur dieser Strömung besitzen. Im Rekurs auf Elemente postkolonialer Theoriebildung wird gezeigt, wie sich Goethe, Lenz, Klinger und Schiller in die Alteritätsdiskurse des ausgehenden 18. Jahrhunderts einschrieben: Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei 1. der Debatte um die europäischen ,Nationalcharaktere‘, 2. der Diskussion um die religiös und/oder ethnisch definierten Minderheiten der Juden und ,Zigeuner‘ sowie 3. der Beschäftigung mit dem ,exotischen‘ Fremden im Kontext des ,zweiten Entdeckungszeitalters‘. Indes bekräftigen die untersuchten Dramen das völkerkundlich-anthropologische ,Wissen‘ der Aufklärung nur partiell; nicht selten dekonstruieren sie verbreitete Stereotype mittels komplexer literarischer Verfahren.
Stefan Hermes
Figuren der Anderen
Völkerkundliche Anthropologie und Drama im Sturm und Drang
Postkoloniale Studien in der Germanistik Band 12
2021
ISBN 978-3-8498-1719-0
722 Seiten
kartoniert
Stefan Hermes, PD Dr., geb. 1980, lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.
Leseprobe: lp-9783849817190.pdf
[...] der Verdienst von Hermes' Buch liegt [...] auf der Vermittlung der Einsicht in die Wurzeln kolonialen Denkens, das keinesfalls erst mit der Erfahrung des „Exotischen“ anfängt. [...] [Eine] Fülle von positiven Eindrücken [...], die man vom präsentierten Material, seiner Organisation und der (Neu-)Interpretation bekommt.
Tomasz Waszak in „Acta Geremanica“ (Vol. 49, 2021)
Seine instruktiven Studien wecken hoffentlich das Interesse der historisch ausgerichteten literarischen Anthropologie für völkerkundliche Aspekte und das der Postcolonial Studies für literaturhistorische Fragestellungen. Für einen Zusammenschluss dieser beiden Perspektiven hat Hermes ein ausgezeichnetes Plädoyer geliefert und einen in vielerlei Hinsicht prekären Gegenstand, dem die Philologie sich weiterhin wird widmen müssen. Für die Epoche des Sturm und Drang ist jedenfalls ein erster, beeindruckender Schritt getan.
Manuel Zink in „Zeitschrift für Germanistik“ (Neue Folge XXXII / 2022)
Als ausgezeichneter Ansatz erweist sich die Zuordnung der ›Figuren der Anderen‹ zu drei unterschiedlichen Gruppen, die trotz der gleichen anthropologischen Grundannahmen jeweils eine andere, eigene Geschichte haben. Diese Typologisierung hilft dabei, das Repertoire der Aus- und Abgrenzungen an der Schwelle zum rassistischen Denken in der Moderne besser und genauer zu beschreiben. Das Buch von Stefan Hermes ist auch deshalb ein wichtiger und anregender Beitrag zur Literaturgeschichte, zur Sturm-und-Drang-Forschung und zur interkulturellen Literaturwissenschaft.
Klaus-Michael Bogdal in „Goethe-Jahrbuch“ (2021)
In seiner 2021 im Aisthesis Verlag in der Reihe „Postkoloniale Studien in der Germanistik“ veröffentlichten Habilitationsschrift Figuren der Anderen. Völkerkundliche Anthropologie und Drama im Sturm und Drang analysiert Stefan Hermes die Inszenierung kultureller Differenz in der Literatur des Sturm und Drang und leistet somit einen interdisziplinären Beitrag zur Literaturgeschichtsschreibung und Interkulturalitätsforschung. [...] Es werden u.a. Werke von Lenz, Klinger, Goethe und Schiller untersucht.
Redaktioneller Hinweis in „literaturkritik.de“ (September 2022)
Postkoloniale Studien in der Germanistik Band 12
Ausgezeichnet mit dem Preis der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik und dem Diversity-Preis der Universität Duisburg-Essen.