Der Band versammelt unerschrockene und scharfsinnige Essays zu Theorie und (Literatur-)Geschichte der Moderne. Sie konzentrieren sich darauf, den Ort von Literatur, Kunst, Ästhetik und Literaturwissenschaft in der Moderne zu bestimmen. Wichtige Leitbegriffe der Moderne werden in theoretisch und historisch angelegten Texten präsentiert und diskutiert: Wissenschaft, Ästhetik, Authentizität, asymmetrische Zeitkonzeption, Realismus, Geschichte, Souveränität, Kontingenz und Experiment. Mit Beiträgen zu Adorno, Büchner, Döblin, Gibbon, Grabbe, Hegel, Kempowski, Kleist, Kluge, Luhmann, Musil, Heiner Müller, Nietzsche, Plivier, Schiller, Schuldt, Weiss und zum Stand der Geschichts- und Literaturwissenschaft.
Harro Müller
Gegengifte
Essays zu Theorie und Literatur der Moderne
2009
ISBN 978-3-89528-738-1
231 Seiten
kartoniert
Harro Müller lehrt seit 1993 Neuere deutsche Literatur, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University in New York. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Geschichte der Moderne, Ästhetiktheorien, Kritische Theorie, Systemtheorie. 1996-2002 Executive Editor von The Germanic Review. Mehrere Gastprofessuren in Frankreich und den USA. Zahlreiche Publikationen in deutscher, englischer, französischer, portugiesischer und koreanischer Sprache. Bei Aisthesis ist erschienen: Giftpfeile. Zu Theorie und Literatur der Moderne (1994). Letzte Buchveröffentlichung (Hg., mit Susanne Knaller): Authentizität. Diskussion eines ästhetischen Begriffs (München 2006).
Leseprobe: 9783895287381.pdf
[...] Als Einzelbeiträge zu aktuellen literaturwissenschaftlichen Diskussionen sind die anspruchsvollen Einführungsessays zu Adorno ebenso hervorzuheben wie die nachdenklichen Ausführungen zu Werk und Methodik Alexander Kluges oder die anregenden Einzelinterpretationen zu Büchner, Kleist und Döblin. Gerade die Berücksichtigung der Repräsentationsprobleme bei der literarischen Behandlung des Kriegs trägt zu den Entwicklungen in der internationalen Forschung bei. [...] Selbst Leser, die mit dem hier eingesetzten systemtheoretisch-begriffsgeschichtlichen Instrumentarium nicht oder wenig vertraut sind, werden unschwer den Perspektivenwechsel erkennen, der aus der durchgängigen Kritik an historiographischer Sinnprojektion resultiert. Liest man den Band in toto als Versuch, literaturtheoretische Einwände gegen die Wahlverwandtschaft von Romantik und Moderne vorzubringen, springt eine überraschende Argumentationslinie ins Auge. Bedenkenswert und diskussionswürdig ist nämlich die These, dass gerade mimetische Impulse auf die literarische Moderne um 1900 vorausweisen, weil Autoren wie Büchner oder Grabbe als konstruktive Realisten entschieden die idealistischen Annahmen der klassisch-romantischen Bewegung aufsprengen. Damit zieht Harro Müller eine scharfe Trennlinie zwischen seinem Ansatz und einem doch häufig auf die romantisch-idealistische Bewusstseinsphilosophie bezogenen Modell antizipatorischer Vormoderne. Zudem verwahrt sich der konstruktivistische Ansatz vor einer vorschnellen Identifizierung der realistischen Methode mit Abbildhaftigkeit (›imitiatio‹). In diesem Angebot einer alternativen Lesart von Realismuskonstruktionen liegt ein entscheidendes Verdienst und der beachtliche Terraingewinn dieser bemerkenswerten Essaysammlung.
Erk Grimm in „IASLonline“ (Dezember 2010)
Anschließend an den Band „Giftpfeile“ (1994) hat der 1943 geborene und in den USA lehrende Literaturwissenschaftler Harro Müller nun „Gegengifte. Essays zu Theorie und Literatur der Moderne“ veröffentlicht. In beiden Aufsatzsammlungen steht das Nachdenken über Literatur als auch über die Literaturwissenschaft im Zentrum. Das ist nichts Ungewöhnliches. Allerdings findet in den Essays, die vom Verlag schon als Interventionen bezeichnet werden, eine reizvolle Entwicklung statt. [...] Es wird materialreich referiert und die These schließt sich mehr oder weniger unvermittelt an. Es ist keine (auch für wissenschaftliche Verhältnisse) leichte Lektüre, die Müller anbietet. Es fällt auf, dass die mit dem Begriff der Moderne verbundenen Auflösungen vormals unreflektierter Episteme ihre Beschreibbarkeit sabotieren. Somit fällt der Blick auf Müllers Vorwort, das als eben jener konstruierte archimedische Punkt erst den Einstieg in die „Gegengifte“ ermöglicht [...]
Kay Ziegenbalg in „literaturkritik.de“ (1/2011)
Die vollständige Rezension: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=15130
Harro Müller´s new collection of texts on modern literature and literary theory sails under the provocative and joyfully subversive flag of Gegengifte, bringing together a range of theoretically informed readings with a critical edge as wary antidote to the dominant discourse in the in the scholarship on German literature. […] Gegengifte presents a welcome and timely addition - even though the issue of „timeless“ is itself among the concepts Müller´s Gegengifte so aptly challenges. […] Müller is […] a master of the dry observation, the laconic comment, and the strategically critical self-reflection. His approach proceeds in two-pronged fashion, critically exanining both the litarary and the wider theoretical implications of the textual strategies he studies. […] Gegengifte, with its unyielding and demanding stance on the state of the discipline, is thus a deeply enjoyable book, an eye-opening and reliable guide in rediscovering the liberating power of the critical impulse that drives literary imagination despite all attempts at disciplinary domestication. Inoculating us against some of the most problematic occupational diseases of the field and the discipline, Müller reclaims the resistance to hermeneutic domestication as literature´s most valuable moment and reminds us of one the few legitimate reasons why we do what we do, or at last why we should do so.
Willi Goetschel in „Monatshefte“ (Vol. 103, No. 3, 2011)