Der Titel ist leider vergriffen.
Zwei Geistesgrößen im Gespräch: Hier Arno Schmidt, der mit vielen Preisen ausgezeichnete Sprach-Experimentator und Schöpfer des epochalen Werks „Zettels Traum“. Dort Hans Wollschläger, bekannt durch seine Karl-May-Forschungen und seine kongeniale Übersetzung von James Joyces „Ulysses“, auch er ein begnadeter Stilist und Essayist. In der vorliegenden Hör-Collage kommen beide im Rahmen eines Zwiegesprächs zu Wort, das zwei interessierte Leser – ganz im Stile der Schmidt‘schen Radioessays – über die Protagonisten führen. Es fußt auf dem mehrere hundert Seiten umfassenden, bislang – bis auf wenige Zeugnisse – unveröffentlichten Briefwechsel zwischen Schmidt und Wollschläger.
»Es ist schon ein selbstmörderisches Gewerbe«.
Arno Schmidt und Hans Wollschläger
Hörcollage von Walter Gödden
Eine Produktion der Nyland-Stiftung im Rahmen der »Hörbibliothek Nyland«
Sprecher: Carsten Bender und Thomas Thieme
Musik: Matthias Hirzel
2017
ISBN 978-3-8498-1229-4
CD, 60 min.
Schmidt unterhielt mit Wollschläger eine lange und intensive Arbeitsbeziehung. Berührungspunkte waren das gemeinsame Interesse an Edgar Allan Poe, James Joyce, vor allem aber an Karl May. In den 1950er Jahren avancierte Schmidt zu einem erbitterten May-Kritiker. An der Rigorosität und der aggressiven Strenge, mit der Schmidt 1957 über May in der „FAZ“ urteilte, entzündete sich ein brieflicher Disput mit Hans Wollschläger, der damals für den Karl-May-Verlag in Bamberg arbeitete. Im folgenden Jahr, nach etlichen Briefen, drängte Schmidt Wollschläger zur Abfassung einer Karl-May-Biografie. Hierauf entstand als erste Buchveröffentlichung Wollschlägers 1965 eine Rowohlt-Bildmonographie über Karl May, die seither zahlreiche Auflagen erlebte und May für die Literaturgeschichte rehabilitierte. Schmidt bezeichnete diese „erste solide Biographie“ Karl Mays als „Vorfrühling der May=Forschung“ und lobte die „ununterdrückbare Fähigkeit des Verfassers zu eleganten Formulierungen“ sowie dessen „unverkennbar bereits trainierte Kunst der Materialkomprimierung“.
Inzwischen standen beide – Wollschläger hatte Schmidt zum Jahreswechsel 1961/62 in Bargfeld besucht, ab 1963 übersetzte man gemeinsam Edgar Allan Poe – in einem ausführlichen Briefwechsel. In ihm nimmt der über zwanzig Jahre ältere Schmidt die Rolle eines Mentors ein, der seinen „Kollegen“ Wollschläger in Übersetzungs-, aber auch Honorarfragen berät. Vor allem ermuntert er ihn, trotz aller Widrigkeiten, der Literatenlaufbahn treu zu bleiben und sein Romanprojekt „Herzgewächse oder der Fall Adams“ nicht aufzugeben.
Die Korrespondenz gewährt Aufschluss über die Lebensverhältnisse und „Temperamente“ der Briefschreiber und enthält erhellende Exkurse über den damaligen Literaturbetrieb. Einen Eindruck von Schmidts Lehrerrolle gibt sein Schreiben vom 1. März 1960: „Lieber Herr Wollschläger, Sie leben noch in Arkadien! … Sie werden einmal, genau wie ich, von Ihren eigentlichen ernstzunehmenden Büchern auch nicht ‚leben’ können! – aber auf die 10 jungen Leute kommt es an, die, eventuell, später einmal etwas von Ihren neu ersonnenen Griffen & Kniffen gebrauchen können. Und eben=Diesen, (meist hoffnungslos von kurios=dürftigen ‚Elternhäusern’ gehandicapt; nur mit albernen oder schlechten Büchern bekannt... gilt es, sich, und zwar leicht & einprägsam, verständlich zu machen. Also muß man einfach brutal vorgehen.“ Walter Gödden
Walter Gödden ist Literaturwissenschaftler, Hochschullehrer und Leiter des Museums für Westfälische Literatur. Neben wissenschaftlichen Veröffentlichungen Features, Essays, Hörspiele.
Die Sprecher
Carsten Bender geboren 1973 in Detmold; freier Schauspieler und Sprecher; seit 2008 mit eigenem Theaterlabel Gloster! Theaterproduktionen; Faible für Autoren mit eigenwilligem Sprachstil: Werner Schwab mit Offene Gruben Offene Fenster – ein Fall von Ersprechen (Regie: Thomas Thieme), aber auch August Stramm, Einar Schleef und Arno Schmidt – mit dem Projekt Mundus in Voce 2016; zur Zeit Vorbereitung eines Hölderlin-Programms. Mehr unter www.carsten-bender.de
Thomas Thieme geboren 1948 in Weimar; vielfach ausgezeichneter Film- und Theaterschauspieler: u. a. Goldene Kamera 2014 als Bester deutscher Schauspieler sowie Schauspieler des Jahres 2000 für seine Hauptrolle in der Shakespeare-Bearbeitung Schlachten!; zur Zeit Hauptrolle in der Volker-Schlöndorff-Romanverfilmung Der namenlose Tag von Friedrich Ani; Regiearbeiten u. a. am Deutschen Nationaltheater Weimar, Schauspielhaus Bochum und am Centraltheater Leipzig. Mehr unter www.hoestermann.de
Der Musiker
Matthias Hirzel, a.k.a. Hirzel Hirzelnsen a.k.a. E.V. Hirzel, geboren 1964 in Karlsruhe, mit Schlagzeug und anderem Instrumentarium im Gruppenverband und als Solist seit Mitte der 80er Jahre im Segment Aurale Skulptur tätig und als Klangmonteur immer gerne dort, wo man eine Lupe ans Ohr halten darf. Über seine Arbeit an der vorliegenden CD sagt er: „Die Musik verwendet bei der Tonaufnahme eingefangene Nebengeräusche im Sinne der Musique Concrète. Blättern, Räuspern, Stühlerücken, Atemgeräusche und anderer akustischer Beifang wurde recycelt und mittels eines Samplers über eine Klaviatur spielbar zu einem Dialog mit realem Schlagzeug montiert.“
Nach dem Vorbild der Radioessays Arno Schmidts hat der Literaturwissenschaftler Walter Gödden ein Gespräch über die Gespräche zwischen Mentor und Schüler inszeniert. Thomas Thieme spricht Arno Schmidt mit liebevoller Strenge, Carsten Bender trifft den Ton des bewundernden, aber auch um Bewunderung werbenden Hans Wollschläger. [...] [Man hört] ihnen begeistert zu, als berichteten sie über ferne Länder, von Reisen durchs wilde Literatistan.
Jens Bisky in „Süddeutsche Zeitung“ (19. Mai 2017. Nr. 115)
Es ist eine spannende Collage, der Thomas Thieme und Carsten Bender mit hörbarem Vergnügen Leidenschaft verleihen.
Gesendet am Sonntag, 28.05.17, hr2-Kulturfrühstück, besprochen von Jochanan Shelliem
Mitschnitt der Sendung hier.
[...] ein Hörbuch [...], das höchst aufschlussreich und anregend ein Licht auf dieses einzigartige Vertrauens- und Austauschverhältnis wirft. Wer etwas lernen möchte über die Last und Lust des ernsthaften Schreibens, der wird hier zugleich verführt und ernüchtert.
Peter Lückemeier in „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (17.07.2017)
[...] Ein kunstvolle Mischung aus Hommage und Demontage also, die die beiden eigenwilligen Autoren dem Hörer innerhalb kürzester Zeit nahe bringt.
Monika von Aufschnaiter in „Bayern2: Hörbuch der Woche“ (Sendung vom 15.7.2017)
[...) passend der Titel des spannend und lehrreich inszenierten Hörbuchs [...]
Hartmut Horstmann in „Westfalen-Blatt“ (22.08.2017)
2. Platz hr2-Hörbuchbestenliste 6/2017
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Müther, Karl-Heinz u.a.: Arno Schmidt
15,00 €
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