Die Welt im Krimi ist durch das Verbrechen bestimmt. Jede Figur ist ein potentieller Täter, jeder Gegenstand ein potentielles Indiz, jeder Ort ein potentieller Tatort. Das Verbrechen schafft Chaos, in dem jemand „aufräumen“ muss, um unser aller Zuhause am Ende wieder kuschelig erscheinen zu lassen. Krimiautoren erledigen das für den Leser – und leiden gern unter dem Nullsummenspiel, das innerhalb des Genres erwartet wird. Doch es gibt Möglichkeiten zum Widerstand, zur Ausweitung der Schreibräume, sei es innerhalb der selbst erschaffenen Fiktion oder – zunehmend – durch Ausbrüche in die Topographie des realen Verbrechens, wo oft genug weder die Guten noch die Wahrheit ihren Platz behaupten. Das ist riskant, denn bei solchen (Re)Konstruktionen kann der Kriminalroman selbst zu dem werden, was die Spurensicherung in ihm auszuwerten und zu interpretieren hat: zu einem Tatort.
Andreas Erb (Hg.)
Bernhard Jaumann:
Tatorte und Schreibräume – Spurensicherungen
2015
ISBN 978-3-8498-1096-2
193 Seiten
kartoniert
Leseprobe: 9783849810962.pdf
Insgesamt liefert der Band am ›Fallbeispiel‹ J. auch über dessen Werke hinaus eine überzeugende Auseinandersetzung mit Tendenzen der gegenwärtigen Kriminalliteratur. Durch die [...] Essays, die statt voraussetzungsreicher Theoriediskussionen die textnahe und kontextualisierende Analyse in den Vordergrund rücken, werden dabei Positionen und Ansätze der aktuellen Krimi-Forschung gut für eine nicht ausschließlich literaturwissenschaftliche Leserschaft zugänglich gemacht.
Natalia Igl in „Germanistik“ (2017, Band 58, Heft 3-4)