Der Kreis Tecklenburg war sicherlich kein Zentrum der Revolution von 1848/49 - aber die Region blieb auch nicht unberührt von den politischen Ereignissen der Zeit: Zum einen wurden in Berlin oder Frankfurt getroffene Entscheidungen an Ort und Stelle von den Verwaltungsorganen durchgesetzt, zum anderen spiegelten die regionalen Verhältnisse in die große Politik zurück. Dabei spielte die Tatsache eine bedeutsame Rolle, dass der Kreis im 19. Jahrhundert aus drei recht heterogenen Teilen gebildet worden war, so dass wirtschaftliche und konfessionelle Unterschiede den Ausgangspunkt für politische Polarisierungen bildeten.
Alfred Wesselmanns Studie fußt auf Akten aus dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalen/Staatsarchiv Münster und aus dem Geheimen Staatsarchiv Berlin/Preußischer Kulturbesitz. Es handelt sich um Material, das sich auf dem Schreibtisch des Landrats Louis von Diepenbroick-Grüter aus seinen Gemeinden einfand, das er bündelte und an die Behörden in Münster oder Berlin weiterleitete. Daneben wertete der Autor Quellen kommunaler Archive aus, deren Überlieferung zwar uneinheitlich ist, aber manchen überraschenden Fund bot.
Wesselmanns Darstellung der konkreten Verhältnisse im Kreis Tecklenburg kann durchaus als repräsentativ für die Ereignisse der Jahre 1848/49 im ländlichen, katholisch-konservativ oder preußisch-konservativ geprägten Raum gelten.
Alfred Wesselmann
Der Kreis Tecklenburg in der Revolution 1848/49
Deutsche Politik im Spiegel provinzieller Verhältnisse
Vormärz-Studien Bd. XXIV
2012
ISBN 978-3-89528-927-9
328 Seiten
gebunden
Alfred Wesselmann, Dr. phil., Jahrgang 1948, ist Studiendirektor und unterrichtet die Fächer Geschichte und Englisch. Er ist am Hannah-Arendt-Gymnasium in Lengerich/Westf. und am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in Rheine tätig.
Er ist Verfasser zahlreicher Studien zur Geschichte des Vormärz in der Region sowie zweier Biografien: Burschenschafter, Revolutionär, Demokrat. Hermann Kriege und die Freiheitsbewegung 1840-1850 (Osnabrück, 2002) und Eberhard Hermann Röttger (1800-1888). Missionar in Niederländisch-Indien, Pfarrer in Lengerich und Lotte (Münster, 2008). Im Aisthesis Verlag erschien Das Westphälische Dampfboot. Vier Skizzen und ein Personenregister (2004)
Leseprobe: 9783895289279.pdf
Dr. Alfred Wesselmann, Studiendirektor am Hannah-Arendt-Gymnasium und bislang schon durch einschlägige historische Untersuchungen bekannt geworden, hat jetzt ein Werk veröffentlicht, das diese Fragen umfassend untersucht und zu einem wissenschaftlich fundierten „Blick in den Mikrokosmos eines kleinen Landkreises“ verdichtet. „Der Kreis Tecklenburg in der Revolution von 1848/49“ lautet der Titel des 328 Seiten starken Werkes. Im Untertitel wird die Akzentsetzung deutlich: „Deutsche Politik im Spiegel provinzieller Verhältnisse“.
Der Autor leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Forschungsgeschichte, seine Arbeit ist auch für die historisch interessierte Leserschaft im Altkreis Tecklenburg Gewinn und Herausforderung. Hier wird umfänglich aus den Quellen gearbeitet. Alfred Wesselmann hat in allen zugänglichen Archiven im Altkreis wahre Kärrnerarbeit geleistet, er hat auch das umfangreiche Aktenmaterial im Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen in Münster und im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin konsultiert, darüber hinaus die einschlägigen Jahrgänge von über zwei Dutzend historischer Periodika durchforstet und natürlich die bisherige Forschungsliteratur eingearbeitet.
Als Ergebnis präsentiert er ein eindrückliches Gesamtbild der Ereignisse und der handelnden Personen - die wichtigsten werden in zeitgenössischen Abbildungen präsentiert. Man erfährt viel Neues und Interessantes, überkommene Urteile werden revidiert, die historischen Augen- und Ohrenzeuge kommen ausführlich zu Wort. Zwei Beispiele:
In einer renommierten „Deutschen Gesellschaftsgeschichte“ aus dem Jahr 1987 liest man: „In Tecklenburg konnte erst eine Schwadron Husaren den blutigen Zusammenprall zwischen Landlosen und Bauern unterdrücken.“ Alfred Wesselmann urteilt: „Mit Verlaub und ohne jede Attitüde der Besserwisserei darf ich sagen, dass es gerade so nicht war.“ (S. 286) Und er weist umfänglich nach, wie es wirklich gewesen ist, dass nämlich nicht Landlose und Bauern gegeneinander standen, sondern Katholiken und Protestanten und dass sich der Einsatz der Soldaten so martialisch gar nicht gestaltet hat.
Natürlich fanden auch im Kreis Tecklenburg Wahlen zum Parlament in der Frankfurter Paulskirche statt. Wie sich das ganz konkret abgespielt hat, dass die Wahlen zwar geheim und frei, aber nicht direkt waren, all das wird detailliert geschildert. Besonders aufschlussreich die letzte Etappe dieses Wahlmarathons. Am 10. Mai 1848 trafen sich die Wahlmänner in Lengerich, um die Wahl des Abgeordneten vorzunehmen. Das Ereignis fand in der Stadtkirche statt, weil nur hier genügend Platz war. Wie es dabei zuging, wer den Sieg davon getragen hat, was die Honoratioren - unter anderem der Landrat Louis von Diepenbroick-Grüter - davon hielten und wie die Gewählten im Parlament agiert haben, wird ausführlich erörtert und mit charakteristischen Zitaten belegt.
Wer Geschichte nicht nur abstrakt zu Kenntnis nehmen, sondern sie hautnah und vor der eigenen Haustür erleben will, der mag getrost zu diesem Werk greifen.
Karlheinz Arndt in „Westfälische Nachrichten“ (09.07.2012)
[Eine] sehr profunde[] Untersuchung, die zu einem regionalgeschichtlichen Standardwerk werden wird […].
Christof Spannhoff in „Osnabrücker Mitteilungen“ (117, 2012)
Vormärz-Studien Bd. XXIV