Themen, Motive und Formenrepertoire der jüngeren Berlinfiktion wandelten sich im Verlauf der letzten zwei Dekaden in deutlichen Verschiebungen und Akzentsetzungen. Sie lassen nachvollziehen, dass politisch-geschichtliche Themen weitgehend stadtkulturellen und lebensstilhaften Platz gemacht haben. Als Teilrealisierungen des disparaten Themen- und Formenspektrums des Metropolenromans erscheint eine beträchtliche Zahl von Prosawerken, die in der Periode geschrieben wurden und die in ihren Entstehungsbedingungen, Aussagen und Schreibweisen genauer analysiert und in einen umfassenden Zusammenhang der Darstellungen Berlins seit dem Mauerfall gestellt werden. Intendiert ist nicht nur ein Standardwerk zur neueren Geschichte der Berlinliteratur. Diese Studie klärt auch den Beitrag Berlins zur internationalen Stadtdiskussion unter den Stichworten der Geschichtsstadt und der Stadt der Postmoderne. Zugleich erhellt sie im Rückblick die aufgeregten Schlagworte der Remetropolisierung Berlins seit der Vereinigung. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall lassen sich erhellende Aussagen treffen zum Imaginationsobjekt Berlin in seinen faszinierenden literarischen und kulturwissenschaftlichen Facetten.
Susanne Ledanff
Hauptstadtphantasien
Berliner Stadtlektüren in der Gegenwartsliteratur 1989-2008
2009
ISBN 978-3-89528-725-1
676 Seiten
kartoniert
Dr. Susanne Ledanff ist Senior Lecturer an der Deutschabteilung der University of Canterbury in Neuseeland. In den letzten Jahren hat sie diverse Arbeiten veröffentlicht, die sich mit der Berliner Kulturgeschichte seit 1800, der Metropole im europäischen Roman des neunzehnten Jahrhunderts und in der Moderne der Zwanziger Jahre und weiterhin mit der deutschen Nachwendeliteratur befassen.
Leseprobe: 9783895287251.pdf
Susanne Ledanff’s encyclopaedic survey of Berlin literature of the past two decades is a weighty contribution to the body of scholarship on this subject.
Alexandra Merley in „German Studies Review“ 33/2 (2010)
[...] Susanne Ledanff legt nun eine Studie vor, in der sie, nach einem theoretischen Einleitungsteil, in dem sie auch auf die Berlin-Essayistik eingeht, gut 140 Romane und Erzählungen vorstellt, die, zwischen 1989 und 2009 entstanden, die gesamtdeutsche Hauptstadt thematisieren. Das ist nicht nur quantitativ, sondern auch und zuerst qualitativ eine herausragende Leistung. [...] Die detailreiche Studie von Susanne Ledanff zeigt, daß die nach 1989 entstandene Berlin-Literatur Legion ist. Und Berlin wird, so viel ist gewiß, ein literarisches Faszinosum bleiben, auch wenn die Stadt irgendwann einmal nicht mehr „in“ und „hip“ sein sollte. Das heißt, daß, so umfassend und detailliert die vorliegende Untersuchung auch ist, es auf diesem Gebiet, Germanisten im In- und Ausland zur Freude, künftig noch viel zu erforschen geben wird.
Kai Agthe in „Das Blättchen“ (Juni 2010)
Die vollständige Rezension: http://das-blaettchen.de/bemerkungen-9/
Das Textkorpus, auf das die Studie rekurriert (mehr als 140 Romane und längere Erzählungen, dazu kommt eine große Anzahl von Sammelbänden, Reiseführern und journalistischen Arbeiten), ist beeindruckend. […] Letztlich ist die klare Positionierung von Ledanff […] eine gute Hilfestellung, sich in einem unübersichtlichen Feld zu orientieren und ‚Gegenlektüren’ zu entwickeln.
Inge Stephan in „Zeitschrift für Germanistik“ (3/2010)
Ledanffs Studie untersucht ein großes Spektrum der Berlin-Literatur seit 1989 und vermittelt durch den chronologischen Zugang einen guten Überblick über Entwicklungsphasen und Zäsuren.
Sabine Bertold in „literaturkritik.de“
[…] In Ihrem Buch „Hauptstadtphantasien“ haben Sie rund 140 Romane und längere Erzählungen untersucht. Der Titel klingt nach wenig Realismus und viel Mythisierung ...
Der Titel des Buchs wurde gewählt, um der historischen Zäsur von 1989/1990 gerecht zu werden. Metropolenphantasien wäre vielleicht besser gewesen – immerhin war „Metropole“ jenes Schlagwort, unter dem Berlin in den Medien und Kulturwissenschaften von Anfang an diskutiert worden ist. Tatsächlich ist das Spektrum zwischen Mythisierung und Realismus in der Berlin-Literatur nach dem Mauerfall erstaunlich breit gefächert. Das reicht von den überdrehten Beispielen des neuen Berliner Popromans oder der von mir so genannten „Berliner Surreapolis“ bis hin zu einem sozialkritischen Roman wie Ralf Rothmanns Hitze (2005).
In den meisten neueren Romanen ist Berlin ja vor allem Motiv. Gibt es auch Bücher, in denen das Urbane Stil und Sprache bestimmt?
In der Berlin-Literatur wird das Urbane auf verschiedenste Weise gespiegelt: Im „Ostberliner Heimatroman“ der frühen Neunzigerjahre erscheint es in intensiven Stadt- und Erinnerungsbildern. Bei den jüngeren Berlinautoren taucht es auf in Lifestyle-Themen. Und in den apokalyptischen Bildern einer Alptraumstadt von ehemals oppositionellen Ost-Autoren wie Wolfgang Hilbig und Reinhard Jirgl ist es überfrachtet von einer modernistischen Großstadtmetaphorik.Interessant ist meines Erachtens die sprachliche Durchdringung Berlins aus der Perspektive einer zeitgenössischen Ästhetik der Postmoderne. Dafür gibt es allerdings nur wenige Beispiele. Hervorzuheben wären Georg Klein mit Libidissi (1998) und Barbar Rosa (2001) und Kathrin Röggla mit ihren „Mental Maps“ in Abrauschen (1997) und Irres Wetter (2000). […]
Das Interview führte Thomas Köster / Goethe Institut (Juli 2011).
Das vollständige Interview: http://www.goethe.de/kue/lit/aug/de7849430.htm
With this volume, Susanne Ledanff has produced an overview of post-unification narrative writing set in Berlin with very substantial scope. [...] Ledanff’s book is undoubtedly an impressive achievement [...], the volume can be recommended to any reader interested in narrative responses to Berlin in the period since the fall of the wall.
Andrew Webber in „Modern Language Review“ (April 2013)