Die Anthologie Technische Zeit. Dichtungen erschien im Jahr 1929; sie enthält 27 Texte, davon 25 Gedichte; einer ist ein Auszug aus einem Roman (wenn man Robert Müllers Tropen aus dem Jahre 1915 denn so nennen will), ein weiterer ist ein teilweise leicht rhythmisiertes Prosa-Stück. Herausgegeben wurde die Sammlung vom ›Essener Bibliophilen-Abend‹, die Ausstattung besorgte Max (Hubert Innocenz Maria) Burchartz (1887-1961), die Textauswahl verantwortete Hannes Küpper (1897-1955).
Schon der Titel und die Ausstattung der Sammlung signalisierten, daß deren Erscheinen kein rein literarisches Ereignis darstellte; beiden haftete etwas Programmatisches an. Der Band läßt sich als ein Gegenstück zu der von Otto Wohlgemuth (1884-1965) 1923 herausgegebenen Lyrik-Anthologie Ruhrland. Dichtungen werktätiger Menschen lesen. Es handelt sich um einen privaten Gelegenheitsdruck, nämlich um die ‚Jahresgabe‘, die den Mitgliedern des ›Essener Bibliophilen-Abends‹ im Jahre 1929 zukam und die (wie eine Nachbemerkung kundtut) auch den Angehörigen der ›Maximilian-Gesellschaft‹ eingehändigt wurde, die sich zu deren 17. ordentlichen Mitgliederversammlung eingefunden hatten, die am 12. Mai 1929 in Essen stattfand. (Das andernorts vermerkte Datum 24. März dürfte einem Irrtum entsprungen sein.) Dementsprechend war die Auflage limitiert; es wurden lediglich 150 (numerierte) Exemplare hergestellt.
Der Anlaß des Erscheinens des Bandes prägte seine Ausstattung auf eine spezifische, kulturhistorisch programmatische Weise. Inwieweit auch Küpper durch diesen Anlaß in seiner Auswahl der Texte gebunden war, ist heute nicht mehr auszumachen, aber er mußte inhaltlich wohl nur bedingt auf Neigungen im Kreis seiner Auftraggeber Rücksicht nehmen, denn diese verteilten (in Form von ‚Gaben‘, d.h. von Stiftungen seitens Interessierter) im gleichen Jahr noch so disparate Drucke wie Kurt Wilhelm-Kästners Das Münster in Essen (Aufl. 150), Drei Sonette von Otto Wohlgemuth (mit zwei Originallithographien von Hermann Kätelhön, Aufl. 175) und Wilhelm Heinrich Riehls Der stumme Ratsherr (mit 54 Holzschnitten von Daniel Traub, Aufl. 500). So ist die deutliche Tendenz, die Küppers Zusammenstellung erkennen läßt, wohl in erster Linie seinen Vorstellungen von einer zeitgemäßen Industriedichtung zuzuschreiben. Eben diese Tendenz, in der sich regionale wie allgemeine kulturgeschichtliche Konstellationen der 20er Jahre niederschlagen, rechtfertigt es, den Band nach fast acht Jahrzehnten noch einmal vor Augen zu rücken.
Uwe-K. Ketelsen (Hg.)
Technische Zeit. Dichtungen
herausgegeben vom ›Essener Bibliophilen-Abend‹
Textzusammenstellung durch Hannes Küpper
Ausstattung durch Max Burchartz
Reprint der Originalausgabe Essen, 1929
Mit einem Nachwort von Uwe-K. Ketelsen
Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen Band 28
Reihe Texte Band 10
Anthologien aus der Arbeitswelt 4)
2008
ISBN 978-3-89528-658-2
100 Seiten
kartoniert
Uwe-K. Ketelsen, geb. 1938, ist Prof. em. für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum.
Hannes Küpper, bekannt geworden durch Gedichte auf Radfahrprofis und Meilenrekorde, hat 1929 einen Band zur technischen Zeit herausgegeben. […] Carl Sandburg, Bert Brecht, Oskar Maria Graf, um nur einige zu nennen, sind mit von der lyrischen Technik-Partie wie einige heute vergessene Arbeiterdichter. Bei ZVAB ist das Original von 1929 meist überhaupt nicht oder nur sündhaft teuer zu haben. Hier ist es seinen Preis wert.
In „Freitag“ (Berlin), 21.03.2008
[...] Insgesamt ist die Textauswahl aufschlussreich: Küpper und Burchartz stellten den kleinen Band, der nur eine Auflage von 150 nummerierten Exemplaren hatte, in die kulturellen Auseinandersetzungen um die Modernisierung und ihre Bewältigung. Sie setzten dabei, wie die Aufmachung und die Textauswahl zeigten, auf die Moderne und positionierten sich dabei – aus Essener Sicht – gegen die konservativere Bochumer Kultur, die etwa am dortigen Theater unter Saladin Schmitt oder in Otto Wohlgemuths Sammlung „Ruhrland“ Ausdruck fand, wie Ketelsen im Nachwort schildert. Dabei kennzeichnet er das Ruhrgebiet als besondere Kampfzone um die technische und kulturelle Moderne. Die Kulturpolitiker des Ruhrgebiets zielten darauf ab, den Anschluss an die bildungsbürgerliche Kultur herzustellen. In diesem Kontext waren Sammlungen, wie die Küppers und Buchartz' eher störend und irritierend modern. In dieses kleine Stück Gelegenheitskultur wieder Einblick zu gewähren, ist wohl das größte Verdienst des Bandes, den Uwe-K. Ketelsen nun wieder herausgegeben hat.
Walter Delabar in „literaturkritik.de“ (Juli 2009)
Die vollständige Rezension: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=13146
Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen Band 28
Reihe Texte Band 10
Anthologien aus der Arbeitswelt 4)
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