Das Persien-Bild in der deutschen Literatur erweist sich im europäischen Kontext der frühen Neuzeit als eine Erscheinung, die ihre Schwerpunkte in merkantilen und moralisch-geistigen Prozessen hat. Sie werden hier aus kulturwissenschaftlicher Sicht erforscht. Als ebenfalls unerforscht galt Persien bisher in den Studien der Komparatistik, obschon dieses Land und seine Kultur in der Kultur- und Geistesgeschichte Deutschlands frappierende Spuren hinterlassen haben. Hamid Tafazoli weist nach, dass das Zeitalter, in dem sich unser Denken in das Globale weitet, dem Grundgedanken der Aufklärung folgt, jedoch in einer anderen Dimension. Im Schrifttum des 18. Jahrhunderts nämlich bereitete Persien der Idee einer ästhetischen ‚Weltvereinigung‘ einen fruchtbaren Boden. Heute sprechen wir von Interkulturalität und Transkulturalität, von Nationalität und Internationalität. Und dennoch stehen wir vor der Frage nach dem Eigenen und dem Fremden – nach Alterität und Identität. Unbedacht wird nach dem utopischen Raum gesucht, an dem sich das Eigene und das Fremde zu einem globalen Ganzen fügen. Wir suchen aber das Fremde, indem wir zu uns finden. Diese Reise geht nicht allein in die fern liegende Fremde, sondern auch in das unbekannte Eigene, das aber weniger im Reisenden selbst zum Tragen kommt als vielmehr im Raum der Ferne, den er bereist.
Hamid Tafazoli
Der deutsche Persien-Diskurs
Zur Verwissenschaftlichung und Literarisierung des Persien-Bildes im deutschen Schrifttum.
Von der frühen Neuzeit bis in das neunzehnte Jahrhundert
2007
ISBN 978-3-89528-600-1
612 Seiten
gebunden
Hamid Tafazoli studierte an den Universitäten Teheran, Münster, Hagen, Kassel und am Goethe-Institut Deutsche Philologie, Allgemeine Sprachwissenschaft, Indogermanische Sprachwissenschaft, Volkskunde und Deutsch als Fremdsprache. Promotion 2006 mit dieser Untersuchung, die mit dem Sibylle-Hahne-Preis für Geistes- und Sozialwissenschaften 2006 der Universität Münster ausgezeichnet wurde. Zur Zeit ist er Lehrbeauftragter am Germanistischen Institut und im Lehrgebiet Deutsch als Fremdsprache der Universität Münster.
Dieses Buch schließt eine Lücke. Und was für eine. Da hat sich doch einer tatsächlich die Aufgabe gestellt und erfüllt, sämtliche bekannten und verfügbaren Primärtexte über den Einfluss persischer Kultur auf die deutsche Literatur zu sammeln, zu lesen und auszuwerten. Herausgekommen ist eine gut 600 Seiten starke Dissertation, die - das sei noch erwähnt - im letzten Jahr den Sibylle-Hahn-Förderpreis für Geistes- und Sozialwissenschaften erhalten hat [...].
Tafazolis Buch sei all denen empfohlen, die einen Eindruck gewinnen wollen von dem tatsächlich frappanten Einfluss der persischen Literatur auf das deutsche Schrifttum für den Zeitraum von 1600 bis 1900. Schließlich gelingt es dem iranischen Germanisten, durch die Rezeption nicht nur deutscher, sondern auch neuester persischer Forschungsliteratur ein ausgewogenes Urteil über den deutschen Persien-Diskurs abzugeben und damit auch ein Hauptanliegen der Arbeit zu erfüllen, nämlich selber eine vermittelnde Rolle zu spielen. Dass Tafazoli dabei aufgrund seiner Schwerpunktlegung auf Barock, Aufklärung und Goethe den Persien-Diskurs der deutschen Romantik nur ganz am Rande streifen kann, sei seiner Fleißarbeit nachzusehen. Das wäre freilich der Gegenstand einer neuen Untersuchung.
Behrang Samsami in „literaturkritik.de“ (Juni 2008)
Vollständig unter: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=11965
[...] The book could be a useful reference point in a post-secondary environment, as well as for readers who wish to inform themselves more thoroughly not only about the history of Persia, but also about Persia made famous by European travelers.
Kamakshi P. Murti in „Monatshefte“ (Vol 101, 4/2009)