Gödden, Walter: Aliens welcome!
Artikel-Nr.: 978-3-8498-1393-2Science-Fiction-Literatur aus Westfalen? Gibt es die überhaupt? Das Thema scheint nicht zur hiesigen Region zu passen. So dachten wohl viele. Denn in einschlägigen Kompendien findet es nicht statt. Dabei ist es ergiebig. Westfälische Autoren waren überall dabei, prägten das Genre auf ihre Weise mit. Und bereicherten es durch oft skurrile Spezifika: Welche andere Region kann schon mit einem Science-Fiction-Stoff in Plattdeutsch aufwarten, mit Science-Fiction in Form von Terzinen, als Anarcho-Comic oder als Superheld von nebenan mit hohem Schmusewert? Ansonsten befinden wir uns in einem Gemischtwarenladen, der vom Grusel-Schocker bis zur gesellschaftlich relevanten Dystopie, vom Trash bis zum tiefenpsychologischen Experiment alles im Angebot hat – ein buntes Mixtum aus Megasellern, Jugendsünden, hochambitionierten Weltverbesserungsfantasien, philosophischen Weltuntergangsszenarien bis hin zu Provokationen und übermütigem Nonsens. Literatur in ihrer ganzen Vielfalt also.
Auf jeden Fall ist Science-Fiction-Literatur ein Phänomen. Ihre Verbreitung gehorcht bestimmten Mechanismen und ausgeklügelten Distributionswegen. Was führte zu ihrem Erstarken in den 1950er Jahren? Welche Rolle spielten dabei Leihbibliotheken, die besonders zahlreich in Westfalen anzutreffen sind? Antworten auf solche Fragen gewähren Aufschluss über Mechanismen eines literarischen Marktes, auf dem sich Nerds und Enthusiasten ebenso tummeln wie »ernsthafte Wissenschaftler«. Das gilt auch für die erfolgreichste Weltraumserie aller Zeiten, »Perry Rhodan«, an der gleich mehrere westfälische Autoren mitschrieben und die nach wie vor jede Woche neu am Kiosk auf spannungshungrige Leser wartet.
Walter Gödden
Aliens welcome!
Science-Fiction-Literatur aus Westfalen 1904-2018
Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen, Band 80
2019
ISBN 978-3-8498-1393-2
604 Seiten
kartoniert
- Vorwort
- 1 Am Anfang kein Autor, sondern ein Verlagshaus. Bei C. C. Bruns in Minden erscheinen um 1900 Erstausgaben der Romane Paul Scheerbarts und H. G. Wells’ Die Zeitmaschine (1904)
- 2 Das seltsame Metall aus Atlantis. Hugo Wolfgang Philipps Erzählung Der Sonnenmotor (1922) verbindet Science-Fiction-Elemente mit der Kritik am deutschen Kaiserreich
- 3 Ausufernde Fantasie und ein Supermann. Noch einmal Hugo Wolfgang Philipp, der in seiner Erzählsammlung Bocksprünge (1923) die Stadt Köln an den Nil verpflanzt – selbstverständlich mit Dom
- 4 Vorsicht schlechter Trash! Walter Vollmers Roman Flug in die Sterne (1929) präsentiert einen müden Mondmenschen und stimmt ein Loblied der Heimat an
- 5 All together now. Carl Calcums Ingenieurroman Wall im Weltraum (1948) versöhnt eine gespaltene Welt und lässt kein Superlativ aus
- 6 Goethe, Schiller und Hegel anno 2025. Der sonst so ernste Heinrich Schirmbeck schießt 1957 in einer Science-Fiction-Satire Hektor auf den Mond und lässt Andromache Trauer tragen. Und die Weltöffentlichkeit nimmt Anteil an dem Spektakel
- 7 Hektor und Andromache zum Zweiten. Auch Heinrich Schirmbecks Alternativversion des Stoffes übt Medienschelte, steht diesmal aber pars pro toto für das Thema »Liebe im Weltraum«
- 8 Ein Künstler-Dandy im Laboratorium. Heinrich Schirmbecks Roman Ärgert dich dein rechtes Auge. Aus den Bekenntnissen des Thomas Grey (1957) thematisiert die Verantwortung des Wissenschaftlers im Atomzeitalter
- 9 Der Planet der tausend Freuden. Und Amerika in der Gewalt der chinesischen Großmacht. Eberhard Seitz’ Hilfe aus Andromeda (1958) ist ein typischer Roman aus dem Umfeld der Leihbibliotheken, die das Science-Fiction-Genre popularisieren
- 10 »Dichtung wird Science-Fiction werden müssen, einen anderen Weg gibt es nicht« Heinrich Schirmbecks Essay Eros, Weltraum, Science-Fiction (1964) erklärt Science-Fiction zur einzig möglichen Literaturform der Zukunft
- 11 Sorry, Mr. Armstrong, you’re late, Perry Rhodan war schon viel früher als Sie auf dem Mond. Die Erfolgsstory des Heftromans Perry Rhodan beginnt 1961 und noch immer ist kein Ende in Sicht
- 12 Wer hat Angst vorm gelben Mann? In Thomas R. P. Mielkes Romandebüt Unternehmen Dämmerung (1961) ist es nur einen Katzensprung bis zum Mars. Überhaupt ist im Leihbibliotheksroman alles möglich
- 13 Ein Schriftsteller rettet die Welt – und Mick Jagger hilft ihm dabei. Der später bekannte Drehbuch- und Krimiautor Ulf Miehe kooperierte bei seinem Romandebüt Der strahlende Tod (1967) mit der Science-Fiction-Ikone Clark Darlton
- 14 Hochbetrieb im »relaxing-room«. Wolfgang Körners Pop-Roman Nowack (1969) stellt die Schattenseiten der Wohlstandsgesellschaft bloß und entsorgt ausgemusterte Arbeitnehmer in eine von Stacheldraht gesicherte Wellness-Oase
- 15 »Garantiert ohne Vorwort von Wernher von Braun«. Jo Pestum fabuliert in Astronautenlatein (1970) ins Blaue des Weltalls hinein
- 16 Harry Chances verpasste Chance und ein roter Fleck auf dem Neptun. Thomas R. P. Mielke empfiehlt sich mit Science-Fiction-Reißern wie Rebellion der Verdammten (1972) für eine Karriere als »Psychokrieger« in der Werbung
- 17 Das Mädchen mit den Gedärmen um den Hals. Ludwig Homanns Roman Jenseits von Lalligalli (1973) spielt in einer surrealen Tyrannenwelt – und operiert mit Ekelbildern, die sich im Bewusstsein festsetzen
- 18 Die UNO macht Druck. Karl-Ulrich Burgdorf schrieb mit Delphinenspiele (1977) einen der ersten Öko-Science-Fiction-Romane
- 19 Die hässlich-schöne Jolanta im Beton-Baukasten auf dem Weg nach Nürnberg. Werner Zilligs Erzählungen bringen das psychologische Moment ins Spiel
- 20 Ein Autor »ungewöhnlicher Charaktere«. Der Serien-Schriftsteller Falk-Ingo Klee debütiert 1978 mit Das neue Leben
- 21 Es muss endlich Schluss sein mit all dem Gerede. Ulrich Horstmann fordert in seinem Hörspiel Nachrede von der atomaren Vernunft und der Geschichte (1978) die Vernichtung unseres Planeten
- 22 Die letzten Geräusche der Menschheit. Ulrich Horstmanns Hörspiel Die Bunkermann-Kassette (1979) ist ein musealer Abgesang auf eine Welt, die es nicht verdient hat, weiter zu existieren
- 23 Hilfe, das Alien ist da! Ulrich Harbecke spielt in Invasion (1979) ein Orson-Welle’sches Szenario durch
- 24 Nur ein kleiner Schritt zwischen dem Hier und dem Anderen. In seiner Erzählsammlung Der Regentänzer (1980) erweckt Werner Zillig nicht nur einen Computer, sondern auch einen Toten zum Leben und zeigt nebenbei die Gefahren eines Dating-Portals auf
- 25 Reisen in den Mittelpunkt des Gehirns. Ulrich Horstmanns Hörspiele der frühen 1980er Jahre sind weitere destruktive Planspiele eines Apokalyptikers
- 26 Geschichte rückwärts. Und endlich im Paradies. Hildegard Mayer-Trees Roman Sternsystem NCC 4565 (1980) treibt nicht nur die handelnden Akteure in die Verzweiflung
- 27 Elektrik-Mann 3301 auf Abwegen. Thomas R. P. Mielkes Roman Grand Orientale 3301 (1980) bietet einen Action-Mix vor dem Hintergrund ökologischer Zeitfragen
- 28 Berichte aus der »weißen Zeit« und vom Planeten »Ky-Ry«. Werner Zilligs Erzählungen der 1980er Jahre erzählen von fremden Welten, die unsere eigenen sein könnten
- 29 Erneut großes Kino. In Thomas R. P. Mielkes Roman Der Pflanzen-Heiland (1981) sorgen Graue Bullen und computergesteuerte Golems für Ordnung, haben aber gegen einen unendlich wachsenden Baum keine Chance
- 30 Falk-Ingo-Klees Heftroman Stadt der Außenseiter (1981) bringt endlich Atlan, Perry Rhodans Bruder im Geiste, ins Spiel und damit eine weitere klassische Science-Fiction- Abenteuerfigur
- 31 Bakterien auf dem Vormarsch. In Karl-Ulrich Burgdorfs Mini-Roman Delta Omicron (1981) braut sich im fernen Universum eine Katastrophe zusammen
- 32 »Dystopien sind nun mal spannender als Utopien«. Im Roman Das Sakriversum (1983) macht Thomas R. P. Mielke eine Kathedrale zum spektakulären Mittelpunkt zweier Zwergenstaaten
- 33 Eine halluzinative Welt unter der Erdoberfläche. In Werner Zilligs Roman Die Parzelle (1984) kommt ein Ahnungsloser mit übersinnlichen Phänomenen in Kontakt und bricht mit seinem bisherigen Leben
- 34 Insekten, die die Weltherrschaft übernommen haben. Dietrich Wachlers Roman Die Dreizehnte Tafel (1984) lässt eine uralte Prophezeiung Wirklichkeit werden
- 35 Ein Sagenheld, der mit dem Raumgleiter davonschwebt. Dietrich Wachlers Jean-Sibelius-Roman Väinämöinens Wiederkehr (1986) entführt in die magische Welt der finnischen Mythologie
- 36 Raumfahrer, die plötzlich ihr Herz für die Kunst entdecken und Zeitensprünge bis in die Antike. Werner Zilligs Hörspiele der 1980er Jahre loten die Möglichkeiten menschlicher Existenz unter anderen Vorzeichen aus
- 37 Jenseits der Grenzbereiche unserer normalen Wahrnehmung. Werner Zillig präsentiert ungeschriebene Geschichten, die dennoch existent sind, und eine Ärztin, die zur Hexe wird (1989)
- 38 Auf der Suche nach einem Schlupfloch im Universum. Außerdem lässt Dietrich Wachler in seiner Erzählsammlung Molekularisches (1990) beim Wiener Kongress Zombies auftreten
- 39 Wer hat die schönsten Schäfchen? In Ulrich Harbeckes Erzählungen der 1980er Jahre ist Schönheit unendlich – ein Fingerzeig auf die Hybris des technischen Fortschritts
- 40 Der schöne Salomon. In Werner Zilligs Novelle »Der neue Duft« diskutiert ein Parfümeur mit einem Androserven über Schopenhauer und Gott und die Welt
- 41 »Dass Menschen die Zeit so gar nicht verstehen«. In Werner Zilligs Geschichten der 1990er Jahre sitzt der Erzähler gemütlich mit einem weiblichen Alien am Kaffeetisch
- 42 »Lustvoll verdorbene Phantasie«. Gerhard Menschings Roman Die abschaltbare Frau (1990) erweckt eine Sex-Puppe zum Leben – mit ungeahnten Folgen
- 43 Endlich eine weitere Autorin. Die tragischen Balzgesänge der Vuliworps – belauscht und (1995) nachgedichtet von Sabine Wedemeyer-Schwiersch
- 44 Science-Fiction op Platt. In Georg Bührens Theaterstück Üöwergang (1997) besucht »Happy Tours« die letzten Reservate des ländlichen Lebens
- 45 Science-Fiction in Terzinen. Thomas Krüger Alarm auf Planet M (2004) ist eine muntere Chaos-Theorie in 23 Szenen
- 46 Ob in der Sexfalle oder in der Gehirnfabrik. Auch in Klaus Beeses Erzählungen ist das Unwahrscheinliche mit dem Alltag verknüpft
- 47 Über die (Un)Möglichkeiten, mit Heft 2391 in die Perry-Rhodan-Welt einzusteigen. Ein Selbstversuch anhand von Wim Vandemaans Heftroman Die schwarze Zeit (2013)
- 48 Perry Rhodan als Privatdetektiv – bevor er zu einer astralen Mission durchstartet. Mit Das rote Imperium: Die Zukunftsbastion (2009) legte Wim Vandemaan eine komplexe Zukunftsutopie vor
- 49 DDR forever. In Simon Urbans postmoderner Polit-Dystopie Plan D (2011) hat das »Bruderland« nie aufgehört zu existieren – mit aberwitzigen Folgen
- 50 Abrakadabra – Mailströme aus der Zeit nach der Rechtschreibreform. Ein Einblick in Ralf Theniors Schreibwerkstatt
- 51 »We had Joy, we had Fun«. Simon Urbans Roman Gondwana (2014) entführt auf eine paradiesische Südseeinsel, auf der sich die Weltreligionen ewigen Frieden geschworen haben und dennoch Morde passieren
- 52 Bernd Lucke als »Alt-Bundeskanzler« in Italien. Und ein Interview ohne Worte, das 2014 von Simon Urban aufgezeichnet wurde
- 53 In der »Creativ Cloud«. Jörg Albrechts Roman Anarchie in Ruhrstadt (2014) zeigt die Schattenseiten einer vollautomatisierten, rosaroten Kreativwelt
- 54 Opfer eines Hackerangriffs. In Karl-Ulrich Burgdorfs Erzählsammlung Der Schäms-Scheuß-Virus (2016) mischt sich James Joyce in eine ganz normale Kommunikation ein
- 55 Tödlicher, saurer Regen und mutierende Pflanzen, die Straßen aufreißen. In Hendrik Otrembas Über uns der Schaum (2017) ist selbst die Liebe ohne Hoffnung
- 56 Ganz privat im Alien-Universum mit Generalin Kleinschmidt alias Beate. Der Comic-Zeichner Jamiri lässt es in Spacejamiri (2016) richtig krachen
- 57 Mit Haribo und Heineken an der holländischen Küste, um Youtube-Videos zu schauen. In Josefine Rieks Roman Serverland (2018) beginnt das Internet-Zeitalter noch einmal von vorn
- 58 Endzeittrips mit sprechenden Krokodilen, Feen und zwei Außerirdischen, die sich spinnefeind sind. Jugendliche berichten in einer zehnbändigen Romanserie über die Klimakatastrophe und ihre Folgen
- 59 Hundert Jahre danach. Karl-Ulrich Burgdorfs Erzählung Die zweite Maschine wirft einen Blick auf Orwell’sche Szenarien in einer gewissenlosen Welt
- 60 Bonus Track: Ein Mann für gemütliche Abendstunden. Fünf Episoden aus dem Leben Padermanns, eines etwas anderen Superhelden
- Nachwort
Leseprobe: lp-9783849813932.pdf
