Im facettenreichen Œuvre W. G. Sebalds (1944-2001) erfährt das Marginale – das Randständige und Nebensächliche, das Ephemere, Flüchtige und Vergängliche – eine unverkennbare Privilegierung und ist dennoch ein bislang nur unzulänglich beschriebener Begriff geblieben. Die vorliegende Studie befragt erstmals umfassend das Gesamtwerk Sebalds nach dem Stellenwert des Marginalen. Detaillierte Quellenforschung am Nachlass des Autors lässt dabei die Verhandlung des Ephemeren in werkübergreifenden Motiven erkennbar werden: Materialismus und Poesie, Historiographie und Zeitlichkeit sowie ästhetisch-ethisch motiviertem Widerstand und Messianismus. Gemäß der Monadentheorie Walter Benjamins samt ihrem Verfahren des pars pro toto wird – so die Prämisse der Untersuchung – die historische ›Wahrheit‹, die Einsicht über den katastrophalen Verlauf der Zivilisationsgeschichte, in Sebalds literarischen und essayistischen Arbeiten zu einzelnen, gleichsam allegorischen Denkbildern ästhetisiert. So lässt sich das Marginale als formal und inhaltlich bestimmende produktionsästhetische Kategorie definieren.
Paul Whitehead
Im Abseits
W.G. Sebalds Ästhetik des Marginalen
2019
ISBN 978-3-8498-1274-4
280 Seiten
Klappbroschur
Paul Whitehead, Dr. phil., studierte Germanistik und Romanistik an den Universitäten Oxford (B.A.) und Mainz (M.A.). Er wurde an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit der vorliegenden Arbeit promoviert und ist ebendort wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut.
Leseprobe: lp-9783849812744.pdf
Die Studie von Paul Whitehead [...] weicht in erkenntnisbringender Weise von den übererforschten Kernthemen der Sebald-Philologie (Trauma, Exil, Erinnerung, Holocaust etc.) ab [...]. Aufschlussreich sind Whiteheads Archivstudien im Nachlass, insbesondere was die Auswertung der Lesespuren in S.s Bibliothek betrifft. Whitehead traktiert das Werk nicht mit ungeeigneten literaturtheoretischen Ansätzen, sondern optiert dafür, S.s »Poetik vor dem intellektuellen Hintergrund der europäischen Zwischenkriegsjahre [zu] verorte[n]«. [...] [Es gelingt W.] vielfach, der überbordenden S.-Forschung Neues hinzuzufügen. [...] Vom Gros der S.-Forschung hebt sich die Studie ebenso ab durch den Verzicht auf Jargon und überlange Quantität, die Berücksichtigung rezenter Sekundärliteratur und eine geringe Quote an sachlichen Fehlern im Hinblick auf biografische Daten. Sie zählt daher zu den empfehlenswerten S.-Dissertationen der letzten Zeit.
Uwe Schütte in „Germanistik“ (2019 Band 60 Heft 1-2)