In seinem großen Essay skizziert Rainer Rosenberg die Entwicklung von Habitusformen germanistischer deutscher Literaturwissenschaftler des 19. und 20. Jahrhunderts. Diese werden – anders als bei Bourdieu – exemplarisch ad personam beschrieben. So entsteht ein differenzierteres Bild, als es die gängigen Klischees vermitteln. Ein freundlicheres Bild ist es gleichwohl eher nicht geworden. Doch geht es hier eben nicht vorrangig um die wissenschaftlichen Leistungen des in dieser Geschichte handelnden Personals. Und dessen Habitusformen werden in dem Wissen beschrieben, dass künftige Wissenschaftshistoriker (sofern sie sich noch mit der Germanistik-Geschichte auseinandersetzen wollen) ihren kritischen Blick auch auf die Literaturwissenschaftler-Generation werden richten müssen, der der Verfasser angehört.
Rainer Rosenberg
Die deutschen Germanisten
Ein Versuch über den Habitus
AISTHESIS Essay Bd. 30
2009
ISBN 978-3-89528-746-6
172 Seiten
kartoniert
Rainer Rosenberg, geb. 1936, studierte von 1953 bis 1957 in Jena Germanistik und wurde 1959 von Joachim Müller zum Dr. phil. promoviert. Er arbeitete seit 1965 als wissenschaftlicher Mitarbeiter (Promotion zum Dr. sc. 1974) und von 1980 bis 1991 als Professor am Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR und von 1991 bis 2001 am heutigen Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin. Gastprofessuren in Siegen (1990/91), Pavia (1995) und Tokio (2000). Zur Fachgeschichte hat er neben zahlreichen Aufsätzen die Bücher Zehn Kapitel zur Geschichte der Germanistik. Literaturgeschichtsschreibung (1981), Literaturwissenschaftliche Germanistik. Zur Geschichte ihrer Probleme und Begriffe (1989) und Verhandlungen des Literaturbegriffs (2003) vorgelegt.
Leseprobe: 9783895287466.pdf
Dieser unbedingt lesenswerte Essay geht den Entstehungsbedingungen von Akteuren und Rollenmustern im Wissenschaftssystem nach. [...] Die aktuelle Forschungsliteratur umfassend nutzend, dokumentiert dieser Band die Potentiale einer germanistischen Wissenschaftsgeschichtsschreibung - und ist [...] eine nachhaltige Bereicherung unseres Wissens vom eigenen Tun.
R(alf) K(lausnitzer) in „Geschichte der Germanistik. Mitteilungen“ (35/36 2009)
[...] Rainer Rosenberg legt ein auf den ersten Blick schmales, bei genauer Lektüre jedoch gewichtiges Bändchen vor, das den Habitus deutscher germanistischer Literaturwissenschaftler von den Anfängen des Fachs in der Zeit nach den Befreiungskriegen bis hin zur Gegenwart nachzeichnet. [...] Sein Gang durch zwei Jahrhunderte deutscher germanistischer Literaturgeschichte ruft die Großen des Fachs auf und arbeitet die wichtigsten fachlichen Paradigmen heraus, angefangen bei der Editionswissenschaft bis hin zur gegenwärtigen Kulturwissenschaft. [...] Rosenberg betrachtet die vorliegende „Skizze“, die man mit Gewinn und Faszination liest, als Vorstufe für „eine weiter ausgreifende Untersuchung zum Habitus deutscher Geisteswissenschaftler“ (S. 11). [...]
Frank-Rutger Hausmann in „IFB - Informationsmittel für Bibliotheken“ (März 2010)
[...] Für die Zeit bis 1945 lässt sich sein Buch durchaus als zuverlässiger und gut formulierter fachgeschichtlicher Überblick lesen und taugt als Literaturangabe für jeden BA-Kurs zu diesem Thema; zumal Rosenberg exemplarisch deutlich zeigt, was er der vorliegenden Forschung zu verdanken hat. Die westdeutsche Entwicklung bis 1989 ist dann stimmig (aber raumbedingt etwas holzschnittartig) skizziert, die der überschaubareren DDR mit deutlicher Differenzierung zur Germanistik der Nazi-Zeit wie auch einfühlsam, was interne Konflikte angeht. Die unterschiedlichen Erfahrungen von Vertretern und Vertreterinnen der Generation, die das Exil in verschiedenen Ländern oder Inhaftierung in den Gefängnissen und Konzentrationslagern der Nazi-Diktatur erleben musste, sind ebenso berücksichtigt wie der Wandel der Sozialaufsteiger, die sich als neue Elite zunächst gegen die verbliebenen bürgerlich geprägten Ordinarien wendeten, in der späteren DDR aber zunehmend einer Eigenlogik der Wissenschaft folgten. [...]
Kai Köhler in „literaturkritik.de“ (Mai 2010)
Die vollständige Rezension: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=14291
[...] Der Verf. ist mit der Sekundärliteratur genauestens und umfassend vertraut, sie ist in die Anmerkungen eingearbeitet, ein Personenregister beschließt den Band. [...] Die Darstellung [fasst] die Forschung zusammen. [...]
Joachim Dyck in „Germanistik“ (2009, Heft 3-4)
Reiner Rosenberg´s essay provides a solid overview of the history of the discipline of Germanistik until 1945 and interesting insights into its development during the Cold War and beyond. […]
Donovan Anderson in „German Studies Review“ (34/3, 2011)
AISTHESIS Essay Bd. 30