Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist eine Übergangszeit, in der sich wissenschaftliche Literatur von der fiktionalen abzugrenzen beginnt, jedoch noch keine ausdifferenzierten methodischen Verfahren und Schreibweisen entwickelt hat. In diesem Zeitraum entstehen die satirisch-phantastischen Reisegeschichten um den Baron von Münchhausen. Die vorliegende Arbeit untersucht die Bedeutung der Münchhausiaden, die bereits ein Aussenblick, eine kritische Widerspiegelung der zeitgenössischen wissenschaftlichen Diskurse und deren textuellen Formen, aber auch deren selbstverständlicher und produktiver Bestandteil sind. In den Blick genommen werden speziell Darstellungen von Transportmitteln – sie sind besonders im Hinblick auf den Beginn der Ballonfahrten und die ersten Versuche, Schiffe mit Dampfmaschinen zu betreiben, interessant. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Darlegung von Funktionen und Wirkungsweisen der Lüge bei der Perspektivierung und Entstehung menschlicher Erkenntnisse. Die Studie geht auch der Frage nach, inwiefern die in den englischen und deutschen Fassungen differierenden Schreibweisen und kreativen Erkenntnisräume bis heute produktiv wirken können.
Melanie Beese
Münchhausens wunderbare wissenschaftliche Abenteuer zu Wasser und in der Luft und wie er diese zu erzählen pflegt
Eine literatur- und wissensgeschichtliche Studie zu den ‚Münchhausiaden‘ Rudolf Erich Raspes und Gottfried August Bürgers
2014
ISBN 978-3-8498-1051-1
316 Seiten
kartoniert
Melanie Beese ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Duisburg-Essen. Sie wurde dort mit der vorliegenden Arbeit promoviert. Sie entwickelt naturwissenschafts- und technikdidaktisch orientierte Modelle zum integrierten Fach- und Sprachenlernen. Mitherausgeberin des Lehrwerks „Sprachförderung in allen Unterrichtsfächern“ sowie des Themenheftes „Protokolle und Co. – Fachsprache entwickeln“ zur Sprachbildung im Biologieunterricht.
Leseprobe: 9783849810511.pdf
[...] Melanie Beese macht evident, dass die lange Zeit nur für Lügen- und Abenteuergeschichten gehaltenen Münchhausen-Versionen Raspes und Bürgers in ihrer Flugthematik durchaus auch auf realen Errungenschaften basieren. Die Texte gestalten nicht nur umfassend die technischen Aspekte – die viel diskutierten Anwendungsmöglichkeiten der Luftfahrt, insbesondere die lange als Problem geltenden Möglichkeiten der Steuerung und der horizontalen Bewegung –, sondern formulieren auf der Metaebene zugleich innovative Überlegungen zu Grenzüberschreitungen in gesellschaftlicher wie philosophischer Hinsicht oder deuten menschliches Fliegen als Symbol neuer gewonnener Freiräume, Phantasieerweckungen und Spekulationsanreize. [...] [Beese] breitet eine Fülle latenter Aspekte dieser der erzählten Abenteuer innewohnenden Substanz aus und weist interpretatorisch nach, in welch erstaunlichem Masse die Münchhausen-Dichtungen unter den prahlerischen Übertreibungen und grosssprecherischen Selbstinszenierungen ihrer Sprecher oder deren lakonischen Understatements neben realen Fakten auch utopisches Potential bergen. [...]
Günter Häntzschel in „arbitrium“ (2016; 34(3))