Etwa zwei Jahre nach der Regierungsübernahme durch die NSDAP schrieb Hans Erich Nossack (1901-1977) sein Drama Der Hessische Landbote. Es war bereits sein siebtes Bühnenstück, blieb jedoch, wie die anderen auch, unpubliziert. Bekannt geworden ist Nossack nach 1945 als Erzähler und Romancier. Seine frühen Dramen, die er retten und rekonstruieren konnte, erklärte er für »verbrannt«. Sie gilt es noch zu entdecken.
Der Hessische Landbote ist eine filmisch angelegte, kunstvoll verdichtete Szenenfolge über Georg Büchner, seine Mitverschwörer und seine Verfolger. Es ist ein Stück über politisch-revolutionäres Handeln und seinen Preis und zugleich ein Stück über das Schreiben unter den Bedingungen einer Diktatur. Damit ist es gleichermaßen ein Beitrag zur Literaturgeschichte der »Inneren Emigration« wie ein seltenes Zeugnis zur Rezeption Georg Büchners aus dieser Zeit.
Nossacks »deutsches Trauerspiel« wird hier, im Jahr von Büchners 200. Geburtstag, zusammen mit einem ausführlichen Nachwort erstmals der Öffentlichkeit vorgelegt.
»Die geschichtlichen Parallelen boten und bieten sich wie von selber an; man ist versucht, von einem spezifisch deutschen Schicksal zu sprechen. Denken wir nur an die Hauptpersonen: Büchner lehnt sich aus humanistisch-fortschrittlichen und Rektor Weidig aus religiösen Gründen auf. Oder denken wir an August Becker, den ›roten‹ Becker, den revolutionären Aktivisten, vermutlich mit dem illegalen Blick, wie wir ihn alle kennen. Und von der Gegenseite brauchen wir nur einen so reinen Gestapotyp wie Georgi zu erwähnen, den bürokratischen Henker, der im deutschen Kleinbürger auf der Lauer zu liegen scheint. Die Namen lassen sich unschwer mit Namen aus der jüngsten Vergangenheit auswechseln.«
Hans Erich Nossack
Der Hessische Landbote
Ein deutsches Trauerspiel
Hrsg. von Gerald Funk und Tilman Fischer
AISTHESIS Archiv 18
Vormärz-Studien XXVII
2013
ISBN 978-3-89528-989-7
106 Seiten
kartoniert
Leseprobe: 9783895289897.pdf
[...] Die vorliegende Erstveröffentlichung dieses „deutschen Trauerspiels“ im Büchner-Jubiläumsjahr erweitert nicht nur die literaturwissenschaftliche Sicht auf den Schriftsteller Nossack und sein Selbstverständnis als Autor, sondern ist zugleich ein Stück Literaturgeschichte der »Inneren Emigration«. Es lässt sich als dramatische Selbstreflexion Nossacks über die Frage des politisch-revolutionären Handelns unter den Bedingungen einer Diktatur lesen. Zugleich bietet die filmisch angelegte Szenenfolge eine dramatische Innenansicht revolutionärer Prozesse und ihres immer auch möglichen Scheiterns sowie ein seltenes Zeugnis der Rezeption Georg Büchners zwischen 1933 und 1945. Der Band enthält zudem ein ausführliches Nachwort, das sowohl die komplizierte Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte des Stücks dokumentiert als auch seine brisante literarhistorische Stellung darlegt.
Redaktioneller Hinweis in „literaturkritk.de“ (Juli 2013)
Der komplette Text: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=18088
[...] Die Wiederentdeckung [dieses] verschollen geglaubten deutschen Trauerspiels „Der Hessische Landbote“ ist ein bemerkenswerter Fund zur literarischen Büchner-Rezeption. [...] Für die deutsche Literatur der inneren Emigration bedeutet der wiederentdeckte Text ebenso wie für die Büchner-Rezeption eine wichtige Quelle. [...]
Alexander Košenina in „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (1. August 2013)
[...] Dieses Bühnenstück Nossacks [...] zeigt, welchen hohen Preis politisch-revolutionäres Handeln unter gesellschaftlich autoritärer Herrschaft hat. [...]
Hans-Joachim Müller in „Butzbacher Zeitung“ (10.10.2013)
[...] Das Nachwort auf 29 Seiten des schmalen Bändchens von insgesamt 106 Seiten liefert, mit präzisen Quellenangaben versehen, eine kleine, aber informative Geschichte der Literatur zur Zeit der Nazis und nach dem Krieg, zu einem Autor, der in der inneren Emigration schrieb und zu publizieren versuchte bzw. nach dem Krieg als Schriftsteller sich einen Namen machte, und dazu eine Geschichte seiner Rezeption von Georg Büchners «Hessischem Landboten», 100 Jahre vorher verfasst. [...]
Haimo L. Handl in „artCore“ (kultur-online.net, Dezember 2013)
Zur kompletten Rezension: http://kultur-online.net/node/25660
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