»Ruth Römer hat die Herausgabe vorliegender Sammlung mit großem Engagement betrieben. Ihr Anliegen, verstreute und teilweise nur noch schwer erreichbare Aufsätze aus ungleichen biographischen und politischen Kontexten eines halben Jahrhunderts erneut zugänglich zu machen, barg von Anfang an mehr als die historische Dokumentation der Ergebnisse ausgesprochen vielseitigen sprachwissenschaftlichen Forschens, origineller Fragestellungen und eines immer wieder entwaffnenden Stils. Ihre Intention war letztlich darauf gerichtet, ihr Vermächtnis „für meine Freunde“ bereitzustellen. Mit dem Erscheinen dieses Bandes erlangt es unerwartete Aktualität: Ruth Römer verstarb am 21. Juni 2011 nach kurzer schwerer Krankheit, ohne die Redaktion ihres letzten Buches noch selbst abschließen zu können.
Wer das Glück hatte, eine über zwei Jahrzehnte währende Freundschaft und Gesprächspartnerschaft mit ihr zu teilen, darf dankbar zurückblicken auf den Austausch von Gedanken und Erfahrungen, der nicht selten ihrer politischen Vita galt. Aufgewachsen im Nationalsozialismus, prägten Krieg und Entbehrung ihre Kindheit. Mit sechzehn Jahren überlebte sie die Zerstörung Dresdens – ein Lebenstrauma. Als junge Frau wurde sie „glühende Kommunistin“ und Parteimitglied der SED sowie Inhaberin eines Studienstipendiums der DDR. Ihr Insiderwissen veranlasste sie bald zu kritischen Fragen und aufmüpfigem Verhalten, schließlich zur Flucht, wie ihre Stasiakte anschaulich dokumentiert. Als Zeitzeugin ‚im Westen‘ bewahrte sie ihre kritische Haltung und wurde niemals müde, Freiheit in einem umfassenden Sinn als erstes elementares Gut moderner Demokratie gegen alte und neue ‚Utopisten‘ zu vertreten.
Im Medium der Sprache, der Sprachreflexion, jedoch entdeckte sie nicht nur politisch Hintergründiges und manche Schleichwege ökonomischer Instrumentation, sondern auffallend oft genuin Humoristisches. Sprache, beim Wort genommen, konnte sie leicht in den Zustand ausgelassener Heiterkeit versetzen. Die Lektüre dieser Aufsätze macht die Vielseitigkeit ihrer Persönlichkeit lebendig, deren jugendlicher Witz, deren unbestechliches Urteil, deren Humanität ihre Wirkung nicht verfehlen.«
In diesem Band sind Aufsätze aus fünf Jahrzehnten versammelt; es sind Zeugnisse sowohl einer Wissenschaftsbiographie als auch der Geschichte der Germanistik in Ost- und Westdeutschland. Der Schwerpunkt der Studien liegt im Bereich der Sprachwissenschaft. Dort geht die Autorin insbesondere der Frage einer ideologisch überformten und interessegeleiteten Sprachverwendung auf den Grund. So ist Anzeigenwerbung ebenso ihr Untersuchungsgegenstand wie Beispielsätze aus grammatischen Lehrwerken und offizielle Verlautbarungen der DDR-Administration.
Ruth Römer
Sprache, zur Sprache gebracht
Aufsätze zur Intentionalität sprachlichen Handelns
2011
ISBN 978-3-89528-861-6,
269 Seiten
kartoniert
Ruth Römer, Prof. Dr. phil., studierte 1947 bis 1952 Germanistik, Philosophie und Geschichte an der Universität Leipzig. Nach dem Staatsexamen arbeitete sie zunächst im Verlag, anschließend war sie Assistentin an der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Ostberlin. 1960 Übertritt in die Bundesrepublik Deutschland. 1961 bis 1963 Mitarbeit in der Gesellschaft für deutsche Sprache in Lüneburg. 1963 bis 1971 Assistentin am Germanistischen Institut der Universität Bonn. 1966 Promotion mit der Studie Die Sprache der Anzeigenwerbung, die in sechs Auflagen erschien. 1971 Berufung an die Pädagogische Hochschule Bielefeld. Habilitation und Professur für deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik. Nach dem Aufgehen der Pädagogischen Hochschule in der Universität Bielefeld das gleiche ebendort. Seit 1990 im Ruhestand. Ihre Hauptarbeitsgebiete sind die deutsche Sprache der Gegenwart und der Einfluß von Politik und Ideologie auf Sprache, Sprachwissenschaft und Sprachwissenschaftler in Deutschland. Buchveröffentlichungen: Die Sprache der Anzeigenwerbung, 1968 (6. Aufl. 1980). Bearbeiterin und Herausgeberin der Leipziger Vorlesungen von Ernst Bloch über die Geschichte der Philosophie, 4 Bde, 1985. Bei Aisthesis erschien von ihr Verstand Kassandra Griechisch? Sprachschranken im Drama (1999).
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