Wer je eine Lesung Ernst Jandls miterlebt hat, wird die besondere Art und Weise nicht vergessen, in der er Stimme und Artikulationsorgane, bisweilen den ganzen Körper einsetzte, um seine Texte zum Tönen zu bringen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, daß es sich – im Unterschied zu allen Thomas-Mann-Portraits etwa – bei diesen Bildern um solche handelt, die den Dichter bei der Arbeit am Sprachmaterial zeigen. Der Autor inszeniert nicht sich selbst, sondern seine Texte, er interpretiert sie, verleiht dem Geschriebenen oder bereits Gedruckten ein akustisches Profil, er lädt das Material mit Gefühl auf und läßt – in unverwechselbarer Weise – dessen lautliche und rhythmische Eigenschaften bewußt werden.
Die hier wiedergegebenen Arbeiten des Fotografen Harry Ertl lassen erkennen, daß Fotografie sich nicht im rein technischen Vorgang bloßen ‚Abbildens‘ erschöpft, sondern durchaus über ein eigenes Register künstlerischen Gestaltens verfügt. Ertl läßt sich auf die technische Apparatur ein, er weiß ihre Möglichkeiten auszuschöpfen und an ihre Grenzen zu gehen. Auf diese Weise transformiert er Licht-Bilder in Kunst.
Jandls Lesungen stellen ein eminent wichtiges Element seines literarischen Gesamtwerks dar; nicht zufällig rührt seine öffentliche Bekanntheit von der Schallplatte Laut und Luise her, und glücklicherweise gibt es eine große Menge publizierter Tondokumente. Die visuelle Seite Jandlschen Lesens, die nuancenreiche Mimik und Gestik des Vortragskünstlers Jandl auf hohem künstlerischen Niveau fixiert zu haben, ist das Verdienst des Fotografen Harry Ertl.