Die vorliegende Studie nimmt ihren Ausgang von dem Spannungsfeld, das zwischen der kulturwissenschaftlichen Beschreibung des Bestattungsrituals und dem literarischen Erzählen seines Scheiterns abgesteckt werden kann. Ausgehend von der Annahme, dass das um 1900 in ethnologischen und soziologischen Texten erarbeitete Schema der ›Rites de Passage‹ narrativ strukturiert ist, lässt sich der Dreischritt aus Trennung, Übergang und Angliederung als ›Bestattungsnarrativ‹ deuten, das den Abschluss der Trauer um die Toten organisiert. Im Zusammenhang mit Gewaltdiskursen nach 1945, in denen Bestattungen oft ausbleiben, wird der literarische Text zum wichtigen Medium der Auseinandersetzung mit den Grenzen der ritualisierten Ausgliederung von Gewaltopfern: Bestattungsnarrationen wie Bachmanns »Das Buch Franza«, Gordimers »The Conservationist« oder Morrisons »Beloved« stellen Inszenierungen unabgeschlossener Trauer dar, durch die das etablierte Narrativ um fragende und klagende Stimmen erweitert wird.