Erhellend zu lesen ist bei Donahue [...] die spezifische Sachlage, die der Autor aus den USA zu berichten weiß. Hier wartet sein Band mit Einblicken auf, die für deutsche Schlink-Kritiker neu und überaus beunruhigend anmuten. Wer gedacht hatte, die notorische Abwehr der NS-Schuld sei vor allem ein Problem des deutschen Feuilletons beziehungsweise einer wachsenden Anzahl bereits hoffnungslos geschichtspolitisch indoktrinierter BA-Studierender, die vom Holocaust lieber gar nichts mehr wissen wollen, wird hier unerbittlich eines Besseren belehrt: Offenbar sind auch die amerikanischen Verhältnisse kaum besser.
Gleichzeitig berichtet Donahue von internationalen Akademiker-Begegnungen, die schockieren: Bei einem Forschungsaufenthalt in Deutschland wurde der Autor mit seinen US-Kollegen noch 1996 von einem hochrangigen Beamten des Verteidigungsministeriums mit dem „barschen“ Hinweis begrüßt, die nachfolgenden Generationen der nationalsozialistischen Vergangenheit doch bitte in Zukunft nicht mehr allzusehr mit diesem unliebsamen Thema, das gewiss wichtig sei, zu behelligen. [...]
[Er] geht [...] insbesondere auch mit neueren Auswüchsen der Shoah-Relativierung in den USA hart ins Gericht. An Donahues akribischer Demontierung international virulent gewordener Schein-Argumentationen, Verharmlosungsstrategien und emotionalisierend vorgetragener ‚Melodramatisierungen‘ der deutschen Shoah-Schuld in Schlinks „Vorleser“ und dessen Verfilmung sollte man in Zukunft jedenfalls nicht mehr achtlos vorbeigehen – auch wenn man dafür in Kauf nehmen muss, das Fehlen theoretischer Interpretations-Begründungen in Donahues wissenschaftlicher Argumentation mit wohlwollender Nachsicht zu behandeln.
Jan Süselbeck in „literaturkritik.de“ (Juli 2011)
[…] Der US-Literaturwissenschaftler William Collins Donahue hat zuletzt in seinem Buch „Holocaust Lite“ Schlinks geschickte Rhetorik in dem Welterfolg „Der Vorleser“ analysiert: Gerade die Skrupel des Protagonisten Michael Berg, der immer wieder an seinen eigenen, die „Vergangenheitsbewältigung“ der 68er relativierenden Überlegungen zweifelt, seien eine zentrale Komponente von Schlinks Überzeugungsstrategie. […]
Jan Süselbeck in „konkret“ (12/2011)
[…] Es ist Donahues Buch zu wünschen, dass es in Deutschland, wo Schlinks „Der Vorleser“ im Allgemeinen erstaunlich unkritisch aufgenommen wurde, gelesen und diskutiert wird. Und auch für die deutsche Germanistik wäre es sicherlich fruchtbar, sich mit den in diesem Buch vorgebrachten Einwänden gegen eine allzu „leichte“ Holocaust-Literatur auseinanderzusetzen. […] Donahue ist mit seiner Studie eine wichtige und überfällige kritische Auseinandersetzung mit Bernhard Schlinks „NS-Romanen“ gelungen. […]
Nora Bierich in „Weimarer Beiträge“ (1/2012)
[…] Der US-Literaturwissenschaftler William Collins Donahue […] hat Schlinks geschickte literarische Rhetorik einer deutschen Schuldabwehr in dem beispiellosen Welterfolgs-Roman „Der Vorleser“ (1995) mehrfach kritisch analysiert - zuletzt in seinem Buch „Holocaust Light“ (2011): „Der Vorleser“ ist demnach ein Anti-'68er-Roman reinsten Wassers, der die Erinnerung an die deutsche Schuld geradezu pathologisiert. Und zwar trotz aller Zweifel und Skrupel des Protagonisten Michael Berg an seinen relativierenden Überlegungen: Laut Donahue stellen gerade diese Selbstzweifel eine zentrale Komponente der ‚Überzeugungsstrategie‘ von Schlinks Roman dar. […]
Jan Süselbeck in „literaturkritik.de“ (Mai 2012)
Zum vollständigen Artikel: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=16560
[…] Somit gelingt dem Autor ein umfassendes Interpretationsinstrumentarium, das einen kritischen Zugang zur gesamten gegenwärtigen Literatur der sog. Vergangenheitsbewältigung eröffnet. Der ersichtliche Gewinn der vorliegenden Studie liegt zusätzlich im Zugriff auf ein beachtliches Korpus an deutschen und US-amerikanischen Zeitungsrezensionen sowie Unterrichtshilfen zu Der Vorleser. Die Arbeit polemisiert mit den aufwertenden Interpretationslinien, die den Vorleser als Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Holocaust und den NS-Verbrechen popularisieren (Kap. 4). Damit geht sie über die Diskussion um Schlink hinaus und hinterfragt generell das Potenzial der Populärkultur, einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung zu leisten. Donahue schließt hier teilweise an die seit den 1970er Jahren fortdauernde Debatte zur Legitimität der Fiktionalisierung des Holocaust an und fragt, „inwiefern eine ,packende‘ Geschichte als Ersatz für die mühselige Arbeit historischer Recherche“ (S. 37) zur Annäherung an das Thema Holocaust gelten kann. Auch er beobachtet die Gefahr der Banalisierung und Relativierung, indem mildernde und schonende Konstrukte der Populärkultur sich der sozialen Verantwortung entziehen, die Verbrechen aus dem Zusammenhang reißen und für das Exemplarische stehen. Der Autor hält eindeutig fest, dass die sog. „Beschwichtigungsliteratur“ (S. 85) keinen Ersatz für historische Recherchen bieten kann und darf. Trotz weithin bekannten Materials und scheinbar eindimensionaler Fragestellung gelingt es der vorliegenden Studie, eine Komplexität zu entwickeln, die weitere Forschungsfragen eröffnet. […]
Dominika Borowicz in „Zeitschrift für Germanistik“ (3/2012)
[…] Donahues Argumentation überzeugt dabei nicht nur in den Detailanalysen der Texte und der Kontextualisierung von Schlinks Romanen im Umfeld der Debatten um die faschistischen Vergangenheit in Deutschland, sondern auch weil sie für den Erfolg dieser Romane eine einsichtige Erklärung liefern kann. […] Es handelt sich bei Donahues Studie um einen lesenswerten und informativen Band, der wichtige Einblicke in das, was man „Holocaust-Literatur“ nennt, ermöglicht. Es ist zu begrüßen, dass dieses wichtige Buch jetzt auch in einer deutschen Fassung vorliegt. […]
Thomas W. Kniesche in „Monatshefte“ (4/2012)
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