[...] Ein unbedingt empfehlenswertes Buch, geeignet, das Herz des „Amateurs“ zu erwärmen. [...]
Aus einer Kundenrezension bei „Amazon“ (3. Juni 2011)
In Eduard von Keyserlings (1855-1918) Werk spielt Farbe mehr als eine illustrierende Rolle: Sie wirkt „dekontextualisierend“. Keyserling will durch ihren Gebrauch nicht illustrieren, sondern „Räume der Einbildungskraft erweitern“. Im Werk des baltischen Dichters verlieren Farben ihren funktionellen Charakter und bekommen einen eigenen ästhetischen Wert, Gegenstand und Farbe stehen hier gleichberechtigt nebeneinander.
Bei Keyserling ist Farbe „dekadenzanzeigend und bricht zugleich die Dekadenz, die sie darstellen soll“. Dekadenz bedeutet hier vor allem: Kontextlosigkeit, oder besser: Dekontextualisierung. Die Farbe weist ihren Kontext ab, und eben dies bildet die Pointe des Keyserling’schen Beschreibungsstils: Im Absehen von der kontextuellen Bedingung werden die Dinge deutlich – gerade weil sie nicht zur Deutlichkeit gezwungen und zur Verdeutlichung eingesetzt werden. Keyserlings Dekontextualisierung als Kontextualisierungsform der Moderne zeigt sich an den Farben, wie Sandra Markewitz in diesem Band anhand einer Analyse der Texte Keyserlings darlegt.
Die Besonderheit der Farbe dabei ist, dass sie „selbst etwas will“, zum Akteur wird. Was Farben hier „wollen“, so Markewitz, ist die Diversifizierung von Sinn und die Ausdehnung möglicher Felder von Bedeutungen. Die Farben in Keyserlings Werk tauchen ihre Gegenstände in eine Stimmung ein und scheinen zwischen den Polen des Objektiven und des Subjektiven zu oszillieren.
Die literarische Präsentation erweitert den Stil der Malerei, der ihr Vorbild war. Impressionistische Schilderung verschiebt sich von der Produktions- auf die Rezeptionsweise, ist „wahrnehmungsbasiert“ und damit „notwendig plural“. Kontextualisierung durch Dekontextualisierung, Verlangsamung der Wahrnehmung, Autonomisierung durch Farbe – diese Attribute des Keyserling’schen Werks zeichnet Markewitz in dessen Tableaus nach.
Der literarische Impressionist steht zwischen den Möglichkeiten der Dichtung und der Malerei und macht daraus ein Drittes: „das autonomisierende Farb-Bild“.
Redaktionelle Ankündigung in „literaturkritik.de“ (Juli 2011)
[…] Im Kern richtet sich die Lesart der Verf. gegen die „üblichen Interpretationsweisen“, welche die Farbe primär als „Signalzeichen für Handlungen“, d.h. als untergeordnete Funktion des Erzählgehalts verstehen. Demgegenüber behauptet die Verf., dass die Farbe bei K.[eyserling] „für sich selbst ein- und aus dem Spiegel- und Illustrationsverhältnis zum Gegenstand heraus[tritt].“ Der Gedanke ist in dem Maße innovativ, wie es der Verf. gelingt, die bisher überwiegend nur kulturatmosphärisch bzw. biographisch hergeleitete Zugehörigkeit des Autors zur europäischen Dekadenz als Verfahren der Freisetzung von Textelementen aus ihrem funktionalen (hier: beschriebenen) Zusammenhang zu deuten. […]
Ingo Stöckmann in „Germanistik“ (2011, Heft 3-4)
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