Autoreninfo |
Christina Ujma, Dr. phil., 1980-1986 Studium der Germanistik, Anglistik, Politologie und Kunstgeschichte in Göttingen, London und Marburg. Nach Lehrtätigkeiten an den Universitäten Marburg und Pisa seit 1994 Dozentin für Germanistik am Fachbereich European Studies der Universität Loughborough, GB. 1994 Promotion mit der Arbeit Ernst Blochs Konstruktion der Moderne aus Messianismus und Marxismus. Erörterungen mit Berücksichtigung von Lukács und Benjamin (Metzler 1995). Seither zahlreiche Veröffentlichungen zur neueren und älteren Frauenliteratur, zur Wahrnehmung Italiens in der deutschen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, zur Europäischen Romantik, Kritischen Theorie, Weimarer Republik, klassischen und weniger klassischen Moderne.
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Aus der Kritik |
Die Arbeit analysiert die Reisebeschreibungen Fanny Lewalds als Werke, die in den wenig erforschten Traditionen der weiblichen und der kritisch-alternativen Italienbeschreibung stehen. 1845, als die junge deutsch-jüdische Schriftstellerin erstmals nach Italien aufbrach, suchte sie, ganz in der Tradition der grand tour, Bildung und Welterkenntnis. In ihrem „Italienischen Bilderbuch“ wie im „Römischen Tagebuch“ beschreibt sie aber keine Museumslandschaften, sondern die Volksfeste und das Theater, das sich auf italienischen Straßen abspielt. Im zweiten Reisebericht, „Ein Winter in Rom“ (1866/67) geht es darum, wie der Erfolg des Risorgimentos und der daraus resultierende Prozess der Nationenbildung italienische Städte verändern. Thema der Studie ist immer wieder Fanny Lewalds Schilderung der deutsch-römischen Geselligkeit, in der kosmopolitische Intellektuelle aus ganz Europa zusammentrafen. Die Aufarbeitung der Salons und Zirkel in der Analyse des „Italienischen Bilderbuchs“ wie des „Winters in Rom“ betritt genauso wissenschaftliches Neuland wie die Analyse von Lewalds Reisebriefen der Jahre 1876/77. In diesen Jahren wurde die ‚Ewige Stadt‘ zur Hauptstadt umgebaut, was unter vielen nordeuropäischen Italienliebhabern zu hitzigen Debatten führte. Im Vordergrund der Analyse der Reisebriefe stehen die veränderte Physiognomie Roms und Lewalds Einschätzungen des Risorgimentos samt seiner Protagonisten Mazzini und Garibaldi. Die wenig erforschte Italienrezeption der Gründerzeit wird analysiert und aufgezeigt, dass politisierte und kulturelle Italienrezeption keinen Widerspruch bilden müssen, denn italienische Kunst und Kultur kommen bei Lewald selten zu kurz. Besonders ihre letzte Reisebeschreibung „Vom Sund zum Posilip. Briefe aus den Jahren 1879 bis 1881“ schafft es immer wieder, den Zauber italienischer Städte lebendig werden zu lassen, was nicht zuletzt durch intensive Beschreibung der sinnlichen Qualitäten des urbanen Lebens gelingt.
Buchvorstellung in „literaturkritik.de“ (April 2007)
Christina Ujma hat mit ihrem Buch eine gelungene und abgerundete Studie zur deutschen Italienrezeption im 19. Jahrhundert verfasst, die sicher das Gleichgewicht wahrt zwischen Lewalds Autobiographie und den zahlreichen Diskursen, in die ihre Reisen eingebunden sind. Sie stellt Lewald als eine Autorin vor, der man durchaus eine Vorreiterrolle in der intellektuellen und weltanschaulichen Wandlung der Italienbegeisterung zuschreiben kann. Aufgrund des flüssigen und lockeren Stils, dem man die Begeisterung der Autorin für ihren Gegenstand anmerkt, ist das immerhin fast 500 Seiten starke Buch gut lesbar. [M]an kann das Werk nur jedem empfehlen, der sich mit den deutsch-italienischen kulturellen und literarischen Beziehungen im 19. Jahrhundert beschäftigt.
Rainer Zuch in „Marburger Forum“. Beiträge zur geistigen Situation der Gegenwart (Heft 4/2007)
Vollständig: http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2007-4/Zuc_Uj.htm
[...] Vor dem Hintergrund der traditionellen Italienberichte analysiert Christina Ujma Lewalds bisher wenig erforschte Leistung auf diesem Gebiet, die darin besteht, den politischen Prozeß der Nationenbildung nach dem italienischen Risorgimento sowie die politischen und kulturellen Veränderungen Italiens sichtbar zu machen und gleichzeitig die Faszination des Sehnsuchtslandes Italien zu vermitteln, eine einzigartige Mischung aus literarischem und politischem Reisebericht also, die der klassischen Gattung des Italienberichts einen völlig neuen Anstrich verleiht und von einem Paradigmenwechsel kündet: weg von der Antike zum Italien der Italiener! Damit steht Lewald eher in der Tradition Byrons und der englischen Romantik als des deutschen Klassizismus […]. Mit ihrer Sympathie für das als rückständig geltende Italien grenzt sich Lewald gegenüber ihren Schriftstellerkollegen aus dem Vormärz ab; ihr gelten die in Deutschland und Italien herrschenden Verhältnisse als prinzipiell verwandt und vergleichbar: Kleinstaaterei, politische Zersplitterung und ungerechte Privilegien der Herrschenden kritisiert sie in beiden Ländern. Aus der Perspektive der Vormärzautorin wird quasi im Vorübergehen ein Bild der politischen Verhältnisse in Italien gezeichnet. Ihre Sympathie für Genua resultiert vor allem daraus, dass Jakobiner, Carbonari und Junges Italien hier ihre Hochburg hatten, im rebellischen Bologna steht die Diskussion politischer Zustände gar im Mittelpunkt. […] Es war die Absicht von Christina Ujmas breit angelegter, kenntnisreicher und informativer Untersuchung [...], gleichzeitig vernachlässigte Aspekte der deutschen Italienrezeption des 19. Jahrhunderts und die Italienrezeption einer noch immer vernachlässigten Autorin aufzuarbeiten. Das ist ihr gelungen; gelungen ist es ihr auch, nachzuweisen, dass Fanny Lewald auch im Nachmärz als »eminent politische Autorin« (S. 233) anzusehen ist, dies bekunden die Reisebeschreibungen deutlicher als die Romane und Erzählungen. [...] Es bleibt zu wünschen, dass die wenig erforschte Autorin auch wieder mehr gelesen wird.
Gabriele Schneider in „Heine-Jahrbuch 2007“
[...] Ujmas Monographie stellt eine lesenswerte Untersuchung zur Entwicklungsgeschichte des Reiseberichts vom Vormärz bis zur Gründerzeit, zu Organisationsformen des Reisens sowie zur Sozialgeschichte von Lewalds deutschem und italienischen Umfeld dar und erhält ihre Relevanz besonders dadurch, daß mit ihr ein schon lange formuliertes Forschungsdesiderat eingelöst wird. [...]
Bernhard Walcher in „Jahrbuch Forum Vormärz Forschung 2007“
[...] Insgesamt betrachtet, liefert diese [Studie] einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der Reiseliteratur des 19. Jh. [...]
Erdmut Jost in „Germanistik“ (3-4, 2007)
The „urbanes Arkadien“ referred to in the title is not the Italy of classical antiquity that captivated the imagination of travelers like Goethe in the 18th century and beyond. Fanny Lewald contributed to a new kind of writing about Italy, what Ujma calls „weibliche Stadtliteratur“ (44), not only because of her focus on contemporary life in urban settings – „Formen des Zusammenlebens“ (67) – but also because her gendered perspective was itself urbane and thus open to the changes in society and the arts that were occurring during a period of unparalleled modernization in the second half of the nineteenth century. [...] (Ujma) helps to fill a considerable gap in the secondary literature by her attention to Lewald's political positions after 1848, especially her views on pressing social issues. Fanny Lewald's „Einlassungsbereitschaft“ for Italian life and manners remained to the end of her life. She was a cosmopolitan traveler who was truly concerned about the life of ordinary citizens. She was also an accomplished travel writer, one worthy of the scholarly attention she has been given in this study of German-Italian cultural and literary relations.
Margaret E. Ward in „German Quarterly“ (4/2008)
[...] Ujma sets Lewald in the previously under-researched context of nineteenth-century women's travel writing. In her introductory chapter Ujma discusses not just German but also European writing on Italy, and she makes it clear throughout that Lewald's more political travelogues were characteristic of much contemporary writing on Italy, while also giving due weight to the more exceptional qualities of Lewald's work, for example her self-conscious use of a female perspective in certain descriptions in the Italienisches Bilderbuch. In particular, Ujma demonstrates how far Lewald's reception of Italy deviates from that of her acknowledged mentor, Goethe, whose Italienische Reise Ujma sees as casting an Olympian shadow not just over subsequent German writers on Italy, but over German scholarship on this topic. While Goethe's journey to Italy is seen as an escape into a pre-modern landscape, Ujma demonstrates how Lewald experienced Italy very consciously as a woman, a Jew, and a progressive intellectual with very different political views from those of Goethe; Ujma highlights how Lewald revels in descriptions of urban life and social and political conditions, and this progressive quality is shown to survive even into her later travel books, when her delight in Italy's political progress in the wake of Risorgimento coexists in a strange tension with her personal nostalgia for the Italy she enjoyed with her beloved Adolf Stahr in her youth. The bulk of Ujma's analysis is taken up by the Italienisches Bilderbuch, which she uses as the more readily available work against which Lewald's changing attitudes to Italy can be measured in the course of her later analyses. However the fact that she quotes and paraphrases extensively from all the works under discussion makes her arguments clear even to readers without access to or detailed knowledge of the texts. This is not a book for an uninitiated reader of Lewald, but it fascinatingly illuminates her career and political thinking from a new perspective and has much to say on topics of wider interest as well.
Debbie Pinfold in „Modern Language Review“ (103:2, 2008)
[...] The importance of Lewald's writings on Italy as historical and socio-cultural sources becomes more and more apparent throughout the volume. [...] the readability and interest of the study as a whole is largely due to its leisurely pace. One of Ujma's favourite adjectives for Lewald's descriptions of Italy is „genießerisch“, a word that could equally be applied to Ujma herself. [...]
Deborah Holmes in „Limbus – Australisches Jahrbuch für germanistische Literatur- und Kulturwissenschaft“ (November 2008)
[Christina Ujma] leistet mit diesem Buch erste Grundlagenforschung zum bisher vernachlässigten Forschungszusammenhang der weiblichen und politisch-kritischen Italienwahrnehmung vom Vormärz bis zur Gründerzeit. [...] Mit großer Sachkenntnis kontextualisiert Ujma die Reiseberichte mit der europäischen Literaturgeschichte der Epoche [...]. [Ujma verortet] die Reiseberichte Lewalds in einer zweiten Traditionslinie europäischer Italienrezeption, die durch eine romantische Hinwendung zum realen Italien des Risorgimento gekennzeichnet war. Dabei wird auch der in Vergessenheit geratene Beitrag der Frauenliteratur zur Geschichte des Reisens und der Reiseliteratur neu gewichtet. [...] Gerade in den politischen Umbrüchen der nationalen Einigung Italiens [...] macht Ujma dann einen wesentlichen Faktor für den Wandel des Italieninteresses aus, das sich im Nachmärz zunehmend politisierte und zu einem gleichberechtigten geistigen Austausch entwickelte. [...] Dass daran eine weibliche Reise- und Geselligkeitskultur beteiligt war, mithin von einer spezifisch weiblichen Wahrnehmung des Risorgimento gesprochen werden kann - an dieser neuen Erkenntnis wird nun die künftige Risorgimento-Foschung dank Ujmas Untersuchung nicht mehr vorbeikommen. [...]
Werner Daum/Christian Jansen/Ulrich Wyrwa in „Archiv für Sozialgeschichte“ (47/2007) [in: Deutsche Geschichtsschreibung über Italien im „langen 19. Jahrhundert“ (1796-1915) Tendenzen und Perspektiven der Forschung 1995-2006]
Es ist immer wieder eine Freude, in der ungeheuren Menge deutscher Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts auf Beiträge zu stoßen, die ein waches Beobachten mit einer frischen Art des Schreibens verbinden und so auch noch dem heutigen Leser einen Ahnung davon vermitteln, wie sich das alltägliche, oder auch das politische Leben für den Fremden in Italien damals hat darstellen können. Überaus lesenswerte Beispiele sind gerade in diesem Sinne im Werk der Schriftstellerin Fanny Lewald (1811–1889) enthalten, die Zeit ihres Lebens nach Italien reiste und dort die Verhältnisse mit klugem Auge und gewandter Feder für ein deutsches Lesepublikum aufzeichnete. Ihre Reiseberichte, die sich über einen Zeitraum von annähernd vierzig Jahren erstrecken, konturieren nicht nur den sich in Italien vollziehenden Wandel, sie führen auch die politischen Wechselfälle und historischen Umwälzungen in bemerkenswerter Klarsicht vor Augen. Christina Ujmas Buch „Fanny Lewalds urbanes Arkadien“ kann für sich den großen Verdienst in Anspruch nehmen, die Italienwahrnehmung dieser bemerkenswerten Reiseschriftstellerin der germanistischen, historischen und – ich möchte auch sagen – kunsthistorischen Forschung zugänglich gemacht zu haben. [...] Die Wiederentdeckung Fanny Lewalds als Autorin öffnet zudem neue Sichtweisen und wirft nachhaltig die Frage nach der Rolle der Frau in der Geschichte des Reisens und der Reiseliteratur auf. Man darf auf weitere Arbeiten zu diesem Thema hoffen.
Joseph Imorde in „Jahrbuch der Brüder-Grimm-Gesellschaft“ (2005/2006, erschienen 2010)
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