[...] Nun braucht man Großes Thesen nicht zu teilen. [...] Dennoch kann die Lektüre sich lohnen und das in mehrerlei Hinsicht: Als Psychogramm eines der zuverlässig provozierendsten – und brillantesten – deutschen Intellektuellen unserer Zeit, Karl Heinz Bohrers, und eines Feuerkopfs der DDR, vielleicht ihres einzigen: Wolfgang Harich. Weiterhin als ,Epitaph in Prosa' für Harich, der fünfzehn Jahre nach seinem Tode beinahe vergessen ist. Schließlich als kompromisslose, manches Mal ätzende Darlegung des Habitus und der rhetorischen Techniken zweier Weltbeobachter mit scharftrichterlicher Ambition. Nicht zuletzt interessiert "Ernstfall Nietzsche" als mentalitätsgeschichtliche Abhandlung über Gesprächszusammenhänge, die zeitlich nah sein mögen, doch zwanzig Jahre nach dem Ende des sozialistischen Deutschlands seltsam entrückt erscheinen. [...] Große [...] bringt komplexe Zusammenhänge – intelligent unterkomplex, meisterlich simplifizierend – auf den Punkt, ganz wie es Nietzsche, Harich und Bohrer vermögen. [... Die Umschlagabbildung] zeigt Nietzsches Profil, janusköpfig verdoppelt: Der Meister blickt nach Ost und West, links und rechts, in die Vergangenheit und die Zukunft. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch künftig Streit an Nietzsche entzündet. Dann wäre Große, wie er selbst wohl hofft, widerlegt: Der "letzte" und "Übermensch" – ein Monster aus Haltlosigkeit und Gewalt – muss nicht als letztes Wort der Geschichte gelten.
Daniel Krause in „literaturkritik.de“ (Juli 2010)
Die vollständigen Rezension: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=14489
[...] Auf der einen Seite steht der ostintellektuelle Nietzschehasser Harich, der von einer ideologischen Steuerung der Politik träumt, und auf der anderen Seite der nietzschezitierende Bohrer, der sich nach Weltläufigkeit sehnt. Konträrer kann eine Debatte nicht laufen. Gleichzeit wirft die Gegenüberstellung aber auch ein neues Licht auf Nietzsches Denken, indem der Leser seinen eigenen Weg im gedanklichen Irrgarten der Diskussion finden muss. [...]
Georg Pfahler in „lehrerbibliothek.de“ (Juni 2010)
[...] Ein lesens- und sehr nachdenkenswertes Buch, von dessen gehaltvollen Hypothesen und Verbindungslinien hier nur ein kleiner Teil angesprochen werden konnte – sicherlich in seiner Reflexionshöhe und -dichte etwas sperrig in der Lektüre, aber sehr lohnenswert in den sich hinter den konkreten und beispielhaften Schilderungen auftuenden Metaperspektiven, die Nietzsche noch heute so „modern“ machen. [...]
Helmut Walther in „Aufklärung & Kritik“ (2/2010)
Hier die vollständige Rezension: http://www.gkpn.de/Walther_RezGrosse.pdf
[...] Die weiteren Ausführungen zu Bohrers „Fiat-Bellum-Journalismus“ bieten eine Kritik des (west)deutschen Heroismusbedarfs, wie sie sonst weder überhaupt noch in dieser Genauigkeit geliefert wurde. [...] Jürgen Großes Buch ist ein Muss für alle diejenigen, die ahnen, dass der Kurs der Nietzsche-Aktie seit etwa 30 Jahren überbewertet wurde [...]
Bernhard H.F Taureck in „Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung“ (Nr. 84, Dezember 2010)
[...] Nach 147 kurzweiligen Seiten lautet des Autors Fazit: Beide Intellektuelle verbindet, bei aller Differenz, mehr als sie trennt. „In beiden Fällen“, so Große, „strebt ein kulturpädagogischer Ehrgeiz die Bevormundung, ja Entmündigung des Publikums an.“ Und nicht erst hier wird erkennbar, dass der Essayist weder zur Harich- noch zur Bohrer-Fraktion zu zählen ist. [...] Jürgen Großes Essay ist ein ebenso kluger wie kritischer Text, der keinen Leser unbeteiligt lässt. Auch wenn man ihm nicht in jedem Punkt zustimmt, kommt man nicht umhin, diese Studie zu loben als ein pars pro toto für Formen der Annäherung an Nietzsche vor und nach 1989. [...]
Kai Agthe in „Das Blättchen“ (März 2011)
Die vollständige Rezension: http://das-blaettchen.de/2011/03/aechtung-bei-harich-apologie-bei-bohrer-3511.html
Kluger Essay über den Ernstfall Nietzsche.
Kay Aghte in „Zeitungsgruppe Thüringen“ (Mai 2011)
Die vollständige Rezension: http://www.allgemeiner-anzeiger.de/web/tlz/startseite/detail/-/specific/Kluger-Essay-ueber-den-Ernstfall-Nietzsche-1117365302
[…] Jürgen Großes Buch ist ein Muss für alle diejenigen, die ahnen, dass der Kurs der NIetzsche-Aktie seit etwa dreißig Jahren überbewertet wurde und dass sie vielleicht in absehbarer Zeit nirgendwo mehr gehandelt werden wird.
Bernhard H.F. Taureck in „Kommune“ (Heft Juni/Juli 2012)
[…] In den rivalisierenden Positionen [Wolfgang Harichs und Karl Heinz Bohrers] erscheint N.[ietzsche] entweder als Konterrevolutionär oder als radikaler Aufklärer. Für den Verf. des erhellenden Essays treffen sich die Kontrahenten letztlich in einem nietzscheanischen Willen zur Macht, der sich jedoch im Habitus bloßer „Meinungstüchtigkeit“ erschöpft.
Timo Günther „Germanistik“ (2011, Heft 3-4)
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