Artikel-Nr.: 978-3-8498-1162-4
Über Peter Kurzeck (1943-2013) wurde vielfach geschrieben, seine Werke seien abseits literarischer Strömungen entstanden und zeichneten sich kaum durch Traditionsbezüge aus. Christian Riedel widerlegt diese Sicht.
Ohne Zweifel ist Kurzecks Werk unverwechselbar – dennoch lässt es sich in ganz konkrete Zusammenhänge stellen. Riedels Arbeit zeigt, dass eine reflektierte Auseinandersetzung mit der Tradition der Idylle Kurzecks Gesamtwerk durchzieht, die im Roman »Vorabend« ihren Höhepunkt findet. Weiterhin lässt sich eine enge Anbindung von Kurzecks Schreiben an Postulate, Denkfiguren und poetologische Vorstellungen der Romantik, insbesondere der Jenaer Frühromantik, belegen. Schließlich erweist sich der Blues als wichtiger Impulsgeber in Hinblick auf etliche Motive des »Alten Jahrhunderts«.
Idylle, Romantik und Blues zeichnen sich gleichermaßen durch das Bejahen von Wiederholung und Modulation, Zyklik und Serialität aus. In ihrem Zusammenwirken sind sie dazu geeignet, Kurzecks Schreiben präzise zu charakterisieren.
Daten |
Christian Riedel Peter Kurzecks Erzählkosmos Idylle - Romantik - Blues Philologie und Kulturgeschichte Band 3 2016 ISBN 978-3-8498-1162-4 339 Seiten kartoniert |
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Inhalt |
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Autoreninfo |
Christian Riedel studierte Deutsche Philologie und Komparatistik. Er ist seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Europa-Universität Flensburg. |
Lese-/Hörprobe |
Leseprobe: lp-9783849811624.pdf |
Aus der Kritik |
Riedels Analyse überzeugt durch einen großen Beobachtungs- und Detailreichtum, der vielfältige Anschlussmöglichkeiten eröffnet. [...] Die stellenweise sehr feingliedrige Analyse verbindet die drei einzelnen Hauptaspekte [Idylle, Romantik, Blues] zu einer ersten Gesamtschau von Kurzecks Autorenpoetik. [...] eine gut informierte und präzise formulierte Argumentation [...] Christian Riedel hat gute Argumente dafür, K.s Werk nicht als Fortschreibung der klassischen Moderne zu begreifen und auch noch einen anderen Topos der K.-Rezeption zurückzuweisen: den des radikalen Biographen. Dazu zeigt und belegt er zunächst, wie stark der Einfluss der Idyllendichtung sich in K.s Romanen bemerkbar macht. Schon von diesem Befund ausgehend erweist sich das vermeintlich Biographische als in hohem Maße artifiziell, nämlich als »um-erinnerte Wunschbiographie«. [...] Schließlich zeigt [Riedel] noch, dass sich »eine entschieden ästhetisierte und stilisierte Lebensbeschreibung« anhand zeittypischer Idealisierungen und entlehnter Leitmotive des Blues festmachen lässt. Insgesamt diene K.s Verknüpfen von autobiographischen Erinnerungen mit Motiven aus der Idyllen-, Romantik- und Bluestradition dazu, so das überzeugende Fazit, auf eine »normiert-gesichtslose Moderne« mit einer »Mythisierung des alltäglichen Lebens« zu antworten. [...] eine erste umfassende und hochinteressante Studie [...], die fortan zum Standardwerk aller Kurzeck-Forschenden avancieren wird. Und das nicht nur, weil sie gründlich und umsichtig die bisherige Kurzeck-Rezeption bilanziert, die ja zu nicht unwesentlichen Anteilen im Feuilleton stattgefunden hat. Wie der Verfasser hier teils entlegene Rezensionen aus fast 40 Jahren Kurzeck-Rezeption bibliographisch verzeichnet, [...] wird zum Grundstock einer jeden künftigen Forschungsbibliographie. [...] Kurzeck als Idyllenmaler, Bluesposer und sein altes Jahrhundert als das ewige, das „absolute“ Buch im Geiste der progressiven Universalpoesie: Dank dieser Studie gibt es nun neben dem „oberhessischen Proust“ und den vielstrapazierten Hochwertvergleichen mit der europäischen Moderne ein weiteres Etikett, mit dem das Kurzeck-Werk schicklich behängt werden kann. Und selbst dann, wenn auch dieses sich nicht als dauerhaft haltbar erweisen sollte (wie alle Etiketten), steht ab jetzt ein neues, hochanregendes Deutungsangebot für das Kurzeck-Gesamtwerk zur Verfügung. Wir alle, die wir Peter Kurzeck kannten, wussten, dass wir letzten Endes wehrlos vor ihm standen, wenn er zu sprechen begann. Er streichelte uns so dermaßen von innen, dass man, wenn man vom Bild einer Massage ausgehen will, schon eigentlich das Wort Tantra davorsetzen müsste. Es existiert seit 2016 eine Monografie über Peter Kurzeck (Christian Riedel: Peter Kurzecks Erzählkosmos. Idylle – Romantik – Blues. Aisthesis-Verlag), mit deren Hilfe man etwas aus dem Eingelulltsein herauskommen kann, weil sie in ihrer Analyse einen distanzierten Überblick über die von Peter Kurzeck stets angerissenen Themen- und Motivfelder verschafft. Denn natürlich hat sich Peter Kurzeck in groß angelegter Weise stilisiert und inszeniert, vor dem Publikum wie vor sich selbst. Wer wollte es ihm verübeln? Riedel spricht vom Image des Bluessängers, der immer „on the road“ ist, immer die Gitarre dabei, der einsam an Bahnhöfen herumsitzt, stets sein weniges Geld zählt, der eine erfahrungsgesättigte, prekäre Biografie besitzt und am besten noch im vorigen Jahr völlig verarmt als Tagelöhner auf einem Baumwollfeld gearbeitet hat und davon jetzt dem besser situierten Publikum vorsingt. Das trifft es schon ziemlich! |
Reihe |
Philologie und Kulturgeschichte Band 3 |