Lesen wir in Donna Haraways 1990 formuliertem Manifest, die Grenzlinie zwischen Mensch und Maschine sei längst gefallen, bekommen wir eine Vorstellung davon, wie weit Schirmbeck seiner literarischen Zeit voraus war. Sogar die Auflösung der Geschlechteridentitäten sah er bereits im Gang, ohne dass "gender" überhaupt schon anthropologisch-wissenschaftlicher Gegenstand gewesen wäre [...] Festzuhalten ist und als sein Erbe wird bleiben, dass hierzulande alleine er - soweit ich jedenfalls sehe - die mathematischen Wissenschaften als das begriff, was sie für unsere Lebenswelten objektiv sind, und dass es die Literatur schließlich bedeutungslos machen werde, wenn sie sie poetisch ignoriere. Unter den Romandichtern Deutschlands, und zwar beider, hat fast nur Schirmbeck die technischen Kräfte als geradezu wesenhafte beschrieben und beschworen und zwar auch vor ihnen und den auf uns zukommenden Entwicklungen gewarnt, aber die jeder poetischen Zuwendung notwendigerweise eigene erotische, ja sexuelle Ambivalenz von Anziehung und Abstoßung zugelassen. Besonders seine Novellen führen dies beispielhaft vor und schließen eine Lücke, die der Hitlerfaschismus in die Literaturgeschichte hineinbiss, hingegen der Kahlschlag hat sie negativ fetischisiert.
Alban Nikolai Herbst, Schirmbecks Vermächtnis, in "Volltext" 4/2015
|