Hartmut Vollmers Studie ist einer literarischen Gattung gewidmet, die bislang kaum philologische Beachtung gefunden hat und als ein um 1900 sich ausprägendes und etablierendes Genre nun erstmals umfassend untersucht wird. Die Gründe für diese bisher fehlende oder unzureichende literaturwissenschaftliche Beachtung dürften primär aus einer scheinbaren definitorischen Paradoxie resultieren: aus dem offensichtlichen Widerspruch von Pantomime, einer bekanntermaßen stummen, sprachlosen Kunstform, und Literatur, unter der von und durch Sprache konstituierte Texte zu verstehen sind. Auffälligerweise treten in der deutschsprachigen Literatur ab den 1890er-Jahren jedoch zunehmend pantomimische Dichtungen in Erscheinung, die – wie in der Untersuchung gezeigt wird – einen wichtigen Beitrag im Entwicklungsprozess einer dezidiert sprachkritischen und mit traditionellen ästhetischen Formen brechenden und experimentierenden literarischen Moderne darstellen.
Anhand zahlreicher Analysen pantomimischer Texte – von namhaften Autoren wie z.B. Hermann Bahr, Richard Beer-Hofmann, Richard Dehmel, Lion Feuchtwanger, Hugo von Hofmannsthal, Felix Salten, Paul Scheerbart, Arthur Schnitzler, Robert Walser und Frank Wedekind – erweitert die Studie bedeutsam die Geschichte und das Spektrum der Literaturgattungen und erforscht grundlegend eine Terra incognita der Literaturwissenschaft.
Hartmut Vollmer
Die literarische Pantomime
Studien zu einer Literaturgattung der Moderne
2011
ISBN 978-3-89528-839-5
541 Seiten
kartoniert
Hartmut Vollmer ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Paderborn. Er hat zahlreiche Arbeiten zur deutschsprachigen Literatur des 18.-21. Jahrhunderts publiziert und ist u.a. Herausgeber der Werke von Henriette Hardenberg, Franz Hessel, Gina Kaus, Alfred Lichtenstein, Anton Schnack und Maria Luise Weissmann sowie zweier Anthologien mit Texten expressionistischer Dichterinnen.
Leseprobe: lp-9783895288395.pdf
[...] [Hartmut Vollmer] hat gründliche Pionierarbeit geleistet [...]. Sein 541 Seiten starkes Buch zeichnet sich nicht nur durch akribische Recherche, wissenschaftliche Fundiertheit und saubere Argumentation aus, sondern auch durch seine Lesbarkeit, so dass auch interessierte Laien Zugang finden dürften.
Stefan Brams in „Neue Westfälische“ (21.05.2011), die Hartmut Vollmer für „dieses neue Standardwerk“ den Stern der Woche verliehen hat.
[...] Ein Extremfall in dieser Richtung ist die literarische Pantomime, die „versprachlichte Wortlosigkeit“ (38), die Vollmer weitgreifend und detailreich analysiert. An der Commedia dell'arte bis zum Kino geht ihr Wirkungsbereich. [...]
Martin Lowsky in „Bargfelder Bote“ (August 2011)
Die materialreiche Studie zeigt eindrucksvoll, dass die „nonverbale Kunstform“ Pantomime sehr wohl als ein „spezifisches Literaturgenre“ definiert werden kann und dass Pantomimen als „literarisches Kunstwerk“ analysiert werden können.
Günter Helmes in „Germanistik“ (1-2/11)
[…] Hartmut Vollmer legt mit seiner Studie ein Standardwerk vor, das eine Lücke in der Gattungspoetik schließt. Die Herausforderung, eine per se wortlose Gattung, die sich in der Literatur kunstvoill ausgeprägt hat und innovativen Charakter erlangte, theoretisch fundiert zu analysieren und eine Typologie zu entwerfen, ist ihm in beeindruckender Weise gelungen. Mit seiner wissenschaftlichen Untersuchung leistet er auch einen wesentlichen Beitrag zur Darstellung der frühen Avantgarde des Fin de siècle in der modernen Literatur. Insofern hat diese Studie sicher auch modellhafte Bedeutung für die Untersuchung literarischer Pantomimen in anderen europäischen Literaturen. Diese Werk ist schon deshalb unverzichtbar, weil es weniger bekannte und an entlegener Stelle publizierte Pantomimen in Erinnerung ruft und eine Fülle von hilfreichen Informationen und nützlichen Materialien zur Untersuchung dieses Genres heranzieht. […]
Gisela Bärbel Schmid in „Wirkendes Wort“ (2/2012)