Zwei wichtige Lebensphasen hat Siegfried Pitschmann in Hoyerswerda und dem nahe gelegenen Braunkohlenkombinat Schwarze Pumpe verbracht: die seiner sich selbst auferlegten Bewährung durch schwere körperliche Arbeit 1957/58 und die seiner Schriftsteller- und Lebensgemeinschaft mit Brigitte Reimann 1960 bis 1964. Die erste Phase war nur von kurzer Dauer und endete mit der Einsicht Pitschmanns, den Anforderungen auf der Baustelle des Kombinats gesundheitlich nicht gewachsen zu sein. Er verarbeitete sie eindrucksvoll in seinem erst 2015 postum veröffentlichten Roman „Erziehung eines Helden“, dessen Erscheinen in der DDR verhindert worden war. Nach dem Schwarze-Pumpe-Roman schrieb Pitschmann ab 1959 Erzählungen, in denen er seine Beobachtungen und Erfahrungen im Kombinat literarisch verarbeitete. Diese Erzählungen aus Schwarze Pumpe versammelt der vorliegende Band – erstmals vollständig als thematische Einheit.
Die ihm gebührende Anerkennung ist Pitschmann zu Lebzeiten versagt geblieben. Die aktuelle Literaturkritik hingegen bescheinigt ihm, „wunderbar präzise Erzählungen [geschrieben zu haben], die zum Besten gehören, das die DDR-Literatur zu bieten hatte“ (Mitteldeutsche Zeitung), und sie rühmt die „literarische Potenz, das Sprachgefühl und das Menschen-Gespür des Autors“ (Frankfurter Rundschau). Die Erzählungen aus Schwarze Pumpe sind literarische Meisterwerke, die das große schriftstellerische Talent und Vermögen Siegfried Pitschmanns eindrucksvoll unter Beweis stellen.
Siegfried Pitschmann
Erzählungen aus Schwarze Pumpe
Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Kristina Stella
2016
ISBN 978-3-8498-1166-2
183 Seiten, Abb.
Klappbroschur
Siegfried Pitschmann, geboren am 12. Januar 1930 in Grünberg (Zielona Góra). Lebensstationen: Mühlhausen (1945-1957), Kombinat »Schwarze Pumpe« (1957/58), Hoyerswerda (mit Brigitte Reimann, 1960-1964), Rostock (1965-1989), Suhl (1990-2002). Gestorben am 29. August 2002.
Werke: »Wunderliche Verlobung eines Karrenmanns« (1961), »Das Netz« (1962), »Kontrapunkte« (1968), »Leben mit Uwe« (1974), »Männer mit Frauen« (1974), »Er und Sie« (1975), »Auszug des verlorenen Sohns« (1982), »Elvis feiert Geburtstag« (2000).
Kristina Stella lebt in Kronberg/Ts. Buchveröffentlichungen: »„Wär schön gewesen!“. Der Briefwechsel zwischen Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann« (Hrsg., Aisthesis, 2013), »Kommentierte Brigitte-Reimann-Bibliografie« (Aisthesis, 2014ff.) und »Siegfried Pitschmann: Erziehung eines Helden« (Hrsg., Aisthesis, 2015).
Leseprobe: 9783849811662.pdf
Siegfried Pitschmanns „Erzählungen aus Schwarze Pumpe“ wurden am 8. März im MDR-Fernsehen vorgestellt: http://www.mdr.de/mediathek/fernsehen/a-z/sendung641694_ipgctx-false_zc-ba8902b5_zs-73445a6d.html1
Kann gut sein, dass jüngere Leser Pitschmanns Erzählungen als nostalgisches Erinnern empfinden. Wer sie zeitlich einordnet und sich an der Sprache des großartigen Dichters erfreuen kann, taucht tief ein in ein bewegendes Stück Geschichte.
Sabine Wagner in „Ostthüringer Zeitung“ (19. März 2016)
Das kennt jeder: Du beginnst zu lesen, findest das Sujet eher sperrig – zumal, wenn das Thema, hier der Aufbau-Elan in der sozialistischen Wirtschaft, schon mehr als hinreichend beleuchtet worden ist. Jedenfalls für einen, der im Osten groß geworden ist. Aber dann merkt man schnell: Verdammt, das ist große Literatur! So geht es einem mit Siegfried Pitschmanns „Erzählungen aus Schwarze Pumpe“, erschienen bei Aisthesis in Bielefeld, herausgegeben von Kristina Stella. [...] Wenn in „Das Fest“ fünf Arbeiter gemeinsam Weihnachten feiern mit Gänsekeulen und Pfefferminzfusel im Schein echter Kerzen, und einer dann erzählt, wie seine Mutter auf der Flucht gestorben ist – da spürt man einen Kloß im Hals. Aus Pitschmann hätte ein Charles Bukowski werden können. Aber dafür hätte er fortgehen müssen. 2002 ist er gestorben. In Suhl.
Andreas Montag in „Mitteldeutsche Zeitung“ (27./28.2.2016)
[...] Erzählungen aus dem Leben der Arbeiter, sensible Milieustudien, die weder zwischenmenschliche Konflikte noch Auseinandersetzungen mit Normen, Parteikadern und Vorgesetzten aussparen - DDR-Alltag spannend erzählt.
Stefan Brams in „Neue Westfälische“ (6.8.2016)
[...] Die Texte sind Zeitzeugen des östlichen Teils von Nachkriegsdeutschland. Alles ist im Aufbau, es mangelt an vielem, der Lebensstandard ist niedrig, die Entwicklung lahmt, auch die Weltanschauung ist erst im Aufbau. Alle Erzählungen atmen den Glauben an den Aufbruch in eine bessere Zeit. Der Anblick des wachsenden Kombinats, der Hochhäuser in der Neustadt von Hoyerswerda, ruft Ehrfurcht im Erzähler hervor. Dadurch erscheinen die Erzählungen streckenweise als Gratwanderungen, doch der nicht der SED angehörende Pietschmann stürzt nicht ab in einen ideologischen Taumel. Sein Fortschrittsglaube ist nicht anders als der vieler seiner Mitbürger in jenen Tagen, nicht anders als der seiner Landsleute im Westen. [...]
Stefan May in „Die Presse“ (10.12.2016)
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