Artikel-Nr.: 978-3-8498-1105-1
Die literarische Karriere Elfriede Brünings (1910-2014) begann in der turbulenten Zeit der Weimarer Republik. Mit sechzehn Jahren veröffentlichte sie erste Feuilletons, mit achtzehn schrieb sie literarische Reportagen für die grössten Berliner Zeitungen. Als sie vierundzwanzig war, erschien ihr erster Roman. Früh setzte sie sich für die Rechte arbeitender Frauen und ihrer Kinder ein.
Die drei Romane, die sie in der Zeit des Nationalsozialismus schrieb, widersprachen entschieden dem propagierten Frauenbild: Die Heldinnen kämpften darum, auch als Ehefrauen berufstätig zu sein. Der aktiven Gegnerin des Systems gelang es, diese Romane trotzdem zu publizieren. Sabine Kebir belegt, dass die überzeugte Sozialistin Elfriede Brüning später auch nicht im Gleichklang mit der DDR-Frauenpolitik schrieb. Sie thematisierte vielmehr die Konflikte, die diese Frauenpolitik hervorbrachte. Entgegen verbreiteter Klischees erfuhr sie deshalb keine besondere Förderung als Frauenautorin in der DDR. Auf literarische Preise wartete sie bis in die achtziger Jahre. Ihre zum grossen Teil aus den neuen Schichten sich qualifizierender Frauen stammenden Leserinnen und einige sensible Verlagslektorinnen haben sie dennoch vierzig Jahre lang zum Publikumsliebling gekürt: Elfriede Brüning verkaufte in der DDR mehr als eineinhalb Millionen Bücher. Sabine Kebir untersucht Brünings literarisches und Reportagewerk und dokumentiert das Leben der Autorin sowie die kulturpolitischen Auseinandersetzungen, denen sie sich immer wieder stellen musste.
Daten |
Sabine Kebir Frauen ohne Männer? Selbstverwirklichung im Alltag Leben und Werk Elfriede Brünings (1910-2014) 2016 ISBN 978-3-8498-1105-1 954 Seiten, zahlr. Abb. gebunden |
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Inhalt |
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Autoreninfo |
Sabine Kebir ist Literatur-, Kultur- und Politikwissenschaftlerin. Sie lebte zwischen 1977 und 1988 in Algerien, seitdem als freie Autorin in Berlin. Publikationen (Auswahl): Die Kulturkonzeption Antonio Gramscis (1980), Ein akzeptabler Mann? Streit um Bertolt Brechts Partnerbeziehungen (1987), Antonio Gramscis Zivilgesellschaft (1991), Algerien. Zwischen Traum und Alptraum (1993), Ich fragte nicht nach meinem Anteil. Elisabeth Hauptmanns Arbeit mit Bertolt Brecht (1997), Abstieg in den Ruhm. Helene Weigel. Eine Biographie (2000), Mein Herz liegt neben der Schreibmaschine. Ruth Berlaus Leben vor, mit und nach Bertolt Brecht (2006), Maria und Jesus im Islam (2007). |
Lese-/Hörprobe |
Leseprobe: 9783849811051.pdf |
Aus der Kritik |
[...] Le grand mérite de la biographie de Kebir est précisément de montrer, à partir de la vie et l’œuvre de Brüning, combien est floue la frontière entre écrits critiques ou subversifs et écrits en apparence conformistes. Difficile à ranger dans une quelconque catégorie, Elfriede Brüning s’inscrivait mal dans le paysage littéraire est-allemand. Elle subit le même sort que la plupart des écrivains, recevant son lot de rétributions symboliques (prix et distinctions diverses) d’un côté, connaissant de l’autre de brèves traversées du désert quand elle ne trouvait plus d’éditeur ou, pis, lorsque ses livres disparaissaient des bibliothèques et ou étaient introuvables en librairie. [...] Dies ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswertes, spannendes Buch: Leser und Leserinnen, die Elfriede Brünings Veröffentlichungen schon seit langem mit Interesse verfolgen, werden hier sehr viel Neues entdecken. Überraschendes gibt es auch für Literaturkritiker und Germanisten in Ost und West, die sich mit der Entstehung und Rezeption deutschsprachiger, weiblicher Literatur beschäftigen. […] Die Literaturwissenschaftlerin Sabine Kebir hat mit dieser eindrucksvollen Monografie Elfriede Brüning ein würdiges, durchaus auch kritisch reflektiertes Denkmal gesetzt. Wie nur wenige kennt Sabine Kebir die Vita von Elfriede Brüning, die fünf verschiedene politische Systeme durchlebte, und das etwa 30 Bände umfassende Werk der Schriftstellerin. Gemeinsam mit der Tochter und der Enkelin Brünings betreut sie die Website, zusammen mit Wolfgang Herzberg hat sie einen Film über die Berlinerin gedreht. Jetzt hat sie die erste und zugleich umfassende Biographie Brünings veröffentlicht, mit der sie ihr gleichsam einen Denkstein setzt. [...] Auf beeindruckende Weise präsentiert die Autorin unterdessen Elfriede Brüning als aneckende, widerspenstige Person und kämpferische Frau, analysiert und dokumentiert die kulturpolitischen Auseinandersetzungen, an denen sich die Schriftstellerin immer wieder beteiligte und in die sie verwickelt wurde. Wohltuend für den Lesefluss: Die vielen Anmerkungen, die nicht bloss dem Quellennachweis dienen, sondern auch Exkurse zu Ereignissen und Personen bieten, sind jeweils an den Fuss der Seite gesetzt. Bedauerlich hingegen, dass die gewichtige Biographie kein Personenregister hat. Wer sich für Brünings Lebenserzählung interessiert, für den ist das Buch eine wahre Fundgrube. Es bleibt zu hoffen, dass es zur Verstärkung einer fruchtbaren Rezeption ihres Werks beiträgt. [D]as Buch nimmt gefangen, wo immer man es aufschlägt. Das kommt, weil sich Lebensbeschreibung stets die Waage hält mit wissenschaftlicher Analyse. Sabine Kebirs Beschreibung einer „Selbstverwirklichung im Alltag“ [… setzt] Elfriede Brüning (1910-2014) in Frauen ohne Männer? (AISTHESIS VERLAG) ein Denkmal […]. Bereits in Kebirs erstem derartigen Buch über Brecht und die Frauen, wird der Titel mit Fragezeichen versehen […]. Auch in diesem fast tausendseitigem Werk bleibt sie ihrer Methode treu: Nichts voraussetzen. Erst mal nachfragen. Elfriede Brüning gehörte zu den „Unterhaltungsschriftstellerinnen“ mit beachtlichen Auflagen, die nicht wie Thomas Mann Legionen von Germanisten anlocken. Umso bemerkenswerter, wie Kebir mit ihrem Text ein ganzes Jahrhundert erlebbar macht […]. [...] Diese aussergewöhnlich lange und produktive Schaffenszeit [Elfriede Brünings] hat eine Autorin erforscht, die mit ihren Büchern zu Brecht und Frauen aus seinem Umfeld [...] so etwas wie biographische Kärrner-Arbeit leistete: quellengenau, streitbar, gut lesbar; Bücher, denen man nicht selten Entdeckerlust anmerkt. [...] Zu den grossen Vorzügen dieses Jahrhundert-Buches gehört, dass die Einflüsse auf Elfriede Brüning und der jeweilige Zeitgeist mit dargestellt, verhandelt und bewertetet werden. [...] [I]nsgesamt ist dem Verlag zu danken, dass er dieses Unternehmen wagte [...]. „Sabine Kebir hat eine beeindruckende Monographie vorgelegt über eine von der Literaturwissenschaft als Unterhaltungsautorin abgestempelte und deshalb lange ignorierte Autorin, die »weniger als zum Beispiel Anna Seghers und Christa Wolf [...] die grossen Pläne der Weltveränderung ins Visier [nahm]«, sich dafür mehr »für den Alltag arbeitender Frauen und ihrer Kinder« (13) interessierte. In 18 Kapiteln werden Leben und Schreiben dieser aussergewöhnlichen Frau aufgefächert. Soziale Verhältnisse, politische Hintergründe, aber auch Privates werden breit dargelegt und akribisch mit einem umfangreichen Fussnotenapparat unterfüttert. […]“ "Dieses Buch ist für die feministische Diskussion interessant. Aber es ist auch wichtig für die Auseinandersetzung mit Populärliteratur und die Bedeutung der populären 'autores minores.'"
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Termine / Mitteilungen |
Elfriede Brüning: beruflich und sexuell selbstbestimmt - Sonia Combe und Sabine Kebir im Gespräch bei YouTube. Sabine Kebir - "Frauen ohne Männer?" - Ein Beitrag von Tom Goeller in "Andruck - Das Magazin für Politische Literatur" (Deutschlandradio) |