Aufklärung ist das Zeitalter der Vernunftgläubigkeit und es dauert – allen Unkenrufen zum Trotz – bis heute an. Gern übersehen wird allerdings, dass die Aufklärung ihr eigenes Ziel voraussetzt: die Vernunft. Der Ursprung dieses obersten intellektuellen Vermögens lässt sich nur durch einen Zirkelschluss begründen: Vernunft ist sich selbst Ursache und Wirkung. Lösen lässt sich der blinde Fleck in der Selbstbegründung der Vernunft mit einem Sprung in die Ästhetik. Hier hat die Vernunft zwar kein Gebiet, ist aber dennoch präsent. Erst in der dritten grossen Kritik, der Kritik der Urteilskraft, schafft Kant einen Rahmen für das Begründungsparadox der Vernunft und damit: die Basis für Logik und Ethik.
Ästhetische Erkenntnis liefert jedoch nicht nur einen Schlüssel für das Verständnis von Vernunft. Sie trägt vielmehr auch den Kern ihrer Destruktion in sich. Diese Doppelbewegung von Erfindung und Apokalypse der ästhetischen Vernunft wird in der vorliegenden Arbeit paradigmatisch aufgezeigt an zwei Prototexten der Literaturtheorie: an Kleists Essay Über das Marionettentheater und an Nietzsches philosophischem Roman Also sprach Zarathustra. In der genauen Interpretation dieser beiden erratischen Werke gelingt es, grundlegende Theoreme als Eckpfeiler für eine – noch ausstehende – postmoderne Ästhetiktheorie zu etablieren. In breve kann so Aufklärung definiert werden als Auftrag und Zumutung, Nietzsche mit Kant und Kant mit Nietzsche zu lesen.
Oder: Wo Ästhetik ist, soll Ethik werden.