Als Zeitgenosse von Goethe, Klinger und Lenz gehört Anton Matthias Sprickmann (1749-1833) zur Generation der Sturm-und-Drang-Schriftsteller, die in den 1770er Jahren der deutschen Literatur zu internationalem Ansehen verhalfen. Goethes Roman Die Leiden des jungen Werthers von 1774 gilt als der erste literarische ‚Welterfolg‘ eines deutschen Autors. Die Erzählprosa seiner Zeitgenossen ist dagegen von der Forschung und vom Lesepublikum lange vernachlässigt worden. Dabei zeigt sich manche Tendenz dieser Aufbruchszeit deutlicher in den Erzählungen von Lenz oder Sprickmann als in Goethes exzeptionellem Roman. Die epische Kleinform kommt einem dichten, gedrängten Prosastil entgegen, der in Spannung und Effekt der Leitgattung der Epoche, dem Drama, kaum nachsteht. Wie bereits Goethes Werther zeichnet sich diese Prosa aber nicht nur durch Pathos und Intensität, sondern auch durch ironische Brechungen aus.
Dies gilt ebenso für die Autobiographik des Sturm und Drang, die in der Forschung nicht weniger unterrepräsentiert ist als die erzählende Prosa. Ein hohes Maß an Literarizität trifft in diesem Genre auf Formen des Selbstausdrucks, ohne die das moderne psychologische Denken nicht möglich geworden wäre. Wie bereits früher Lavaters Geheimes Tagebuch (1771) ist auch Sprickmanns Meine Geschichte (um 1787) ein bedeutsames Dokument der Selbstbeobachtung und ihrer Literarisierung in der Zeit des Sturm und Drang.
Die vorliegende Ausgabe versammelt erstmals die Erzählungen Anton Matthias Sprickmanns und bietet den ersten vollständigen Abdruck seiner handschriftlich überlieferten Autobiographie. Der kritisch gesicherte Lesetext bewahrt die sprachlichen Eigenarten der Sturm-und-Drang-Epoche, und ein ausführlicher Stellenkommentar erschließt den literatur- und kulturgeschichtlichen Kontext.