Artikel-Nr.: 978-3-8498-1428-1
Der zweite Lyrikband in der Ausgabe der Werke und Briefe Herweghs umfaßt die von ihm selbst veröffentlichten Gedichte in der Zeit von 1849 bis zu seinem Tode 1875 sowie sämtliche Nachlaßgedichte und die hinterlassenen, bis jetzt nur zum Teil publizierten Epigramme, Xenien, Aphorismen und Reflexionen. Ein ausführlicher Apparateteil ist auf editionsrelevanten Erläuterungen zu den Texten konzentriert und faßt die wichtigsten entstehungs-, überlieferungs- und wirkungsgeschichtlichen Fakten und Zusammenhänge sowie Anmerkungen zum Textverständnis zusammen.
Wer sich für Herweghs Gedichte nach den „Gedichten eines Lebendigen“ interessierte, war bis in die Gegenwart auf die „Neuen Gedichte“ verwiesen, die 1877 in Zürich und zugleich in Milwaukee (Wisconsin) erschienen. Hermann Tardel hat sie 1909 in „Herweghs Werke, in drei Teilen“ unverändert aufgenommen, und auch Bruno Kaiser dienten sie in „Der Freiheit eine Gasse“ 1948 noch öfter als Grundlage. Dieser Sachverhalt soll die Bedeutung der Publikation von 1877 nicht schmälern. In einer Zeit, in der man Herwegh in nicht überbietbarer Gehässigkeit und Verachtung gegenübertrat, war es schon ein Verdienst, wenn die völlig verstreuten Gedichte gesammelt, veröffentlicht und vor dem Vergessen bewahrt wurden. Dennoch ist diese Publikation im ganzen unzulänglich. Die Herausgeber haben sich Eingriffe in den Text erlaubt, ohne sie zu kennzeichnen; einige bereits gedruckte Gedichte fehlen; Nachlaßgedichte sind nicht als solche markiert; v.a. fehlen Erläuterungen der politischen und gesellschaftlichen Hintergründe sowie jegliche Quellenangeben.
Im Februar 1871 hat Herwegh sein vielzitiertes Gedicht "Epilog zum Kriege" veröffentlicht, dort finden sich die drei Zeilen: "Du bist im ruhmgekrönten Morden / Das erste Land der Welt geworden: / Germania, mir graut vor Dir!" Man ist gut beraten, ob dessen aus diesem Dichter nicht einen Propheten zu machen. Aber auch umgekehrt: Wer immer sich mit dem Geist des Wilhelminischen Kaiserreiches beschäftigt und nicht umhin kommt, diesem Ungeist eine Mitschuld an der Katastrophe von 1914 zuzuschreiben, der muß Herwegh den ihm gebührenden Platz in der deutschen Literatur und Geschichte zuweisen und dadurch beitragen, daß das "Trauerspiel" (Walter Pape) um die Rezeption seines Werkes ein Ende findet.
Daten |
Georg Herwegh Gedichte 1849-1875 Bearbeitet von Ingrid und Heinz Pepperle Band 2 der Werke und Briefe Kritische und kommentierte Gesamtausgabe 2019 [als Print-Ausgabe: 2016: ISBN 978-3-8498-1195-2] ISBN 978-3-8498-1428-1 556 Seiten E-Book (PDF-Datei), 5,2 MB |
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Inhalt | |
Autoreninfo |
Ingrid Pepperle, Dr. phil., ist die maßgebliche Herwegh-Forscherin der letzten Jahrzehnte. Sie lebt als Literaturwissenschaftlerin in Berlin. Infos zu Georg Herwegh und seinen Werken finden Sie hier: |
Lese-/Hörprobe | |
Aus der Kritik |
[...] Nach wie vor gibt es nur zu wenigen Autorinnen und Autoren des Vormärz verlässliche Editionen, eine Lücke, die die seit 2006 erscheinende „Kritische und kommentierte Gesamtausgabe“ der Werke und Briefe Georg Herweghs in hervorragender Weise zu schließen hilft. Mit fast 150-jähriger Verspätung steht damit nun der Herwegh-Forschung eine zuverlässige Ausgabe zur Verfügung, und es bleibt zu hoffen, dass dies den Weg ebnet zu einer neuen und nicht nur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Werk eines der großen Demokraten des 19. Jahrhunderts. [...] Außerdem muss auch dem Aisthesis Verlag in Bielefeld ausdrücklich gedankt werden, der nun schon seit über zwanzig Jahren eine erste Adresse für die wissenschaftliche Aufarbeitung und Edition der Literatur des Vormärz ist und der sich selbst für seinen Einsatz und seine Geduld bei der Betreuung der kritischen Herwegh-Ausgabe auf dem Sektor der Vormärz-Edition ein kleines Denkmal setzt. [...] Die Herausgeberin bezeichnet Herwegh als den „umstrittenste[n] Poet und Schriftsteller der ganzen Periode“. Der verkehrte mit streitbaren Genossen: mit Ludwig Feuerbach und Richard Wagner, Heinrich Heine und Karl Marx, Michail Bakunin und Heinrich Brockhaus. Das dürfte verbürgen, dass bei der Lektüre auch bloß biografische Interessen überschritten werden. Die einzelnen Texte Herweghs finden sich hervorragend kommentiert: Ein Dichten, das in tagespolitische Gemengelagen eingreifen wollte, gebraucht Anspielungen, Namen und Ereignisse, die rasch dem Vergessen anheimgegeben sind. Derjenige, der den Politiken der Freundschaften nachspüren will, wie sie zerbrechen und sich neu arrangieren, der kann sich den Kommentaren anvertrauen. [...] Herweghs Œuvre lebt in diesen Extremen, im klirrenden Pathos und doch im Zweifel, beinahe sentimental, trunken und dann wieder klar, eine Grenze ziehend. Wir, die gezwungen sind, es vom Heute her zu lesen, können gerade in seinen späteren Werken einer rastlosen Bewegung gewahr werden, wie Lyrik zu etwas werden könnte, was gesungen wird, was in einem aktuellen Sprechen und Streiten wirkt. [...] [...] Diese Kritische Ausgabe versammelt das bisher Verstreute, präzisiert in Vielem die Textgestalt und Chronologie und stellt damit den Dichter-Publizisten Herwegh in einer Kompaktheit vor, wie sie sich nicht nur den Zeitgenossen verschloss, sondern auch für die nicht speziell auf diesen Schriftsteller gerichtete Forschung bislang nicht darbot. [...] Es sind vor allem die Erläuterungen [...], die Herweghs politisch-poetisch-publizistische Welt erschließen. Sie sind gewissermaßen eine textfundierte, annalistische Biographie, die den Lyriker mit dem Publizisten und Briefeschreiber eng verzahnt. Hier eröffnen sich für die künftige Forschung fruchtbare Perspektiven: Wie sind bei Herwegh Politisches und Privates verknüpft? In welchem Rangverhältnis stehen Publizistik und Poesie zueinander? In welcher Weise konstituieren Ereignis und Bedeutung von »1848« die eigene nachmärzliche Position – auch im Unterschied etwa zum späten Heine. [...] Dank gebührt auch dem Aisthesis Verlag, der in Zeiten des abnehmenden Lichts für große Werk-Ausgaben und vergangene Literatur verlegerisch viel investiert. [...] Mit dem seit Ende des vergangenen Jahres vorl. zweiten Band der Gedichte Georg Herweghs ist die editorische Aufarbeitung der Lyrik des Dichters – ein Desiderat der germanistischen Forschung seit dem letzten Jahrhundert – weitgehend abgeschlossen. Er ist der vielleicht wichtigste Beitrag zum 200. Geburtstag H.s in diesem Jahr. [...] Ein Namenregister und ein Verzeichnis der Überschriften und Anfangszeilen erschließen den Editionsband, der vom Verlag sorgfältig und ansprechend gestaltet wurde. [...] Ohne den langjährigen, beharrlichen und entschiedenen Einsatz von Ingrid Pepperle hätte nicht nur der anzuzeigende Band, sondern die gesamte, seit 2005 vorgelegte und inzwischen durch die Veröffentlichung des dritten Bandes (Prosa 1833-1848) komplettierte Herwegh-Gesamtausgabe nicht erscheinen können. Damit ist eine Arbeit zu würdigen, die man ohne Übertreibung als Lebenswerk bezeichnen kann, wenn man bedenkt, dass Ingrid Pepperle schon unter der Leitung von Bruno Kaiser an einer 1971 publizierten Herwegh-Edition mitgearbeitet hat. [...] Mit der Herwegh-Gesamtausgabe, die vom Aisthesis Verlag engagiert und mit jenem Idealismus betreut wurde, ohne den solche Projekte heutzutage nicht mehr zu bewältigen sind, hat sie nicht nur sich, sondern allen an diesen Themenfeldern Interessierten ein großes Geschenk gemacht. Wer das nicht glaubt, sollte schnell zu den Bänden dieser Ausgabe greifen.
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Reihe |
Georg Herwegh: Werke und Briefe. Band 2 |