Politische Zäsuren wie das Ende von Kriegen und Regimen sind in der Regel mit einer Umgestaltung der sozialen Gedächtnisrahmen verbunden, die individuelle wie kollektive Gedächtnisformationen entscheidend prägen. Erinnern und Vergessen stellen keine Gegensätze dar, sondern sind psychisch-kognitive Prozesse, die sich wechselseitig bedingen und ergänzen. Die (De-)Konstruktion des Vergessens besteht darin, dass Erinnerungen aus dem Gedächtnis bewusst oder unbewusst ausgeschlossen bzw. reintegriert werden, je nachdem, welche sozio-kulturelle Rahmungen vorherrschen.
Der Sammelband untersucht Brüche und Kontinuitäten in den Gedächtnisrahmen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Osteuropa. In einem theoretischen Teil werden Modelle zur Beschreibung und Erklärung von individuellen wie kollektiven Vergessensformen vorgestellt. In den anwendungsbezogenen Kapiteln werden historische Fallbeispiele analysiert, vom Faschismus und Nationalsozialismus über Vichy bis hin zu den (post-)kommunistischen Gesellschaften der ehemaligen Ostblockstaaten. In einem abschließenden Teil wird die Bedeutung des Schweigens und Vergessens für die Konstitution von Identitäten am Beispiel der (jüdischen) Emigration und des Elsass untersucht.