Alfred Döblin, Jan Lustig, Walter Mehring, Alfred Polgar, Wilhelm Speyer: Von den fünf sogenannten 100-Dollar-Autoren, die 1941 in letzter Sekunde aus Europa heraus- und beim Hollywoodstudio MGM unterkamen, ist Speyer (1887–1952) wohl der am wenigsten bekannte. Für ein wöchentliches Salär von 100 Dollar fanden die Genannten pro forma Beschäftigung in der Filmmetropole. „Wir wurden gute Nachbarn in schlechten Zeiten“, erinnert sich Ludwig Marcuse des Kollegen im Exil. „Er war ein rarer Vogel im Gefilde der Literatur: unprätentiös, unvercliquet, keine Eitelkeit der kommunen Sorte, von nobler Zurückhaltung ... ein sehr charmanter Brummiger.“ Speyer, dessen Romane wie „Charlott etwas verrückt“ im Berlin der Weimarer Republik viel gelesen und auch verfilmt wurden, tat wirklich etwas für sein Geld. Davon zeugt der von Helga Karrenbrock und Walter Fähnders herausgegebene Band „Das faule Mädchen“, das zehn Filmnovellen aus dem Nachlass des Autors enthält. Gedacht waren diese Skizzen und Ideen als Rohstoff zur weiteren Verarbeitung; verfilmt wurde keine davon je. Dabei könnte man sich „Dr. Palland“, seinen Entwurf für einen Anti- Nazi-Film im besetzten Amsterdam, ebenso gut auf Leinwand vorstellen wie das kurze Treatment „Eine Nacht lang Hausbesitzer“, in dem Speyer das Genre des Roadmovies vorwegnimmt und sich als alerter Beobachter alltäglicher Situationen erweist: „Ein Ranger, ein Forstbeamter, hielt einmal in seinem feuerroten Wagen vor mir an. ,Besser, Sie liegen da nicht‘, rief er mir zu. ,Wegen der Schlangen …‘ Diese sehr amerikanische und häufig angewendete Redewendung: You better do – You better don’t, habe ich gern. Sie bedeutet: Ich wünsche mich nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten zu mischen, aber Sie tun gut daran, sich nicht gerade zwischen Klapperschlangen anzusiedeln.“ Sehr amüsant ist die Titelgeschichte vom „faulen Mädchen“, das aus purer Bequemlichkeit seinen Aufstieg zum Hollywoodstar verschläft und dennoch – am Ende wie zu Beginn – der Überzeugung ist: „Hui, hab ich ein schönes Leben.“
Michael Omasta in „Falter. Magazin für Wien“ (30/14, 22.7.14)
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