Die Literaturwissenschaft hat sich verstärkt seit den achtziger Jahren anthropologischen Themen zugewandt – vor allem in Auseinandersetzung mit der französischen Nouvelle Histoire und der Ethnologie. Verwandtschafts-, Geschlechter- und Familienbeziehungen, Körper-, Wahrnehmungs- und Emotionsdarstellungen, Symbolisierungen von Sexualität, Gewalt, Krankheit und Tod fanden neues Interesse. Eine kulturanthropologische Ausweitung der Literaturwissenschaft, also der Blick auf Identitäten und Differenzen von Sinnbildungsprozessen in unterschiedlichen Epochen und Kulturen, war von vornherein in diesem Ansatz angelegt. Von der Kulturanthropologie und Ethnologie sind besonders weit tragende Impulse für die Literaturwissenschaft der neunziger Jahre ausgegangen. Begriffe wie etwa Ritual, Liminalität oder Konflikt hat man mit Gewinn aus diesen Disziplinen importiert.
Der Band dokumentiert die Beiträge einer Tagung, die die Herausgeber am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld geleitet haben. Er enthält Aufsätze zur mittelalterlichen, frühneuzeitlichen und modernen Literatur in anthropologischer Perspektive, zum Verhältnis von historischer Anthropologie und literarischer Ästhetik sowie zu den Perspektiven einer historisch-anthropologischen Literaturwissenschaft.
Wolfgang Braungart / Klaus Ridder / Friedmar Apel (Hgg.)
Wahrnehmen und Handeln
Perspektiven einer Literaturanthropologie
Bielefelder Schriften zu Linguistik und Literaturwissenschaft 20
2004
ISBN 978-3-89528-455-7
368 Seiten
kartoniert
Wolfgang Braungart: Studium der Germanistik, Philosophie, Kunstpädagogik und Werken/Arbeitslehre in Gießen, Braunschweig und Zürich, Promotion 1986 in Braunschweig, Habilitation 1994 in Gießen, 1989 und 2003 Gastprofessuren in den USA, seit 1996 Prof. für Allgemeine Literaturwissenschaft und Neuere deutsche Literatur an der Universität Bielefeld.
Klaus Ridder: Studium der Germanistik, Geschichtswissenschaft und Pädagogik, 1984 Magisterexamen an der Philipps-Universität in Marburg, 1989 Promotion in Marburg, 1996 Habilitation in Paderborn, 1997 Hochschuldozentur in Bielefeld, 2000 Professur für Deutsche Philologie/Ältere deutsche Literaturwissenschaft in Regensburg, 2002 Lehrstuhl für Deutsche Philologie/Mediävistik an der Universität Tübingen.
Friedmar Apel: Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Philosophie und Anglistik in Berlin und Bloomington/Ind., USA, Promotion 1977 und Habilitation 1981 an der TU-Berlin. Nach Gastprofessuren in Berlin, Atlanta/Ga., Siegen und Regensburg 1987 Prof. für Vergleichende Literaturwissenschaft in Paderborn, seit 2000 Prof. für Deutsche Literatur im europäischen Kontext an der Universität Bielefeld.
[...] Die Qualität der Aufsätze ist hoch, die mediävistische Schwerpunktsetzung repräsentiert die Entwicklung der letzten Jahre, die theoretische Vertiefung am Ende des Bd.s bietet überraschende Einsichten, das gesamte Themenspektrum ist weit, ohne dass der innere Zusammenhang verloren geht [...].
Karoline Harthun in „Mittellateinisches Jahrbuch“ (Band 43 / Jahrgang 2008 / Heft 1)
Bielefelder Schriften zu Linguistik und Literaturwissenschaft