Tragische Erkenntnis ist in ihrem Jasagen zum ganzen Leben, zu Sterblichkeit, Leid und Freude, vom Dionysischen getragen. Das Tragische, selbstverständlicher Untergrund des schicksalsgläubigen antiken Menschen - gefeiert in der griechischen Tragödie -, wird in der Moderne zunehmend verdrängt und als Depression klassifiziert. Nur das Positive, Nützliche, Realitätstüchtige hat Geltung. Dies steigert die Tragik des Denkers, Dichters, Künstlers: Er wird, läßt er sich nicht in Dienst nehmen, zur Randexistenz. Indem er an die Möglichkeit der Freiheit und der Schönheit erinnert, ist er ein Skandalon. Die 'kritisch paranoische' Methode der Surrealisten begehrt gegen solches Abgeschobenwerden auf. Die Pathologie der Normalität wird offensiv thematisiert. Von Kierkegaard bis Nietzsche, von Hofmannsthal, von Baudelaire bis Benn finden wir in der Moderne den Entwurf der menschlich-schöpferischen Existenz als einer notwendig tragischen.
Gisela Dischner
"Die Mauern stehen sprachlos und kalt"
Tragische Erkenntnis in der Moderne
1999
156 Seiten
kartoniert
ISBN 3-89528-228-6
Gisela Dischner, 1939 geboren, studierte Germanistik, Soziologie und Philosophie in München. Buchveröffentlichungen zu Nelly Sachs, Bettina von Arnim und Caroline Schlegel. 1992 erschien "Die Stimme des Fremden"; im Aisthesis Verlag 1996 "... bald sind wir aber Gesang". Zur Hölderlin-Linie der Moderne. Gisela Dischner lehrt seit 1973 deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Hannover.
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