Das Buch ist vergriffen!
Gegenstand dieser Studie sind Arno Schmidts Bücher »Zettel‘s Traum«, »Die Schule der Atheisten«, »Abend mit Goldrand« und Julia, oder die Gemälde. Eingeleitet von einer literaturtheoretischen Abhandlung über den (extra)fiktionalen Status der im Spätwerk getroffenen Feststellungen, beschreibt die Arbeit eine Entwicklung vom vermeintlich genauen Erzählen und den pedantischen Figuren der frühen und mittleren Werkphase hin zu immer stärker phantasierenden und lügenden Helden im Spätwerk. Arno Schmidt erweist sich als ein Autor, der aus den Nöten der modernen Zeit eine Tugend gemacht hat, indem er die allgegenwärtige Enteignung von authentischer Erfahrung nicht nur erkannt, sondern für die eigene Arbeit zum künstlerischen Prinzip gemacht hat. Das Spätwerk erweist sich als ein Plädoyer für eine imaginäre, nur noch konstruierte Wirklichkeit.
Stefan Voigt
In der Auflösung begriffen
Erkenntnismodelle in Arno Schmidts Spätwerk
1999
325 Seiten
gebunden
ISBN 3-89528-239-1
Stefan Voigt, geboren 1965, studierte Germanistik, Politik und Linguistik an der Freien Universität Berlin. Als Autor beschäftigt er sich mit Literatur, dem Internet und Multimedia. Er arbeitet zur Zeit als Redakteur und Autor für On- und Offlinemedien.
Und ... der Hauptteil hält was die ausführliche Präambel verspricht. Was uns Voigt dort in sprachlich und methodisch vorbildlicher Klarheit und Eindeutigkeit vorführt, ist eine Erörterung von Erkenntnisparadigmen und Wahrheitsmodellen in Arno Schmidts (ehemaligen) Typoskriptromanen, die im wesentlichen eine epistemologische Entwicklung nachzeichnet 'weg von der Weltbeschreibung hin zur Weltkonstruktion'.
Doris Plöschberger in 'Bargfelder Bote', Februar 2000
Eine ausführliche Reflexion der methodischen Voraussetzungen gehört zum guten Ton einer Dissertation, und besonders gewinnbringend fällt sie aus, wenn – wie in Voigts Studie (FU Berlin, Diss., 1997) – im Zuge dessen gleich auch grundsätzliche methodische Fragwürdigkeiten, hier in der Schmidt-Forschung, erörtert werden. Letztere gründen, so Voigt, in der »selbstexplikativen Textstrategie« (24) der Werke Sch.s, die zu einer Rückanwendung einer fiktionsimmanenten Poetik auf den Text selbst verleitet und so vielfach zu einer zirkulären, die Ebenen von Text und Metatext nicht ausreichend differenzierenden Argumentation führt. Im Hauptteil seiner Arbeit demonstriert Voigt eine Hermeneutik, die der oben geschilderten Versuchung, den programmatischen Vorgaben des Autors zu folgen, widersteht. Seine sprachlich und methodisch exakte Erörterung von Erkenntnisparadigmen und Wahrnehmungsmodellen in Sch.s (ehemaligen) Typoskriptromanen zeichnet im wesentlichen eine Entwicklung nach »weg von der Weltbeschreibung, hin zur Weltkonstruktion« (Einleitung, XVII). In Zettel's Traum ortet Voigt den Ausgangspunkt einer zunehmend konstruktivistischen Weltsicht, die eine begreifende Inventarisierung der Welt verabschiedet zugunsten einer Projektion des Inneren nach Außen: In den späten Werken Die Schule der Atheisten, Abend mit Goldrand sowie Julia, oder die Gemälde wird die Psyche des Menschen als Illusionsmaschinerie anschaulich, die ihre eigene realitäts- und außenweltunabhängige Wirklichkeit produziert. Mit seiner überzeugenden Rekonstruktion einer Auflösung einer naturwissenschaftlich-exakten Welterkenntnis im Schreiben Sch.s vertieft Voigt das Verständnis für eine gerade in Sch.s Spätwerk radikal und oftmals auf irritierende Weise individualisierte Bilder-, Vorstellungs- und Gedankenwelt und leistet einen überzeugenden Beitrag zur Klarsicht auf ein voraussetzungsreiches Werk.
Doris Plöschberger in 'Germanistik', H. 3/4, 2001