Die vorliegende Studie nimmt ihren Ausgang von dem Spannungsfeld, das zwischen der kulturwissenschaftlichen Beschreibung des Bestattungsrituals und dem literarischen Erzählen seines Scheiterns abgesteckt werden kann. Ausgehend von der Annahme, dass das um 1900 in ethnologischen und soziologischen Texten erarbeitete Schema der ›Rites de Passage‹ narrativ strukturiert ist, lässt sich der Dreischritt aus Trennung, Übergang und Angliederung als ›Bestattungsnarrativ‹ deuten, das den Abschluss der Trauer um die Toten organisiert. Im Zusammenhang mit Gewaltdiskursen nach 1945, in denen Bestattungen oft ausbleiben, wird der literarische Text zum wichtigen Medium der Auseinandersetzung mit den Grenzen der ritualisierten Ausgliederung von Gewaltopfern: Bestattungsnarrationen wie Bachmanns »Das Buch Franza«, Gordimers »The Conservationist« oder Morrisons »Beloved« stellen Inszenierungen unabgeschlossener Trauer dar, durch die das etablierte Narrativ um fragende und klagende Stimmen erweitert wird.
Anna-Maria Valerius
Unerhörte Gräber
Bestattungsnarrative in Gewaltdiskursen nach 1945
Studien zur vergleichenden Literatur- und Kulturwissenschaft Band 5
2022
ISBN 978-3-8498-1800-5
357 Seiten
kartoniert
Anna-Maria Valerius hat in Bonn und Oxford Vergleichende Literaturwissenschaft und Germanistik studiert und in Bonn, Florenz und New York promoviert. Sie lebt und arbeitet als Literaturwissenschaftlerin und Lektorin in Köln.
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Studien zur vergleichenden Literatur- und Kulturwissenschaft Band 5
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