Start Gesamtverzeichnis Germanistik - Literaturwissenschaft Roßbach, Nikola: Theater über Theater
Roßbach, Nikola: Theater über Theater
Artikel-Nr.: 978-3-89528-543-1Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kommt es zu einem regelrechten Parodienboom, insbesondere im Bereich Drama und Theater. Die theatrale Parodie, deren Medien Kabaretts und Kleinkunstbühnen, Zeitschriften, Anthologien, Buch- und Heftreihen sind, verabschiedet das Alte und weist den Weg zum Neuen, Modernen, das seinerseits parodistische Reaktionen auslöst. Sie besitzt einen Funktionsort im Entstehungsprozess des modernen Dramas und Theaters: einen Ort, an dem Theater über Theater stattfindet, Theater verhandelt, verabschiedet, vernichtet wird, an dem die Entwicklung des Theaters vorangetrieben wird.
Parodie und Moderne koinzidieren. Ist die Parodie modern oder gar die Moderne parodistisch? Ist die Parodie Phänomen der Moderne, Katalysator der Moderne, das andere Gesicht der Moderne? Jenseits formelhafter Zuspitzungen lotet die vorliegende Studie den kultur-, literatur- und theatergeschichtlichen Funktionszusammenhang von Parodie und Moderne aus, der immer neu und anders modelliert erscheint.
In Auseinandersetzung mit Positionen der Moderneforschung, Parodietheorie und Theatersemiotik wird zunächst ein differenziertes Parodiemodell erarbeitet. Ein historischer Rückblick auf die Theater- und Parodiekultur des 19. Jahrhunderts erhellt die Voraussetzungen des parodistischen Aufschwungs der Jahrhundertwende. Der Hauptteil der Studie ist den theatralen Parodien selbst gewidmet, die im Zeitraum von 1870 bis 1914 gefunden oder belegt werden konnten. Repräsentative Einzelanalysen geben Einblick in Parodien des alten sowie des neuen – naturalistischen und symbolistischen – Theaters. Durch statistische Daten und kontrastierende Vergleiche kommt zudem eine breite Materialbasis in den Blick: Das Korpus umfasst 600 Parodien, dokumentiert in einem ausführlichen Anhang.
Nikola Roßbach
Theater über Theater
Parodie und Moderne 1870-1914
2006
ISBN 978-3-89528-543-1
491 Seiten
kartoniert
- Vorbemerkung
- I Einführung: Parodie und Moderne
- 1 Funktionsort der theatralen Parodie
- 2 Parodie als Katalysator?
- II Terminologien, Theorien, Modelle
- 1 Moderne und Avantgarde
- 2 Parodie
- 2.1 Was ist Parodie?
- 2.1.1 Begriff und Geschichte
- 2.1.2 Forschung: ein Systematisierungsversuch
- 2.1.2.1 Set von Parodieaspekten
- 2.1.2.2 Parodieforschung und Literaturtheorie
- 2.1.2.3 Kontraktion und Detraktion: enger und weiter Parodiebegriff
- 2.1.2.4 Postmoderne, dekonstruktivistische, kultur-anthropologische Thesen zur Parodie
- 2.2 Wie funktioniert Parodie?
- 3 Ein Modell für die Analyse theatraler Parodien
- 3.1 Abstufungsmodell mit konstitutiven Elementen
- 3.2 Theatralität
- 3.2.1 Zeichen – Text – Performanz
- 3.2.2 Theatrale Parodie und ihre Referenten
- 3.2.3 Parodie zwischen Text und Theater
- 3.3 Metatheatralität
- III Parodie und Theater vom 19. Jahrhundert bis zum Beginn der Moderne
- 1 Aspekte der Theaterkultur
- 2 Theatrale Parodie im 19. Jahrhundert
- 2.1 Klassik kontra Parodie
- 2.2 Das Wiener Volkstheater
- 3 Aufschwung der theatralen Parodie zu Beginn der Moderne
- 4 Voraussetzungen des Parodienaufschwungs
- 4.1 Kleinkunst, Kabarett, Brettl
- 4.2 Buch- und Pressemarkt
- 4.2.1 Berufsschriftsteller, -kritiker und -humoristen
- 4.2.2 Bücher und Zeitschriften
- 4.2.3 Kladderadatsch und Konsorten: Witzblätter im Profil
- IV Analyse: Theatrale Parodie 1870-1914
- 1 Korpus theatraler Parodien
- 1.1 Recherche- und Fundorte
- 1.2 Ein- und Ausschließungen
- 1.3 Publikations- und Aufführungsmedien
- 1.4 Dokumentations- und Quellenlage
- 1.5 Strukturierung
- 2 Parodie und altes Theater
- 2.1 Tendenz
- 2.2 Zeit
- 2.3 Referenz
- 2.4 Exemplarische Analyse
- 2.4.1 Martin Böhm: Es lebe das Leben
- 2.4.2 Arthur Schnitzler: Der tapfere Cassian
- 2.4.3 Galli Matthias: Roderich und Kunigunde
- 2.4.4 Martin Böhm: Die Quitzow’s
- 2.4.5 Paul Scheerbart: Der Schornsteinfeger
- 2.5 Parodie als Verabschiedung des alten Theaters?
- 3 Parodie und modernes Theater I: Naturalismusparodien
- 3.1 Tendenz
- 3.2 Zeit
- 3.3 Referenz
- 3.4 Exemplarische Analyse
- 3.4.1 Fritz Mauthner (?): Der höhere Zustand
- 3.4.2 Julius Stinde: Das Torfmoor
- 3.4.3 Leopold Wulff: Die Weber oder Die eigentlichen Morituri von Rautendelein Hauptmann
- 3.4.4 Hugo Busse: Fuhrmann Henschel (Rollfuhrmann Henschel)
- 3.4.5 Friedrich Kayßler: Die Weber
- 3.5 Parodie als Verabschiedung des Naturalismus?
- 3.6 Parodie und Retheatralisierung
- 4 Parodie und modernes Theater II: Symbolismusparodien
- 4.1 Tendenz
- 4.2 Zeit
- 4.3 Referenz
- 4.4 Exemplarische Analyse
- 4.4.1 Christian Morgenstern: Die Krankenstube
- 4.4.2 Max Reinhardt: L’Interieur oder Das intime Theater
- 4.4.3 Hanns von Gumppenberg: Der Veterinärarzt
- 4.4.4 Rudolf Presber: Das Eichhorn
- 4.4.5 Kory Towska: Meschugge ist Trumpf !
- 4.5 Parodie als Verabschiedung des Symbolismus?
- 5 Parodie zwischen Moderne und Avantgarde
- 5.1 Alfred Döblin: Lydia und Mäxchen
- 5.2 Oskar Kokoschka: Sphinx und Strohmann
- V Ausblick: Parodie und Theater im 20. Jahrhundert
- VI Anhang
- 1 Parodien: Korpus
- 2 Parodisten: Kurzbiographien
- VII Literatur
- 1 Quellen
- 1.1 Parodien
- 1.2 Romane, Dramen, Werkausgaben
- 1.3 Autobiographien, Memoiren, Briefe
- 1.4 Essays, Kritiken, Reden, Programmschriften
- 1.5 Humoristische, satirische und parodistische Anthologien, Almanache und Sammlungen
- 1.6 Literarisch-kulturelle, humoristische, satirische Zeitschriften
- 2 Bio- und Bibliographien, Nachschlagewerke, Lexika, Wörterbücher, Almanache, Repertorien
- 3 Forschungsliteratur
- 3.1 Parodie und verwandte Phänomene, Intertextualität, Metatheatralität
- 3.2 Moderne und Avantgarde
- 3.3 Literatur, Kultur, Theater, Kabarett- und Publizistikgeschichte
Nikola Roßbach ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Darmstadt; dort wurde die vorliegende Studie im Sommer 2005 als Habilitationsschrift angenommen. Zahlreiche weitere Veröffentlichungen zur deutschsprachigen Literatur- und Kulturgeschichte des 17. bis 20. Jahrhunderts. Die Verfasserin ist Mitherausgeberin des interdisziplinären Online-Journals metaphorik.de.
Leseprobe: lp-9783895285431.pdf
[...] ein Desiderat der (theaterhistorischen) Forschung. Bereits das Quellenkorpus von insgesamt 600 Parodien, das Roßbach ihren Untersuchungen zugrunde legt, lässt vermuten, dass hier nicht nur Aufschluss über parodistisch vermittelte Traditionsbewahrung und -pflege beziehungsweise literarische Innovationsschübe gegeben wird. Den Leser erwartet ein weites Spektrum an Formen und Funktionen literarischer Prozesse, die beispielhaft die gemeinhin als literarisch-kulturelle Zeitenwende und Umbruchszeit etikettierte Epoche um 1900 dokumentieren. [...] Souverän meistert Roßbach die Schwierigkeit, dem umfangreichen Quellenkorpus gerecht zu werden, wenn für die exemplarischen Analysen repräsentative und aussagekräftige Parodien ausgewählt werden müssen. Sie orientiert sich an ausgewählten Analysekriterien, die stets am Material geprüft und hinterfragt werden: Die Systematik bleibt flexibel, unterwirft die Quellen nicht einem vorgefertigten Interpretationsschema und bannt somit die Gefahr vorschneller Urteile über die oft nur vermeintliche Sprengkraft parodistischer Persiflagen im Prozess literarisch-kultureller Erneuerung. [Die] Analysen berücksichtigen alle Ebenen parodistischer Karikatur auf inhaltlicher, formaler und pragmatischer Seite. Selbst die für Theaterparodien wichtigen para-, nonverbalen und selbst "olfaktorischen" (!) Aspekte werden anhand von Regieanweisungen oder zeitgenössischen Aufführungsberichten nachgezeichnet und für die Interpretation nutzbar gemacht. [...] Roßbachs Arbeit ist Dokumentation, Darstellung und Interpretation der Parodie auf Drama und Theater um 1900 - profund recherchiert und analysiert, reich an Einsichten und nicht zuletzt in sicherem, gut lesbarem, zuweilen sogar schwungvollem Stil geschrieben [...].
Almut Vierhufe in „literaturkritik.de“ (März 2007)
Vollständig nachzulesen: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=10495
[...] Die ebenso materialreiche wie amüsante Studie kann in ihrem Ausblick die Wirkung der Theaterparodie auf das moderne Theater, das in vielerlei Hinsicht parodistisch ist, überzeugend nachweisen.
Sigrid Bauschinger in „Germanistik“ (Heft 3-4/2006)
[...] Roßbach’s research opens the door for a good deal of intriguing future work on humor and theatrical experimentation around 1900.
Alan Lareau in „Monatshefte“ (No. 3, 2007)
[...][eine] großangelegte[] und materialreiche[] Studie, die einen wesentlichen Bereich des modernen deutschen Dramas und Theaters erstmals im vollen Umfang erschließt [...].
Erwin Rotermund in „Zeitschrift für Germanistik“ (2/2008)
[...] Im Rahmen einer differenzierten Darstellung parodietheoretischer Fragen [...] entwirft Roßbach ein „Set“ von neun Parodieaspekten, darunter etwa Referenzialität als intertextuelle Lesestrategie, aber auch nichtsprachliche ‚theatrale‘ Zeichenkomplexe, die in der Parodiepraxis dieser Epoche erst recht zur Geltung kommen. [...] [Sie] leistet einen durchaus verfechtbaren Beitrag zur Parodiediskussion.
Gilbert Carr in „Nestroyana“ (2008, Heft 1/2)