Das Buch ist vergriffen!
Verwandlung von Frau zu Statue, von Statue zu Frau: ein faszinierendes Sujet, das in seiner Vielfalt und langen Lebensdauer bisher kaum beachtet wurde. Volker Klotz hat es aufgestöbert und durch etliche Jahrhunderte verfolgt, besonders einläßlich seit der Romantik. Und zwar durch mehrere Literaturen: lateinische, deutschsprachige, französische, spanische, portugiesische und mexikanische. Verwandlung von Frau zu Statue, von Statue zu Frau: ein solcher Vorfall scheint von vornherein wie geschaffen für novellistisches Erzählen. Als unerhörte Begebenheit, das lag nur nah, mußte er sich früher oder später der einschlägigen literarischen Gattung geradezu aufdrängen. Wie sich die Novellistik dieses Sujets bemächtigt, und was sie von Fall zu Fall daraus macht, mutet allerdings merkwürdig an. Merkwürdig spät geschieht es; dann freilich um so jäher, explosiver und nachhaltiger, als sei es bislang gewaltsam unterdrückt worden. Aber auch merkwürdig zugespitzt geschieht es, wenn man bedenkt, daß all die Autoren - von Eichendorff bis Fuentes die Spannweite des Sujets einengen zu einem fragwürdig quasi-religiösen Wundergeschehen. Und wenn man vollends bedenkt, daß sie dabei die Hauptrolle dieses Geschehens fast ausnahmslos entweder mit Venus oder mit Maria besetzen. Die Verwandlung erfolgt also alternativ, an der antiken Liebesgöttin oder durch sie oder an der katholischen Gottesmutter oder durch sie. Einzig Fuentes besetzt die Statuenrolle mit einem männlichen Gott, mit Chac Mool, dem Regengott der Maya.
Volker Klotz
Venus Maria
Auflebende Frauenstatuen in der Novellistik
2., unveränderte Auflage
2010
262 Seiten
kartoniert
ISBN 978-3-89528-247-8
Volker Klotz, Professor für Literaturwissenschaft, Theaterkritiker, Dramaturg, lebt in Stuttgart und Wien. Autor zahlreicher Standardwerke zu Dramatik und Romanliteratur, Kunstmärchen und Operette; bei Aisthesis sind erschienen: Radikaldramatik. Szenische Vor-Avantgarde: Von Holberg zu Nestroy, von Kleist zu Grabbe (1996) und Mephistos Himmelfahrt. Parodistische Operette nach ‚Lä-Haut!‘ von Maurice Yvain« (1999), Verskunst. Was ist, was kann ein lyrisches Gedicht? (2011)
Klotz [...] arbeitet eng am jeweiligen Text und bringt überzeugende Mikroanalysen hervor. Die Stärken den Buchs liegen außerdem in den Beobachtungen zur Erzählstruktur [...]. Klotz erreicht es [...] durch seinen lebendigen Stil, daß man sich für die von ihm vorgestellten Texte interessiert, selbst eine Novelle wie „Der Gehenkte“ von Eca de Queiróz [...] möchte man anschließend gerne lesen.
Tilman Spreckelsen in: "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 09. März 2001
Hinter dem lapidaren Titel Venus Maria verbirgt sich eine geballte Ladung literaturwissenschaftlichen Zündstoffs. Mit seiner sowohl diachronisch als auch synchronisch, also komparatistisch angelegten Studie über das Thema der Statuenverwandlung präsentiert der Theater- und Literaturwissenschaftler Volker Klotz seinem Lesepublikum ein hochinteressantes, stellenweise auch brisantes Gemisch aus kultursoziologischen Beobachtungen, gattungspoetischen Reflexionen und zündenden Einzelinterpretationen. Sein zentrales Interesse gilt einer besonderen Form des Gestaltwandels mythisch-literarischer Figuren: der Verwandlung von Frau zu Statue und umgekehrt. [...] Was die Lektüre dieses Buches zu einem außergewöhnlichen Vergnügen macht, ist die subtile, sprachlich höchst empfindsame und gleichzeitig lebendige Interpretationskunst seines Autors, eine ars interpretandi, die durchdrungen ist vom pädagogischen Eros des Lehrers, dem nicht nur sein Gegenstand, sondern in gleichem Maße dessen Vermittlung am Herzen liegt. Klotz' Erkenntnisinteresse richtet sich in erster Linie auf gattungspoetische Phänomene. Er fragt: »Was macht das unverwechselbare Profil der Novelle aus, auch und gerade wenn sie Seitensprünge unternimmt abseits vom herkömmlichen Weg?« [...] ein Anknüpfungspunkt für weitergehende Forschungen über einen Gegenstand, dessen äußere Konturen und innere Beschaffenheit Klotz erstmals herausgearbeitet hat, wissenschaftlich gleichermaßen fundiert wie differenziert, vor allem aber in selten schöner Plastizität.
Anna Maria Stuby in: "Feministische Studien" Nr. 1, 20. Jg., Mai 2002