Start Gesamtverzeichnis Reihen Postkoloniale Studien in der Germanistik Kißling, Magdalena: ›Weiße‹ Normalität
Kißling, Magdalena: ›Weiße‹ Normalität
Artikel-Nr.: 978-3-8498-1333-8Die Studie befasst sich mit der Erweiterung des Gegenstandsbereichs postkolonialer Germanistik um rassismustheoretische Ansätze und legt Neuinterpretationen der kanonischen Texte »Iphigenie auf Tauris« (Goethe), »Effi Briest« (Fontane) und »Tauben im Gras« (Koeppen) vor. Im Fokus steht die Frage: Inwiefern produzieren, stabilisieren und subvertieren die Ästhetiken der Texte ein kulturelles Wissen über Weißsein, das zugleich durch interferierende vergeschlechtlichte und klassistische Diskurse gebrochen wird? Zusätzlich zu den kanonischen Texten bezieht die Studie in ihre postkolonialen Diskursanalysen einschlägige Unterrichtshilfen ein. Abschließend werden Perspektiven einer rassismussensiblen Literaturdidaktik entwickelt, die Diversitätsaspekte im Kontext von Methodik, Aufgabenkultur und Gesprächsführung berücksichtigen.
Magdalena Kißling
Weiße Normalität
Perspektiven einer postkolonialen Literaturdidaktik
Postkoloniale Studien in der Germanistik Band 10
2020
ISBN 978-3-8498-1333-8
432 Seiten
kartoniert
- Vorbemerkung
- 1 Literarisches Wissen über Weißsein im Kontext der Literaturdidaktik
- 1.1 Weißes Wissen | Wissen über Weißsein
- 1.2 Wissen über Weißsein in Literatur
- 1.3 ‚Falsches‘ Aussehen, ‚falsche‘ Kultur. Die Cultural und Postcolonial Studies
- 1.4 Zum Aufbau
- 2 Die Normalität des Rassismus. Konturen eines Begriffs
- 2.1 Rassismus als ordnungsstrukturierende Diskurslogik und alltägliches Phänomen
- 2.2 Koloniale Kontinuitäten und Transformationen. Dominante Rassismusformen im deutschsprachigen Raum
- 2.3 Die Grundbinarität Schwarz/Person of Color und Weiß. Eine terminologische Reflexion für den deutschsprachigen Raum
- 2.3.1 Weiß | Weißsein
- 2.3.2 Schwarz | asiatisch | slawisch | jüdisch. Der People of Color-Ansatz
- 3 Kolonialität der Macht. Interferenz zwischen Rassismus und Literatur
- 3.1 Wer spricht wie über wen oder was? Repräsentation und strategische Essenz
- 3.1.1 Subalterne Repräsentation beyond Selbstrepräsentation und Othering. Spivaks Repräsentationsmodell der Ambivalenz
- 3.1.2 Strategische Essenz. Eine feministisch-marxistische Durchbrechung dekonstruktiver Theorie
- 3.1.3 Diskursive Funktion der Autor*innen. Zum Verhältnis von Repräsentation und Autor*innenschaft
- 3.2 Wer nimmt was wie wahr? Sprache als Moment der Konstitution und Verletzbarkeit des Subjekts
- 3.2.1 Verletzbarkeit durch Sprache
- 3.2.2 Sprache zwischen Resignifizierung und Zensur. Zur Ambivalenz einer sprachsensiblen Praktik
- 4 Methodische Überlegungen: Postkoloniale Diskursanalyse
- 4.1 Literatur im Spannungsfeld zwischen Affirmation und Subversion. Der Ansatz der postkolonialen Diskursanalyse
- 4.2 Schulbuchanalyse im Fach Deutsch: Methodenwahl und Sample
- 5 Die Instituierung weißer Norm. Johann Wolfgang von Goethes Iphigenie auf Tauris
- 5.1 Weiße Weiblichkeit. Iphigenie als Trägerin der westlichen Kultur
- 5.2 Koloniale Mimikry. Thoas’ Versuch der Weißwerdung
- 5.3 Rhetorik der Asymmetrie. Figurenrede und -repräsentation
- 5.4 Die ‚Wilden‘ und ‚Barbaren‘. Sprache zwischen Selbstironie und sozialer Aberkennung
- 5.5 Kulturimperiale Diskurslogik als Herausforderung für den Literaturunterricht. Ein Fazit
- 6 „die blond sind, die haben immer einen weißen Teint“. Theodor Fontanes Effi Briest
- 6.1 Weißsein zwischen Institutionalisierungsarbeit und Brüchigkeit. Der Landadel, Effi und Roswitha
- 6.2 Zur Poetik des Anderen. Die Figuren of Color
- 6.3 Perspektivenstruktur: Das weiße Erzählen
- 6.4 Geografische Orte, ‚exotische‘ Requisiten und Strategien des Naming. Asymmetrische Raumsemantisierungen
- 6.5 „Da liege, bis du schwarz wirst“. Sprache und ihre Verletzbarkeit
- 6.6 Sekundäre Inszenierung weißer Normalität. Effi Briest in den Bildungsmaterialien
- 6.7 Weiße Normalität zwischen Nicht-Thematisierung und sekundärer Inszenierung. Ein Fazit
- 7 „Weiße unerwünscht, Schwarze unerwünscht“. Wolfgang Koeppens Tauben im Gras
- 7.1 Weißsein zwischen Lohn und Preis, Fragilität und Brüchigkeit. Die weiß markierten Romanfiguren
- 7.2 „The danger of a single story.“ Die Schwarzen Figuren und Figuren of Color zwischen Provokation, Usurpation und Selbstdarstellung
- 7.3 Montagetechnik als Darstellungsmittel transindividueller Rhetorik
- 7.4 „kann man einen Neger heiraten?“ Sprache als Speicher kolonialen Wissens
- 7.5 Sozio-historische Amnesie. Zum diskursiven Feld der Koeppen-Rezeption in Forschung und Didaktik
- 7.6 Weißes Privilegiensystem und Handlungsraum der Ermächtigung. Ein Fazit
- 8 Perspektiven einer postkolonial ausgerichteten Literaturdidaktik
- 8.1 Literatur im Unterricht – aber wozu? Ansprüche einer postkolonialen Literaturdidaktik
- 8.2 Postkoloniale Diskursanalyse als Methode der Texterschließung
- 8.3 Diskriminierungssensible Verfahren
- 8.4 Rassismussensible Sprachreflexion
- 8.5 Wer ist das Bildungssubjekt? Kriterien zur Überprüfung von Aufgabenstellungen
- 8.6 Ausblick: kurz-, mittel- und langfristige Perspektiven auf eine postkolonial ausgerichtete Literaturdidaktik
- 9 Wege zu einem rassismussensiblen Literaturunterricht. Abschließende Überlegungen
- Literaturverzeichnis
Magdalena Kißling ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für deutsche Sprache und Literatur an der Universität zu Köln. Sie studierte Germanistik und Sozialwissenschaften auf Lehramt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Literatur- und Mediendidaktik, Postcolonial und Cultural Studies, Diskursanalyse sowie diversitätssensible Gesprächsführung und Aufgabenkultur.
Leseprobe: lp-9783849813338.pdf
Magdalena Kißling legt [...] eine Fragestellung vor, die nicht nur interessant ist, sondern durchaus aktuell und sowohl für die Germanistik wie für die Literaturdidaktik wertvolle Anregung bietet. Kißling wirft die Frage auf, ob rassistische Implikate in fiktionale Texte eingehen, ohne dass diese bisher in der Rezeption eine Beachtung gefunden haben. Dabei grenzt sie die rassistische Perspektive auf eine weiße, d.h. eurozentrische Sichtweise ein. Vor dem Hintergrund der europäischen Kolonialgeschichte sind explizit ideologische Texte dieser Epochen bekannt. Aber Kißling untersucht drei Texte, die scheinbar frei von solchen Implikaten sind: Goethes Iphigenie auf Tauris, Fontanes Effie Briest und Koeppens Tauben im Gras. [...] Kißling geht aber über diese Bestandsaufnahme hinaus, sie kündigt eine ‚postkoloniale Literaturdidaktik‘ an. Und der methodologische Aufbau dieser Konzeption dürfte von besonderem Interesse sein. [...] Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der ambitionierte Zugriff und die Fragestellungen durchaus ihre Berechtigung haben. Allerdings muss der Autorin entgegengehalten werden, dass sie die Frage nach der Passung von Leser und Text nur postuliert, eigentlich nur solche Bedingungen aufzählt, die sich aus der germanistischen Sicht ergeben. Die notwendigen Erwerbsvoraussetzungen, die psychischen Imperative der Adoleszenz und nicht zuletzt die fehlende empirische Basis ihres Ansatzes lassen viele der behaupteten Wirkungszusammenhänge als hoch spekulativ erscheinen. Dennoch ist nicht nur der Autorin, sondern der Literaturdidaktik zu wünschen, diese Leerstellen in der wissenschaftlich begleiteten Unterrichtspraxis schließen zu können.
Joachim Schulze-Bergmann in „literaturkritik.de“ (Juli 2020)
Zur vollständigen Rezension: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=26906
[Magdalena Kißling] [...] untersucht in ihrer Studie mit dem Titel „,Weiße‘ Normalität“ kanonische literarische Texte im Deutschunterricht. Dabei interessiert sie, ob und wie in Literatur ein „weißer Blick als Normalität hergestellt, festgeschrieben und über die Rezeption der Texte tradiert wird“ (S. 12). [...] Im Rückgriff auf Butler macht Kißling in ihrer Arbeit grundsätzlich auf die Wirkmächtigkeit von Sprache aufmerksam. [...] Verletzbarkeit durch Sprache [...] beruht auf der Annahme, dass Sprache zwar „oberflächlich betrachtet, den Körper nicht (beschädigt)“ (S. 99), doch die Erzeugung von Schmerz – auch in einem somatischen Sinne – durchaus zu bestehen scheint. [...] Sprache kann, insofern sie ein Herrschaftsverhältnis aktualisiert, Traumata auslösen. [...] Für die Umarbeitung der Analyseergebnisse zu „Perspektiven einer postkolonial ausgerichteten Literaturdidaktik“ (S. 298) kreiert die Autorin ein eigenes umfangreiches zu Auseinandersetzungen mit Rassismuserfahrungen und den Strategien im Umgang mit ihnen noch vielfach fehlen. Ein Element der Konzeption ist auch ein Kriterienkatalog, der es ermöglichen soll, Unterrichtsmaterialien, wie auch das Schulbuch, daraufhin zu analysieren, ob und wieweit die Kategorie ‚Rasse‘ als kritische Analysekategorie berücksichtigt werde. [...]
Kerstin Rabenstein in „Budrich Journals“, ZISU
Zur vollständigen Rezension: https://doi.org/10.3224/zisu.v10i1.11
In Weiße Normalität, Magdalena Kißling seeks to make explicit the power of language to injure and marginalize through literary and educational discourses of representation and instruction. This undertaking is carried out through careful analysis of three wellknown works (Johann Wolfgang von Goethe’s Iphigenie auf Tauris, Theodore Fontane’s Effi Briest, and Wolfgang Koeppen’s Tauben im Gras) against the backdrop of their didacticization. […] Extensively researched, the monograph provides many details for instructors and literary critics alike. […] Kißling’s monograph makes an important contribution to the fields of literary criticism and postcolonial studies and is additionally useful for educators teaching German language and literature. […]
Andrea Dawn Bryant in „Monatshefte 115 (1/2023)“
Postkoloniale Studien in der Germanistik Band 10