Jazz und Literatur. Martin Brambach liest Michael Klaus

Artikel-Nr.: 978-3-8498-1302-4
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Diese CD erinnert an den großen Satiriker und wunderbaren Menschen Michael Klaus. Klaus war eine der markantesten Autorenpersönlichkeiten nicht nur der westfälischen Literatur. Der Schauspieler Martin Brambach hat die Erinnerung an den viel zu früh Verstorbenen in mehreren Bühnenprogrammen lebendig erhalten. Ihm und seiner Ehefrau, der Schauspielerin Christine Sommer, die das vorliegende Projekt intensiv begleitete, ist das Zustandekommen dieser CD zu verdanken. Ein ebenso großes Dankeschön gilt Stefan Bauer, der zuvor schon mit Michael Klaus gemeinsam an einem Jazz und Lyrik-Projekt gearbeitet hatte. Von ihm stammte der erste Impuls, einen Michael-Klaus-Abend auf dem Kulturgut Nottbeck zu veranstalten. Dieser auf der vorliegenden CD dokumentierte Abend war ein grandioser Erfolg.

Michael Klaus wurde 1952 in Brilon-Wald geboren. Aber das war nicht seine wirkliche Heimat. Die lag im Ruhrgebiet, genauer: in Gelsenkirchen. Hier lebten auch die Helden seiner Romane, seiner Jugendbücher, seiner über zwanzig Hörspiele und Spielfilme (von denen er besonders den Tatort „Schimanski muss leiden“ gern erwähnte). Mit dem Drehbuch zum Adolf-Winkelmann-Film „Nordkurve“ landete Klaus einen Kino- und Publikumserfolg. Großen Zuspruch fanden auch sein Text für das Schalke-Musical „Nullvier. Keiner kommt an Gott vorbei“ und das Libretto „Die Tiefe des Raumes“, ein Fußballoratorium der RuhrTriennale. Klaus’ letzte Lebensjahre waren seine erfolgreichsten. Seine Schriftstellerlaufbahn hatte bereits Ende der 1970er Jahre begonnen.

Michael Klaus war ein Meister der Beobachtung. Er war unentwegt auf der Suche nach Geschichten. Und fand sie an der Straßenecke, in den Hinterhöfen, beim Gespräch in der Eckkneipe, auf dem Wochenmarkt, vor dem Fischrestaurant. Tragikomisches Potenzial lauert überall – Michael Klaus spürte es geradezu hellsichtig auf. Über Gelsenkirchen-Buer schrieb er einmal: „Dieser Stadtteil wird nachts beleuchtet von der Panik seiner Bewohner.“ Dieser „Panik“ hat er seine besten Kurzgeschichten gewidmet.

Auch seine Familie war immer wieder Gegenstand von Glossen und Satiren: die Großeltern, Tanten und Onkel, Eltern, seine Ehefrauen. Und nicht zuletzt – schonungslos ehrlich – seine eigene Person. Alles nachzulesen in seinem Buch „... in die weite Welt hinein“ (2006).

Seine Hauptdarsteller waren bevorzugt Typen mit liebenswerten Macken, wie sie das Ruhrgebiet, scheint’s, in Serie hervorbringt. Es sind die kleinen Helden des Alltags, die aber groß sind in ihrem Wollen und manchmal hilflosen Streben. Klaus schlug sich ganz auf ihre Seite. Ohne jede Häme oder Herablassung. Dafür nahm er die Menschen zu ernst und hatte zu großen Respekt davor, wie sie ihr Leben zu meistern versuchen. Im manchmal so unsentimentalen Alltag ist Durchhaltewille gefragt und kein Verdammungswort. Und wenn das Leben wieder einmal regelrecht krankmacht, hilft eine Prise Satire als Überlebensmittel.

Im einem Nachruf auf Michael Klaus in der Zeitschrift „Der Westen“ war zu lesen: Seine Erzählungen sind „bis zum Bersten, bis in jeden Buchstaben hinein voll von Welt. Von unserer Welt, unserem Alltag und den Verhältnissen, die wir kennen, aber die uns erst einer wie Michael Klaus benennen, beschreiben, erzählen muss, damit wir sie auch erkennen“. In dieser Hinsicht war Michael Klaus auch Moralist. Der es nicht beim Schreiben beließ, sondern mit anpackte, wenn es zu helfen galt: Als Vizepräsident des deutschen PEN kümmerte er sich um verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller.

Von ihm selbst mit sonorer, rauchiger Stimme und pointiert-trocken vorgetragen, entfalteten seine Stoffe einen ganz eigenen Sound und waren an Komik nicht zu übertreffen. Das lag an Klaus’ genialem Händchen für Dramaturgie. Er inszeniert so, wie er es selbst am liebsten hatte: lebendig, bizarr, turbulent. Geschichten wie Kurzfilme, Slapstickeinlagen inklusive.

Und natürlich seine lakonische Sprache. Relativsätze? Waren bei ihm verpönt. So spricht man im wirklichen Leben ja auch nicht. Alles wird geradeheraus gesagt mit einer ruhigen Neigung zum schnörkellosen, notfalls brutal realistischen Klartext. Manche Sätze muss man sich in ihrer Kargheit regelrecht auf der Zunge zergehen lassen. Sie sind so trocken, dass der Leser lange daran zu knabbern hat. Knapper, direkter ging’s nimmer.

Seine Krankheit hat Michael Klaus auf seine eigene Weise zu bewältigen versucht – literarisch. Seine letzten Romane „Totenvogel Liebeslied“ und „Tage auf dem Balkon“ sind das beklemmende Protokoll seiner Krankheitsgeschichte mit fortwährenden Ups and Downs. Das Aberwitzige an diesen Romanen ist: Sie besitzen – trotz allem – Humor, sarkastischen zwar, aber das Erzählte ist wunderbar pointiert. „Totenvogel Liebeslied“ und „Tage auf dem Balkon“ sind deshalb keine Betroffenheitsbücher. Sie handeln vielmehr vom prallen, unberechenbaren und eben deshalb oft so grausamen Leben. Vor allem aber handeln sie von der Liebe, anrührend erzählt und ohne jede Sentimentalität.

Michael Klaus starb 2008 in Gelsenkirchen. Wir werden sein Lächeln nicht vergessen.

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