Einverleibung – ein körperliches Geschehen, das zum kulturellen Deutungsschema avanciert. In literarischen, philosophischen und kulturtheoretischen Texten tauchen immer wieder Figuren des wortwörtlichen In-den-Mund-Nehmens, des Kauens, Schmeckens und Verdauens auf. Einverleibung wird inszeniert als Drama der Körpervorgänge, das zugleich von Grenzziehung und Grenzüberschreitung erzählt, von den Grundlagen des Wissens, den Ursprüngen der Lust, aber vor allem von Praktiken der Aneignung und deren Subversion. Auf diese Weise verschränken sich in der Einverleibung Körper- und Zeichenprozesse – Mensch und Welt begegnen einander.
Claudia Hein
Die Essbarkeit der Welt
Einverleibung als Figur der Weltbegegnung bei Italo Calvino, Marianne Wiggins und Juan José Saer
2016
ISBN 978-3-8498-1121-1
379 Seiten
kartoniert
Claudia Hein studierte Komparatistik, Italienische Philologie und Philosophie in München und Pisa und wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin in Romanistik promoviert. Sie arbeitet als freie Lektorin und ist Redakteurin der Weimarer Beiträge.
Leseprobe: 9783849811211.pdf
D[er] sinnstiftenden Figur der Einverleibung geht Hein in ihrer umfangreichen Studie nach, wobei sie den Figurbegriff im Sinne Roland Barthes‘ nicht im rhetorischen, sondern im choreographischen Sinne verstanden wissen will. Dabei begreift sie die Figur als einen aus der Bewegung heraus erfassten Körper, der in einer bestimmten Gebärde stillgestellt werden muss, um sowohl die sprachlich-rhetorische als auch die körperlich-diskursive Dynamik zu verbinden. [...] Hein hat die [in Ihrem Buch verhandelten] Texte quasi auf den Seziertisch gelegt, dort in kleinste Bestandteile zerlegt und sie einer präzisen mikroskopischen Analyse unterzogen. Die Methode des close reading wird durch Hein jedoch immens erweitert, indem sie die Texte nicht nur in ihre jeweiligen Entstehungskontexte einbettet und Paratexte sichtbar macht, sondern ihnen umfassende theoretische Reflexionen zur Seite stellt. Vor allem mit letzteren will Hein einen gleitenden Übergang von Literatur- und Theorieanalyse schaffen, indem die theoretischen Texte ebenso wie die literarischen als Erzählungen gelesen werden können. Zwar besteht somit die Gefahr, durch die Fülle der Informationen und Querverweise als Leser überflutet zu werden, doch ein genaues und sehr konzentriertes Lesen zeigt, dass sich beide Ebenen, also die „Metaphorik der theoretischen Texte und die Wörtlichkeit der literarischen Texte“, kongenial vermischen und ergänzen. [...] Durch ihre vielschichtige Annäherung wird nicht nur die Anschlussfähigkeit an andere Disziplinen deutlich – Psychoanalyse, Kulturwissenschaft, Ethnologie, Philosophie, Literaturwissenschaft und postkoloniale Studien durchdringen einander –, sondern Hein leistet zudem einen wichtigen Beitrag, um die Figur der Einverleibung in einem größeren kulturhistorischen Kontext zu verorten.
Halin Hackert in „literaturkritik.de“ (03.09.2016]
Die ganze Rezension hier: http://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=22428
„Die Essbarkeit der Welt“ [„The Edibility of the World”, my translation] is a wellresearched and stimulating book, which investigates the theme of incorporation as a metaphor for human exploration and knowledge of the world, both from a theoretical and a literary perspective. [...] In her investigation, the literary and the theoretical levels interrelate and merge smoothly. The result is a very articulated study, imbued with challenging interdisciplinary references and augmented by a rich bibliography and long commentary footnotes, which make it a book destined for an audience of connoisseurs. As suggested by the cover image, a work by Johann Zechmeister entitled Allesfresser („Omnivore”, my translation), Hein’s comparative research is large in scope, all-consuming in its argumentation, reveals something more about our human („omnivorous”) nature, and makes the reader’s mouth water, as it were, thinking about conducting similar research into further texts.
Maria Elisa Montironi in „Food & History“ (Volume 14 - nos 2-3 2016)