Die USA – Terra incognita für die meisten Europäer im frühen und mittleren 19. Jahrhundert – spielten als Modell staatswissenschaftlichen, verfassungsrechtlichen und politischen Denkens bei den Vertretern und Verteidigern der monarchischen Herrschaft und ihres Machtgefüges genauso wie bei den Anführern und Anhängern gemäßigter und radikaler Reform-, Oppositions- und Widerstandsbewegungen, aber auch an deutschen Universitäten und Akademien, in literarischen und philosophischen Zirkeln, in Unternehmer- und Verlegerkreisen, Künstlerbünden und der medialen Öffentlichkeit eine zentrale Rolle. Zugleich stellte die Neue Welt ein Sehnsuchtsziel für Freiheitsliebende, politische Flüchtlinge, Auswanderungswillige und Wirtschaftsmigranten, aber auch bisweilen die gefürchtete Endstation für verbannte Gefangene dar: Das Spektrum der Funktionen, Aufgaben, Bilder und Vorstellungen ist breit, das die Vereinigten Staaten von Amerika in der Wahrnehmung der Zeitgenossen im Vor- und Nachmärz einnahmen und das ihnen zugeschrieben wurde – nicht zuletzt auch in der (Emigrations-)Literatur.
Forum Vormärz Forschung
Jahrbuch 2017, 23. Jahrgang
Deutschland und die USA im Vor- und Nachmärz
Politik - Literatur - Wissenschaft
Herausgegeben von Birgit Bublies-Godau und Anne Meyer-Eisenhut
2018
ISBN 978-3-8498-1298-0
448 Seiten
kartoniert
Leseprobe: lp-9783849812980.pdf
[Der Band] beginnt mit einer kompetenten Sichtung der weitverzweigten Forschungsliteratur durch die beiden Herausgeberinnen. Darauf folgen elf materialreiche und forschungsnahe Beiträge, die die aktuelle Forschungslandschaft gut abschreiten, die aber, was Reichweite und Relevanz ihrer Themen angeht, von unterschiedlichem Kaliber sind. [...] Interessant wird es, wo Prozesse eines in beide Richtungen über den Atlantik gehenden Kulturaustausches in ihrer ganzen Komplexität greifbar werden. So macht Harald Lönnecker die transatlantischen Netzwerke deutscher Burschenschaften überhaupt erstmals sichtbar. Alexander Ritter zeigt, wie der aus Österreich stammende Karl Postl, der unter dem Pseudonym Charles Sealsfield Amerikaromane schrieb, in den USA der 1840er Jahre für rund fünf Jahre als künftiger Nationalschriftsteller gefeiert wurde, bevor er nicht zuletzt aufgrund von ungeklärten Fragen des Urheberrechts in Vergessenheit geriet. Thomas Giese rekonstruiert, wie der in Deutschland geborene, in die USA ausgewanderte und dann an der Kunstakademie in Düsseldorf ausgebildete Maler Emanuel Leutze mit „Washington Crossing the Delaware“ ein Gemälde schuf, das, aus hochkomplexen transnationalen Bezügen erwachsend, in den USA zu einer nationalen Ikone wurde. Hier erschließt der Band jenseits aller Bestandsaufnahme interessante neue Forschungsperspektiven.
Volker Depkat in „Historische Zeitschrift“ (Heft 310/2, 2020)
Jahrbuch des Forum Vormärz Forschung e.V.